Hertha BSC und die Windhorst-Millionen: Der moderne Fußball ist pervers
Dass Hertha derzeit auf dem Platz erfolglos ist, scheint kaum eine Rolle zu spielen. Im modernen Fußballgeschäft zählt anderes. Ein Kommentar.
Die Situation von Hertha BSC sieht derzeit nicht besonders rosig aus. Von vier Spielen in der Fußball-Bundesliga haben die Berliner noch kein einziges gewonnen; vor dem Heimspiel gegen den Aufsteiger SC Paderborn liegt die Mannschaft auf dem letzten Tabellenplatz. Aber das ist natürlich nur eine sehr subjektive und daher unzutreffende Sicht der Dinge. In Wirklichkeit wird Hertha immer besser.
Ingo Schiller, der Finanzgeschäftsführer des Klubs, hat jetzt in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur verkündet, dass er schon in Kürze mit der zweiten Tranche des neuen Investors Lars Windhorst rechne. Nach den 125 Millionen Euro in diesem Sommer fließen dann noch einmal 100 Millionen auf Herthas Konto. Der Klub schwimmt quasi im Geld. Windhorst wiederum erhöht seinen Anteil an der Hertha BSC Kommanditgesellschaft auf Aktien von 37,5 auf 49,9 Prozent. Zugleich ist Herthas Wert innerhalb weniger Monate von 333,33 Millionen auf 450 Millionen Euro gestiegen.
Wen interessieren angesichts einer solchen Erfolgsgeschichte noch die verzerrende Darstellung einer Bundesliga-Tabelle oder die profanen Ergebnisse eines Fußballspiels?
Vielleicht ist genau das im Moment das Problem von Hertha BSC. Der Verein hat große Pläne, steckt viel Energie in sein neues Stadion, in Digitalisierung, Internationalisierung und vor allem: Wachstum, Wachstum, Wachstum. „Wir sind dem Wachstum sozusagen verpflichtet“, sagt Ingo Schiller. Nur der Fußball stört gerade ein bisschen. Aber, hey: Ist doch nur Fußball!
Wachstum – nur darum geht es. Und mit dieser Haltung steht Hertha endlich einmal an der Spitze der Bewegung. So ist dieser moderne Fußball nun mal. Er folgt der Entwicklung eines globalen Kapitalismus, der immer weniger produziert und trotzdem immer mehr Geld generieren will. So etwas wie Liebe und Leidenschaft zu einem Verein hält er bestenfalls für Folklore. Ja, selbst die Konstruktion „Verein“ ist nur noch eine Schimäre, wird lediglich zum Schein aufrechterhalten. Oder vielleicht noch aus Gründen der besseren Vermarktbarkeit.
Hertha BSC folgt dem Vorbild RB Leipzigs
Prominentes Beispiel in Deutschland ist Rasenballsport Leipzig: ein Konstrukt unter dem Deckmantel eines eingetragenen Vereins, allein erschaffen zur Vermarktung eines Produkts. RB ist die Perversion des Fußballs – und zugleich die konsequente Fortschreibung einer Entwicklung, die jetzt zu ihrer vollen Blüte gelangt. Mit anderen Worten: Der moderne Fußball ist pervers.
Das Schlimme ist, dass ein Unternehmen wie Red Bull auf alle anderen den Druck erhöht, bei diesen Perversitäten mitzumachen. Nur so bleibt man halbwegs konkurrenzfähig. Hertha BSC hat das erkannt. Auch deshalb ist der Klub bei der Suche nach seinen strategischen Partnern nicht besonders wählerisch gewesen. Erst KKR, ein Finanzinvestor, der mit Hertha einen guten Schnitt gemacht hat. Jetzt die Tennor Holding BV von Lars Windhorst, über dessen Geschäftsprinzip der Hertha-Blogger Marxelinho geschrieben hat: „Windhorst macht sich für die Reichen dieser Welt erbötig, sie noch reicher zu machen, indem er für sie nach Ertragsmöglichkeiten sucht, und schneidet dabei bestens mit.“
Windhorst geht es um Rendite. Für Fußball interessiert er sich nicht. Noch weniger interessiert er sich vermutlich für Hertha BSC. Von Liebe oder Leidenschaft für den Verein ganz zu schweigen. Das ist auch nicht notwendig. Man sollte es nur wissen – jetzt wo bei Hertha BSC alles super läuft.