Jürgen Klopp verlässt Borussia Dortmund: "Wir haben ein modernes Fußballmärchen geschrieben"
Die Ära von Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund geht offiziell dem Ende entgegen. Über einen Nachfolger wollte der BVB zwar noch nicht sprechen, doch der Name Thomas Tuchel ist allgegenwärtig.
Als das Blitzlichtgewitter verebbt war, ergriff Hans-Joachim Watzke das Wort. Der Geschäftsführer von Borussia Dortmund wirkte ernst, mit schmalen Lippen und leerem Blick versuchte der Geschäftsmann, den richtigen Ton zu treffen, was ihm sichtlich schwer fiel: „Ich bin heute sehr angefasst, da können Sie sich sicher sein.“ Watzke machte das offiziell, was am späten Vormittag wie eine Bombe eingeschlagen war: Jürgen Klopp wird in der kommenden Saison nicht mehr Trainer von Borussia Dortmund sein. Der 47-Jährige hat zwar beim BVB noch einen bis ins Jahr 2018 datierten Vertrag, doch den wird er nicht erfüllen. Man sei in gemeinsamen Gesprächen zu der Entscheidung gelangt, „dass der unglaublich erfolgreiche Weg, den wir in den letzten sieben Jahren gemeinsam gegangen sind, zu Ende ist“, sagte Watzke.
Als Watzke gesprochen hatte, war er den Tränen nah. Er erhob sich und drehte sich nach links. Es folgte eine innige Umarmung mit dem Trainer, dem er immer wieder bescheinigt hatte, er sei unkündbar. So weit ist es nicht gekommen, Klopp zog von sich aus die Reißleine. Über die Gründe, die ihn bewogen, sein langfristig angelegtes Engagement drei Jahre vor dem Ablauf zu beenden, gab Klopp in der Folge Auskunft. Er habe immer betont, er werde es offen und ehrlich sagen, „wenn ich das Gefühl habe, in diesem großartigen Verein nicht mehr der perfekte Trainer zu sein“. Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen, „ich konnte diese Frage nicht mehr eindeutig mit ja beantworten.“
Borussia Dortmund erlebte immer wieder unverständliche Rückschläge
Borussia Dortmund, jener Verein, der unter Klopp nach seiner Beinahe-Insolvenz einen beispiellosen Aufstieg erlebte, der zwei Meisterschaften, einen Pokalsieg und das Erreichen des Champions-League-Finals 2013 gefeierte hatte, durchleidet in dieser Saison schwere Zeiten. Investitionen von rund 70 Millionen Euro in neue Spieler sind wirkungslos verpufft, nach 19 Spieltagen taumelte der einstige Riese als Tabellenletzter durch die Bundesliga. Die akute Abstiegsgefahr ist mittlerweile zwar gebannt, doch immer wieder erlebt der BVB unverständliche Rückschläge wie beim Champions-League-Aus gegen Juventus Turin oder am Wochenende beim 1:3 in Mönchengladbach. Zuletzt wurde immer deutlicher, dass Klopp die Spieler nicht mehr so mitreißen kann wie in der Epoche, als die Borussia mit ihrem mitreißenden Fußball ganz Europa in Verzückung versetzte.
Diese Mannschaft tritt schon lange nicht mehr als verschworene Gemeinschaft auf, die ihrem Trainer bedingungslos folgt und bis zum Umfallen rennt. Ein Beispiel für den schleichenden Niedergang ist Kevin Großkreutz. Der Ur-Dortmunder galt als Klopps Musterschüler, doch das ist vorbei. Von der Weltmeisterschaft in Brasilien kehrte er zurück, ließ sich den WM-Pokal auf den Rücken tätowieren, doch sein untadeliges Arbeitsethos hatte er über all den Feierlichkeiten vergessen. In der Dortmunder Mannschaft spielte er eine immer geringere Rolle, zuletzt lief er in der zweiten Mannschaft auf.
Oder Mats Hummels, der als Kapitän in Krisenzeiten eigentlich die Reihen schließen müsste, stattdessen jedoch lieber öffentlich über ein Auslandsengagement nachdenkt. In Gladbach legte sich Klopp in der Schlussphase lautstark mit dem ehemaligen Spielführer Sebastian Kehl an. Das alles sind Indizien dafür, dass das Dortmunder Biotop, in dem Spitzenleistungen in einem Klima von Eintracht und Solidarität gedeihen, der Vergangenheit angehört. Auch wenn der scheidende Trainer betont, es habe „nie einen Riss zwischen mir und der Mannschaft gegeben“. Die zunehmenden Verwerfungen wird der zunehmend dünnhäutig agierende Klopp allerdings immer deutlicher gespürt haben. „Es muss eine Veränderung her“, sagt er: „Weniger für mich als für den Verein.“ Er wolle nicht im Wege stehen, wenn der BVB eine neue Ära einleite: „Es geht darum, die unglaublichen Möglichkeiten in diesem Verein zu nutzen, ohne ständig mit der Vergangenheit konfrontiert zu werden. Dafür muss ein großer Kopf weg.“
Jürgen Klopp ist der größte Kopf, den Borussia Dortmund zu bieten hat
Der größte Kopf, den Borussia Dortmund zu bieten hat, ist Jürgen Klopp. „Wir haben in den letzten sieben Jahren mit ihm ein modernes Fußballmärchen geschrieben“, betont Sportdirektor Michael Zorc: „Jürgen hat diesem Verein viel Energie und Optimismus mitgegeben.“ Klopps Nachfolger wird in riesige Fußstapfen treten. Fragen nach dem neuen Mann auf der Bank waren bei der Pressekonferenz nicht zulässig. Doch man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass Thomas Tuchel in Dortmund als Trainer anheuern wird. Die bundesweit umworbene Fachkraft im Wartestand hatte zuerst in Leipzig und danach in Hamburg abgesagt. Es liegt nahe, ein Engagement von Tuchel beim BVB vorherzusagen. Doch zunächst will Jürgen Klopp die Saison mit seiner Mannschaft noch zu einem guten Ende bringen. Am liebsten mit dem erneuten Pokalsieg in Berlin und dem anschließenden Triumphzug in Dortmund: „Noch einmal aus gutem Grund mit dem Lastwagen um den Borsigplatz fahren“, sagt Klopp: „Das wäre ziemlich lässig.“
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