Mit Präsidentschaftskandidat Grindel: Der DFB stellt sich über den Deutschen Bundestag
Reinhard Grindel soll DFB-Präsident werden. Seine Doppelrolle als Funktionär und Abgeordneter weckt Zweifel an seiner Eignung. Ein Kommentar.
Wer immer zu hören bekommt, wie wichtig er sei, weil er so viel für das Ansehen des Landes tue, die Kinder von der Straße hole, die Integration vorantreibe und nebenbei auch noch beste Unterhaltung biete, der muss schon einen starken Charakter haben, um nicht durchzudrehen. An der Spitze des Deutschen Fußball-Bundes gibt es diese starken Charaktere gerade nicht. Sonst hätte der DFB sich nicht auf einmal wichtiger genommen als der Deutsche Bundestag. Und als das Volk, das den Bundestag gewählt hat.
Der DFB hat jedenfalls geglaubt, einen eigenen Mann im Bundestag zu haben. Einen, der nicht zuerst Vertreter des ganzen Volkes und nur seinem Gewissen unterworfen ist, wie es im Grundgesetz steht, sondern vor allem dem DFB untersteht. Dieser Mann heißt Reinhard Grindel, sitzt für die CDU im Bundestag und bekleidet im DFB das Amt des Schatzmeisters.
Nun ist ein Brief aufgetaucht, in dem der inzwischen zurückgetretene DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und der noch amtierende DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock schreiben, es sei zwischen dem DFB und Grindel vereinbart, dass Grindel „zukünftig parteipolitisch umstrittene Themenfelder nicht in den Mittelpunkt seiner politischen Arbeit stellen wird, sondern sich vielmehr sportpolitischen Fragestellungen zuwenden wird“. Kurz: Der DFB wollte die Aufgabe eines Abgeordneten beschneiden.
Dieser Abgeordnete könnte bald Präsident des Deutschen Fußball-Bundes werden. Schon vor ihm sind beim DFB Schatzmeister zu Präsidenten aufgestiegen, Egidius Braun etwa oder Theo Zwanziger. Die Landesverbände haben sich jetzt für ihn ausgesprochen. Und offenbar nicht verstanden, was in den vergangenen Tagen und Wochen passiert ist.
Der DFB ist in eine schwere Krise gestürzt und hat dabei seinen Präsidenten verloren, weil sich Funktionäre nicht mehr an Sinn und Zweck einer Millionenzahlung erinnern können und sich eher dem Mythos Sommermärchen verpflichtet fühlen als der Wahrheit. Gerade Grindel müsste jetzt als Finanzfachmann zur Aufklärung beitragen wollen, aber wie soll er das, wenn er gleichzeitig als Schatzmeister gegenüber dem DFB zu Verschwiegenheit und Loyalität verpflichtet ist und andererseits als Abgeordneter frei von Aufträgen und Weisungen zu sein hat?
Das Talent zur realistischen Selbsteinschätzung hat sich innerhalb des DFB nicht als ansteckend erwiesen. Auch Grindel ist nicht von ihm erfasst worden. Als Präsident des DFB ist Grindel auf jeden Fall denkbar ungeeignet.
An der Spitze des größten nationalen Sportverbands der Welt muss ein Mensch mit Mut zur Entscheidung stehen. Reinhard Grindel wollte sich nicht entscheiden. Er wollte überall gleichzeitig mitmischen, im Fußball und in der Politik. Dass es dabei zu Interessenkollisionen kommen könnte, wie jetzt bei der Aufklärung des Skandals um die Vergabe der Fußball-WM 2006, schien ihm egal zu sein. Für das, was der DFB jetzt braucht, Transparenz und klare Kante, steht er jedenfalls nicht.
Mit einem wie Reinhard Grindel als Präsident bliebe der Deutsche Fußball-Bund im Sumpf stecken.