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Der eine folgt auf den anderen: Thomas Tuchel (li.) wird ab Sommer Nachfolger von Jürgen Klopp als Trainer bei Borussia Dortmund.
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Update

Borussia Dortmund verpflichtet Thomas Tuchel: Der BVB holt den nächsten "positiv Verrückten"

Borussia Dortmund hat einen Nachfolger für Trainer Jürgen Klopp gefunden: Thomas Tuchel wird ab Sommer auf der Bank des BVB sitzen - der umworbene Ex-Trainer von Mainz 05 wird gleich für mehrere Jahre verpflichtet.

Am Ende ging alles ganz schnell und überraschend unspektakulär für einen Verein, bei dem es zum Programm geworden ist, sich mit großen Gefühlen zu inszenieren: „Der achtmalige Deutsche Fußball-Meister Borussia Dortmund hat Thomas Tuchel ab dem 1. Juli 2015 als neuen Trainer verpflichtet“, berichtete der Revierklub am Sonntagmittag auf seiner Homepage. Und weiter: „Der 41-Jährige erhält einen Dreijahres-Vertrag. Borussia Dortmund wird Thomas Tuchel in der Woche nach dem Saisonende offiziell vorstellen. Der BVB bittet um Verständnis dafür, dass sich alle Beteiligten bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur Sache äußern werden.“

Diese wenigen Zeilen müssen also erst einmal reichen, um die wichtigste Personalie zu behandeln, die der deutsche Fußball derzeit zu bieten hat. Damit hat sich die Mutmaßung, Tuchel sei der logische Nachfolger von Jürgen Klopp, der am Mittwoch seinen Abschied nach sieben erfolgreichen Jahren bekanntgegeben hatte, zur Gewissheit verdichtet. Alle Tendenzen hatten auf diese Entscheidung hingedeutet: Tuchel, der nach Beendigung der vergangenen Saison aus seinem laufenden Vertrag in Mainz ausgestiegen war und sich eine Auszeit verordnet hatte, sagte zuerst in Leipzig ab und hielt danach den Hamburger SV so lange hin, bis die Verantwortlichen die Reißleine zogen und Bruno Labbadia verpflichteten.

"Es bleibt noch genügend Zeit, um Abschied zu nehmen"

Als am gleichen Tag Klopp das Ende seiner Zeit in Dortmund kommunizierte, mussten die Beobachter nur noch eins und eins zusammenaddieren. Warum Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke angesichts dieser Konstellation Nebelkerzen zündete und zu Protokoll gab, er „warne davor, zu eindimensional in Richtung Thomas Tuchel zu denken“, wird sein Geheimnis bleiben. Nun ist die naheliegende Personalie also definitiv, und auch der frühe Zeitpunkt ist wohl überlegt und strategisch gut gewählt. In Dortmund sehnen sie sich in erster Linie nach Normalität, um den Rest dieser Saison erfolgreich gestalten zu können. So betonte der scheidende Trainer, auf dem alle Blicke ruhten, auf den alle Kameraobjektive gerichtet waren, nach dem 3:0-Heimsieg gegen Paderborn, er halte es von den Fans für „außergewöhnlich sich nach solch einer Woche auf das Wichtigste einzulassen – nämlich Fußball“.

Kurz vor dem Abpfiff ging es dann aber doch noch um Dortmunds Protagonisten: Die Zuschauer erhoben sich und ließen Jürgen Klopp mit Sprechchören hochleben. Nach dem Abpfiff gingen die Ovationen weiter, doch Klopp hielt sich merklich zurück. Er spürt, dass zu viel Sentimentalität den Blick für das Wesentliche trügt. Also ging er nur kurz zur Südtribüne, um sich dann schnell in die Kabine zu verabschieden. Vorher zeigte er drei Finger, was bedeuten sollte: „Wir haben in dieser Saison noch drei Heimspiele, es bleibt noch genügend Zeit, um Abschied zu nehmen.“ Warum er so denkt, erklärte der Trainer so: „Ich kann mich nicht jede Woche auf all die Gefühle einlassen. Ich muss mir da einen Schutzpanzer zulegen.“ Klopp selbst will mit gutem Beispiel vorangehen, um den emotionalen Spagat aus all den Gefühlen, die der Abschied hervorruft, und der Alltagsarbeit zu bewältigen: „Einen 47-jährigen Trainer, der jede Woche flennt, das will doch keiner sehen.“

Viele Parallelen zwischen Tuchel und Klopp

Ab Sommer wird sich also Thomas Tuchel darum kümmern, den BVB in eine neue Ära zu führen. Nichts lag näher als diesen Trainer zu verpflichten, noch dazu, wenn die Meldungen stimmen, dass Klopp selbst den Kollegen als seinen Nachfolger vorgeschlagen haben soll. In Mainz hat Tuchel, wie Klopp ein gebürtiger Schwabe, eindrucksvoll nachgewiesen, dass er viel von dem hat, was einen erfolgreichen Trainer modernen Zuschnitts ausmacht: Der 41-Jährige verbindet hohe taktische Kompetenz mit rhetorischem Geschick, Emotionalität und extrovertiertem Auftreten.

Es ergeben sich also viele Überschneidungen mit Klopp, tatsächlich ist der Vergleich zigfach gezogen worden. Christian Heidel, der beide als Manager von Mainz 05 bestens kennt, hat beide mal als „loyale und authentische Typen, zwei positive Verrückte", beschrieben. Klopp selbst mag solche Bewertungen nicht allzu sehr. Als er vor Jahren auf die vom Boulevard beschworene Konstellation der „Trainer-Zwillinge“ gesprochen wurde, antwortete er mit dem ihm eigenen Witz: „Wir rasieren uns nicht immer gründlich.“ Tuchel wird in Dortmund ein schweres Erbe antreten, schließlich hat Klopp in sieben tollen Jahren tiefe Spuren hinterlassen. Doch der Nachfolger scheint bestens gerüstet. Nicht nur, weil er als extrem ehrgeizig und erfolgsorientiert ist – übrigens weitere Eigenschaften, die ihn mit seinem Vorgänger einen. Neulich ist Thomas Tuchel in einem Interview mit der „Zeit“ gefragt worden, was er am Trainerjob vermisse. Seine Antwort lautete: „Die Kabine. Meine Spieler, mein Trainerteam, das Training, den Geruch des Rasens, den Kick am Wochenende – alles!“ Die Zeit scheint also reif zu sein, wieder richtig loszulegen.

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