3:1-Sieg gegen den VfL Wolfsburg: Der Hamburger SV hofft weiter
Nach einem Sieg über Wolfsburg darf der HSV wieder vom Klassenerhalt träumen. Die Niedersachsen müssen dagegen zittern.
Bruno Labbadia blieb am Eingang in den Kabinentrakt noch einmal stehen. Er klatschte sämtliche Spieler ab, einige drückte er an seine Brust, anderen tätschelte er kurz die Wange, während von den Rängen sein Name gerufen wurde. Es waren die Spieler des Hamburger SV, die der Trainer des VfL Wolfsburg zum Abschied herzte – und es waren die Fans des HSV, die Labbadia feierten. In Hamburg gilt er immer noch als Retter, seitdem er 2015 den Abstieg verhindert hat. Und am Samstag könnte er erneut einen wichtigen Beitrag zum Verbleib des HSV in der Fußball-Bundesliga geleistet haben. Seine Mannschaft unterlag dem HSV im eigenen Stadion 1:3 (0:2). Während die Hamburger bis auf zwei Punkte an den Relegationsplatz heranrückten, hat sich die Situation für den VfL noch einmal zugespitzt. Von den Rängen kamen wütende Pfiffe, die Spieler trauten sich nur bis auf 30 Meter an ihre Kurve heran.
So war es auch schon zur Pause gewesen. „Niemals Zweite Liga“, sangen die Hamburger Anhänger. Die Wolfsburger pfiffen, nachdem die erste Hälfte furios zu Ende gegangen war. In nicht mal fünf Minuten hatten die Gäste aus dem 0:0 ein 2:0 gemacht. Bobby Wood, seit dem zweiten Spieltag ohne Tor, hatte zunächst per Elfmeter getroffen, in der Nachspielzeit erhöhte Lewis Holtby per Kopf auf 2:0. Der Assist wurde jeweils dem kleinen Japaner Tatsuya Ito gut geschrieben, den Josuha Guilavogui im Strafraum gefoult hatte und der vor dem zweiten Tor unbedrängt flanken konnte. „Der Doppelschlag hat uns brutal weh getan“, sagte Labbadia.
In den finalen fünf Minuten der ersten Halbzeit war wieder der typische VfL Wolfsburg zu sehen, dem es erkennbar an der nötigen Mentalität für den Abstiegskampf fehlt. Labbadia hatte es nach dem peinlichen 0:3 in Mönchengladbach vor einer Woche nicht bei kosmetischen Korrekturen belassen, sondern gleich sechs Spieler aus der Startelf genommen, darunter auch die beiden besten Torschützen Daniel Didavi (Achillessehnenprobleme) und Yunus Malli.
Der HSV wirkte gefestigter
Die Wolfsburger traten in der Tat mit mehr Entschlossenheit auf und hatten zunächst auch die besseren Chancen. Nach einer knappen Viertelstunde vergab Renato Steffen, einer der sechs Neuen, geradezu kläglich, als er den Ball aus fünf Metern über die Latte löffelte. Riechedly Bazoer, der schon nach zehn Minuten den angeschlagenen Marcell Tisserand ersetzt hatte, stellte sich wenig später nicht viel besser an. Nach einem klugen Rückpass von Maximilian Arnold verzog er deutlich.
Insgesamt aber wirkte der HSV gefestigter. Unter dem neuen Trainer Christian Titz wird nicht nur anders Fußball gespielt, es wird auch durchgehend professionell gearbeitet, selbst im Detail. Immer wenn das Spiel wegen einer Verletzungspause unterbrochen war, setzte vor der Hamburger Bank kollektive Betriebsamkeit ein: Die Spieler stürmten heran, Trinkflaschen wurden gereicht, neue taktische Anweisungen erteilt. Und wenn das Spiel wieder lief, überprüfte ein Betreuer den Zustand der Wasserflaschen, ersetzte leere durch volle. „Wichtig ist, dass wir wieder das Wir-Gefühl entwickelt haben“, sagte Lewis Holtby, der lange außen vor war, jetzt aber zur Symbolfigur für die Hamburger Aufholjagd wird. Wieder einmal, wie schon in der vergangenen Saison. In den jüngsten fünf Spielen erzielte der Mittelfeldspieler vier Tore für den HSV – mehr als die gesamte Mannschat des VfL Wolfsburg in dieser Zeit.
Als sich beide Klubs vor ziemlich genau einem Jahr am letzten Spieltag gegenübergestanden, ging es darum, wer von den beiden Mannschaften in die Relegation musste. Seitdem hat sich einiges geändert. Beide Vereine haben je zweimal den Trainer gewechselt, die Spielphilosphie inklusive, und auch die Manager mussten gehen. Am Freitag, unmittelbar vor dem wichtigen Spiel gegen den HSV, erwischte es Wolfsburgs glücklosen Sportdirektor Olaf Rebbe. „Das darf uns in dieser Situation nicht tangieren“, sagte Labbadia.
Nächste Woche "Halbfinale in Frankfurt"
Bei allen personellen Wechseln: Eins hat sich nicht geändert. Beide Klubs sind auch in diesem Jahr wieder tief in den Abstiegskampf verstrickt. „So blöd es auch klingt: Wir haben es immer noch in der Hand“, sagte Labbadia vor den Spielen in Leipzig und gegen den Absteiger Köln.
Doch während der VfL nach den jüngsten Auftritten sogar mit dem Schlimmsten rechnen muss, zeigt der Trend beim HSV klar nach oben. Der Erfolg beim VfL war der erste Auswärtssieg seit 246 Tagen, von den jüngsten vier Spielen haben die Hamburger drei gewonnen. „Wir spielen einen ganz anderen Fußball“, sagte Aron Hunt, „und uns macht es unglaublichen Spaß, in diesem System zu spielen.“
Die Ergebnisse tun ein Übriges. Josip Brekalo verkürzte zwar durch einen Freistoß, flach und in die Mitte des Hamburger Tores, eine knappe Viertelstunde vor dem Ende auf 1:2. Insgesamt aber strahlte der VfL in der zweiten Halbzeit das Bedrohungspotenzial einer Wasserschildkröte aus. Den ersten Eckball gab es in der 64. Minute, und bei etwas mehr Cleverness im Abschluss hätten die Hamburger das Spiel deutlich früher entscheiden können. So mussten sie bis in die Nachspielzeit warten, als Luca Waldschmidt nach einem kläglich vergebenen Foulelfmeter von Filip Kostic im Nachschuss zum 3:1-Endstand traf. „Das Viertelfinale haben wir jetzt geschafft“, sagte Holtby. „Nächste Woche kommt das Halbfinale in Frankfurt.“