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So wie damals. Mit Jürgen Klinsmann 2004 mit Michael Ballack und Bastian Schweinsteiger.
© Peter Kneffel/dpa

Nach Enttäuschung bei der WM 2018: Der deutsche Fußball braucht einen neuen Reformer

Der deutsche Fußball steht wie 2004 vor einem Umbruch - nicht nur was die Nationalmannschaft angeht. Muss jetzt einer wie Jürgen Klinsmann her?

Was macht eigentlich Jürgen Klinsmann? Hubschrauberfliegen vermutlich. Den Traum vom Flugschein hat sich der frühere Bundestrainer und Weltmeister von 1990 vor vier Jahren erfüllt, als sein Nachfolger Joachim Löw mit der deutschen Nationalmannschaft den WM-Titel in Brasilien gewann und sich ebenfalls einen Traum erfüllte. Vier Jahre später ist nicht mehr viel übriggeblieben von diesem Glanz und Ruhm.

Die deutsche Mannschaft ist im Sommer 2018 auf die rüdeste Art und Weise gestoppt worden. Von Mannschaften wie Mexiko, Schweden und Südkorea, die qualitativ nicht besser waren, als jene Gegner in der WM-Qualifikation, in der die Deutschen verlustpunktfrei blieben. Auch deshalb wirkten die deutschen Spieler und ihr entthronter Weltmeistertrainer am Tag nach dem desaströsen WM-Aus wie aus allen Wolken gefallen.

Klinsmann war damals nach dem peinlichen Vorrundenaus bei der EM 2004 in Portugal für Rudi Völler ins Amt gekommen. Für das Fußballerische holte er sich Joachim Löw an die Seite, der gerade arbeitslos war. Jeden Stein wollte er damals beim trägen und bisweilen selbstgefälligen Dachverband umdrehen. Vor allem aber erneuerte er rigoros die Strukturen rund um die Mannschaft.

Klinsmann hat den Bundestrainer Löw erst möglich gemacht

„Als Jürgen und ich im Sommer 2004 begonnen haben, hatte der deutsche Fußball nach den beiden Europameisterschaften von 2000 und 2004 ernsthafte Probleme.“ Das hat Löw nach dem WM-Titelgewinn erzählt. „Der Jürgen“, sagte Löw, habe dann einige Dinge auf den Weg gebracht, die bis heute von Bestand sind, ohne die es nicht diese erfolgreiche Phase gegeben hätte. „2014 haben wir das dann rund gemacht“, sagte Löw und meinte das Finale von Rio im Maracana.

Tatsächlich hätte es ohne Klinsmann nicht den Bundestrainer Löw gegeben. Klinsmann musste den schwerfälligen Deutschen Fußball-Bund (DFB) zwei Jahre lang mit seiner an Sturheit grenzenden Kompromisslosigkeit reformieren. Auch dank ihm gab es einen wie Löw, einen Bundestrainer, der nicht die Autorität hatte wie Klinsmann, der mehr als 100 Mal für Deutschland spielte, der Welt- und Europameister geworden war.

Warum also nicht bei Klinsmann anrufen, jetzt da es wieder Reformbedarf zu geben scheint im deutschen Fußball?

Die Konsequenzen, auf die sich DFB-Präsident Reinhard Grindel und die sportliche Leitung der Mannschaft fürs erste einigen konnten, hören sich schwer nach großer Rat- und Hilflosigkeit an. Während Teammanager Oliver Bierhoff immerhin eine „knallharte Analyse“ einforderte, sprach Löw zwar von „tiefgreifenden Veränderungen“, die nötig seien. Ob das aber auch für das Amt des Bundestrainers gelte, sagte er nicht. Grindel toppte die schwammigen Verlautbarungen noch einmal. Es komme jetzt darauf an, „dass wir nicht in Hektik oder Aktionismus verfallen“, sagte er.

Trainerentscheidung bis Ende nächster Woche

Klar, den einen geeigneten Kandidaten für eine mögliche Nachfolge Löws gibt es derzeit nicht. Aber das allein darf kein Argument für eine Weiterbeschäftigung des 58-Jährigen Schwarzwälders sein. Für das krachende Scheitern trägt er die Hauptverantwortung. Zu der wolle er auch stehen, hatte Löw noch am Abend der Schmach gesagt.

Doch auch darüber hinaus muss sich einiges gewaltig ändern innerhalb der Mannschaft und um sie herum. Insofern wäre einer wie Klinsmann jetzt nicht als Trainer, sondern als radikaler Aufräumer gefragt. Man könnte den Wahlkalifornier in regelmäßigen Abständen einfliegen lassen – so, wie er es auch bis zur Heim-WM 2006 heran tat. Das hatte zwar damals die Hinterbänkler des Sportausschusses im Bundestag auf die Barrikaden gebracht, sie wollten ihn deshalb sogar ins Hohe Haus einbestellen. Doch Klinsmanns Wirken gilt bis heute als Erweckungserlebnis auf dem Weg zum vierten Stern.

Aus dieser Anfangszeit sind heute noch die führenden Köpfe übriggeblieben: Neben Löw und Bierhoff der Torwarttrainer Andreas Köpke sowie der Teampsychologe Hans-Dieter Hermann, der schweizerische Chefscout Urs Siegenthaler, die amerikanischen Fitnesstrainer Shad Forsythe und Mark Verstegen. Sie alle sind über die Jahre zum Establishment geworden beim DFB. Viel bedenklicher ist, dass sämtliche Bereiche rund um das Team auf ein schier nicht mehr verträgliches Maß angeschwollen sind. Auf jeden der 23 Spieler kamen bei dieser WM zwei Mitarbeiter im Betreuungsstab, also insgesamt 46 Mann. Die Reformergebnisse von Klinsmann sind über die Jahre schleichend einkassiert worden.

Bis Ende nächster Woche soll immerhin die wichtigste Personalie geklärt sein, die des Bundestrainers. In einer ausführlichen Telefonkonferenz ließ sich Grindel von seinen Präsidiumskollegen jetzt nochmals bestätigen, dass alle weiterhin hinter Joachim Löw stehen.

„Es braucht klare Veränderungen, und das müssen wir jetzt besprechen, wie wir das tun“, sagte Löw. Jetzt brauche man Zeit und ein paar Gespräche, „dann werden wir klare Antworten geben.“

Die Zukunft gehört der Generation Kimmich und Werner

Wie aber könnte dann die Mannschaft aussehen, die am 6. September in München in die neugegründete Nationenliga mit dem Spiel gegen Frankreich startet?

Wenn man den Äußerungen der Mannschaft nach der Landung in Deutschland lauschte, beschlich einem das Gefühl, dass sich nicht allzu viel ändern wird in absehbarer Zeit. Manuel Neuer etwa, der Mannschaftskapitän, nahm sich und seine Mitspieler in die Pflicht. „Wir Spieler sehen uns in erster Linie in der Verantwortung“, sagte der 32-Jährige. Das hörte sich danach an, dass er und alle anderen Weltmeister von 2014 auf Wiedergutmachung sinnen. Also all jene Spieler, die um die 30 sind und in Russland ihre Leistung nicht erbracht haben.

Kann ein Erneuerungsprozess mit ihnen begonnen werden? Es ist recht unwahrscheinlich, dass viele Weltmeister ihre Karrieren im Nationalteam nun beenden werden. Am ehesten vielleicht noch Mesut Özil, 29, und Sami Khedira, 31. Jerome Boateng, 29, hatte das bereits vor WM-Beginn selbst für den Fall einer erfolgreichen Titelverteidigung für sich ausgeschlossen. Er wolle in jedem Fall noch einmal Europameister werden, hatte der Innenverteidiger vom FC Bayern gesagt.

Doch das Nationalteam darf letztlich kein Selbstbedienungsladen sein. Ja, sie alle haben sich verdient gemacht um den deutschen Fußball. Mats Hummels, 29, Toni Kroos, 28, und Thomas Müller, 28, sind noch in einem guten Alter. Wenn sie in ihren Vereinen Leistungen bringen, führt an ihnen kein Weg vorbei. Sie können eine verjüngte Mannschaft führen und bereichern. Ob aber auch Mario Gomez, der mit beinahe 33 Jahren älteste deutsche Nationalspieler in Russland, die Erneuerung mitgestalten wird, ist eher fraglich.

Vielmehr gehört Spielern wie Joshua Kimmich, 23, Timo Werner, 22, Julian Draxler, 24, Leon Goretzka, 23, und Julian Brandt, 22, die Zukunft. Nicht zu vergessen: der im Trainingslager aussortierte Leroy Sané, 22. Aus den noch jüngeren Jahrgängen drängt allerdings wenig nach. Die deutsche U-19-Auswahl konnte sich für die Europameisterschaft nicht qualifizieren, die U-17-Mannschaft scheiterte in der Gruppenphase. Aber das sah 2004, als Klinsmann sich ans Werk machte, auch nicht besser aus.

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