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Nationalspieler Niklas Stark im Hertha-Trikot.
© AFP

Niklas Stark von Hertha BSC im Interview: „Der Abstiegskampf findet nicht nur auf dem Platz statt“

Herthas Nationalspieler über Änderungen unter Jürgen Klinsmann, die schwachen Ergebnisse und ein Essen mit Löw. Ein Interview.

Niklas Stark, 24, spielt seit 2015 bei Hertha BSC. Der deutsche Nationalspieler empfängt mit den Berlinern an diesem Samstag (15.30 Uhr, live auf Sky) im Olympiastadion den Tabellenfünften aus Freiburg.

Herr Stark, Tee oder Kaffee?
Wollen Sie einen ausgeben?

Wir meinten ganz generell.
Ich trinke beides. Abends gerne mal einen Tee, tagsüber eher Espresso.

Hat Jürgen Klinsmann, der neue Trainer von Hertha BSC, Sie schon zum Kaffee eingeladen?
Bisher nicht.

Er hat angekündigt, sich mit den Spielern mal zum Kaffee zu verabreden.
Das habe ich mitbekommen. Aber mehr weiß ich auch nicht.

Finden Sie es gut, wenn ein Trainer auch mal außerhalb der üblichen Trainingssituationen mit seinen Spielern spricht?
Da ist jeder Trainer anders. Manche legen eher Wert auf einen gewissen Abstand zu den Spielern, andere wollen mehr wissen und stärker in die Materie eindringen.

Mit Bundestrainer Joachim Löw sollen Sie sich schon mal zum Essen getroffen haben.
Das stimmt. Das war Ende letzter Saison, als ich am Fuß verletzt war und nicht klar war, ob ich rechtzeitig zu den nächsten Länderspielen wieder fit werde. Der Bundestrainer wollte mal hören, wie mein Plan ist, wie der Genesungsprozess verläuft, und dann haben wir zusammen entschieden, dass ich dabei bin, wenn alles normal läuft. So war es dann ja auch.

Nationalspieler. Niklas Stark (2. v. links) ist auch bei Joachim Löw gefragt.
Nationalspieler. Niklas Stark (2. v. links) ist auch bei Joachim Löw gefragt.
© dpa

Hat Löw mit Ihnen auch über Ihre generelle Perspektive gesprochen?
Wir haben ein bisschen gequatscht, und er hat mir gesagt, dass er mit mir plant.

Erst im zehnten Anlauf ist Ihnen das Länderspieldebüt gelungen. Mal war eine Erkältung dazwischen gekommen, mal eine Risswunde. Das war schon eine schwere Geburt, oder?
Da muss man einfach dranbleiben. (Lacht.) Nein. Es war wirklich nicht leicht, sich immer neu zu motivieren. Du wirst eingeladen, wieder kommt was dazwischen, die nächste Hürde tut sich auf, die du überwinden musst. Zum Glück hat es zuletzt geklappt.

Als Sie sich im letzten Spiel vor der Länderspielpause im November die Nase gebrochen haben: Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?
Ganz ehrlich? Ich hab’ gedacht: Ihr wollt mich doch alle veräppeln!

Bei Hertha arbeiten Sie jetzt mit dem früheren Bundestrainer Jürgen Klinsmann zusammen. Haben Sie ihn vorher eher als den ehemaligen Weltklassestürmer wahrgenommen oder als den Trainer des Sommermärchens 2006?
Eher als Trainer. So alt bin ich ja auch noch nicht. Aber an 2006 kann ich mich natürlich erinnern. Ich weiß noch, dass wir damals beim Public Viewing waren.

Haben Sie den Sommermärchen-Film gesehen?
Ja, aber das ist lange her. Da bin ich jetzt nicht mehr so drin.

Ist Ihnen trotzdem in den gut zwei Wochen, in denen Sie jetzt mit Klinsmann zusammenarbeiten, mal eine Szene aus dem Film in den Sinn gekommen?
Nein. Obwohl, wie Klinsmann in der Kabine zu Arne Friedrich sagt, sein Gegenspieler müsse seinen Atem spüren. Das ist schon witzig – weil jetzt beide hier bei uns arbeiten.

Und wie sehr spüren Sie jetzt den Atem von Arne Friedrich? Wie nah ist er als Performance-Manager an der Mannschaft?
Sehr nah. Er ist immer da, bei jedem Training draußen. Und er hat auch schon auf dem Platz speziell mit uns Innenverteidigern gearbeitet.

Ist er eine besondere Bezugsperson für Sie?
Finde ich schon. Er hat in der Nationalmannschaft gespielt, war auch Innenverteidiger. Wenn Arne mir was sagt, weiß ich: Okay, der weiß, wovon er spricht. Wichtig finde ich auch, dass er die Dinge mit einem gewissen Abstand betrachtet, dass er einen Schritt zurücktritt und sich das Gesamtbild anschauen kann. Seine Meinung ist schon relevant. Auch mit Blick auf seine Biografie.

Hat ein solcher Blick bisher gefehlt?
Wenn’s schlecht läuft, fehlen wahrscheinlich einige Dinge. Aber das wäre mir zu einfach. Arne passt hier gut rein. Er ist ja auch eine Berliner Legende. Es ist sehr gut, dass er hier ist, sich einbringt. Ich bin froh, dass er hier ist.

Besonders legendär in dem Sommermärchen-Film sind Klinsmanns Kabinenansprachen. Hat er sich in dieser Hinsicht verbessert oder verschlechtert?
Was soll ich denn dazu sagen? So krass habe ich es auch nicht in Erinnerung. Und es ist ein anderes Kapitel jetzt, eine neue Aufgabe für Jürgen Klinsmann. Mit der Arbeit als Bundestrainer hat das wenig zu tun. Aber was wir bisher mitbekommen, ist: Er freut sich brutal auf die Aufgabe. Und wir freuen uns, dass er da ist. Jetzt können wir loslegen.

Was macht es mit Ihnen, wenn man plötzlich von einem so großen, prominenten Namen trainiert wird?
Zu einer Persönlichkeit wie Jürgen Klinsmann, einem Sportler mit solchen Erfolgen blickst du erst einmal ganz automatisch auf. Aber Name ist Name. Und auf lange Sicht ist viel entscheidender: Was macht er? Wie arbeitet er? Wie lebt er den Trainerjob aus. Bis jetzt ist alles top. Und ich finde, man sieht auch, dass wir in den Spielen Fortschritte machen.

Welche sind das?
Wir sind aggressiver, versuchen, wieder kompakter zu stehen. Und wir haben die Bereitschaft hochgeschraubt, jeden Zweikampf so anzugehen, als ob es der letzte wäre. Auf dem Platz merke ich, dass es vorangeht.

Kann unter solchen Voraussetzungen Abstiegskampf sogar Spaß machen?
Abstiegskampf macht nie Spaß. Aber ich verstehe, was Sie meinen. Sich auf dem Platz mit allem zu wehren, was man hat, das kann schon Spaß machen. Aber der Abstiegskampf findet nicht nur auf dem Platz stand. Wenn es so wäre, wäre es wahrscheinlich einfacher. Das Blöde am Abstiegskampf ist das ganze Drumherum. Natürlich versuchen wir auszublenden, was geredet und geschrieben wird, all die Stimmen von außen. Ich lese wenig. Man muss versuchen, sich nicht von den Medien beeinflussen zu lassen, von den Fans, der ganzen Stimmung. Genau das ist es, was an dir nagt.

Hat Hertha im Moment mehr Probleme mit den Füßen oder mit dem Kopf?
Zurzeit ist noch viel Kopf dabei. Wenn du unten drin steckst, ist das immer Kopfsache. Man sagt ja: Wenn’s läuft, läuft’s. Aber das passiert nur, wenn du frei im Kopf bist. Wir versuchen, viele Sachen auszublenden, damit wir einfach freier und unbeschwert auf dem Platz sind.

Führungsspieler. Niklas Stark hat sich bei Hertha BSC vom Talent zum sportlichen Eckpfeiler entwickelt.
Führungsspieler. Niklas Stark hat sich bei Hertha BSC vom Talent zum sportlichen Eckpfeiler entwickelt.
© dpa

Was hatten Sie eigentlich vor der Saison für ein Gefühl?
Wir werden ja jedes Jahr von euch Journalisten gefragt: Was geht denn in diesem Jahr? Ich antworte dann meistens: „Mal schauen.“ Wir hatten uns viel vorgenommen, aber das ist eigentlich vor jeder Saison so. Und es kann immer mal passieren – so wie jetzt leider bei uns –, dass du eine schlechte Phase hast und unten reinrutschst. Aber so etwas malt man sich ja nicht vor der Saison aus. Wenn man sagt: „Die Saison wird schwer“, dann wird sie auch schwer. Natürlich will man positiv in die Saison starten, und natürlich hatten wir das ein bisschen anders geplant. Aber jetzt ist es nun mal so. Das nehmen wir an und machen das Beste daraus.

Hat man als Spieler am Ende der Vorbereitung denn überhaupt ein Gefühl, wie die Mannschaft drauf ist?
Ein bisschen schon. Aber ich bin damit sehr vorsichtig. Selbst wenn du in der Vorbereitung gegen einen Bundesligisten spielst, ist es keine Bundesliga. Ohne Wettkampfdruck ist es schwer einzuschätzen, wie deine Leistungsfähigkeit ist. Das sieht man ja jetzt.

Vor allem Herthas Leistungsträger, Marko Grujic, Ondrej Duda, auch Sie, sind nur schwer in Fahrt gekommen. Woran liegt das?
Das ist schwer zu beantworten. Ich glaube einfach, dass die Kompaktheit manchmal gefehlt hat, die Einstellung, jeden Zweikampf richtig anzugehen. Wenn die Basics nicht stimmen, kommt man immer einen Schritt zu spät. Aber auch wenn man den Willen hat und alles versucht: Es klappt dann manchmal einfach nicht. Da müssen wir jetzt wieder besser hinkommen.

Nach dem Trainerwechsel im Sommer hatte man das Gefühl, dass Ante Covic viele Dinge verändern wollte, der Mannschaft deshalb viel Input gegeben hat, aber sie damit möglicherweise überfordert hat. Wie sieht es bei Jürgen Klinsmann aus?
Wir hatten eine gute Vorbereitung mit Ante und sind gut gestartet. Leider aber hat es letztlich nicht so geklappt, wie wir das alle wollten. Jürgen Klinsmann weiß ganz genau, dass es auf die Basics ankommt, dass wir die erst einmal stärken müssen, bevor wir uns an neue Dinge wagen. Natürlich gibt er uns auch den Input, mal dieses oder jenes zu machen. Aber das Wichtigste sind die Basics des Fußballs.

Basics sind auch geistige Frische, Wachheit, Kraft …
Sagen wir: Fitness. Egal wo.

Was ist mit der körperlichen Fitness?
Ich habe schon das Gefühl, dass wir noch fitter werden. Viele von uns merken auch, dass sie dann im Spiel mehr leisten können. Aber es ist natürlich schwierig, in der Saison auf diesem Gebiet intensiv zu arbeiten. Wir machen einiges, aber dazu ist dann wieder die Vorbereitung da.

Wie wichtig ist das Heimspiel gegen den SC Freiburg, der als Tabellenfünfter eines der Überraschungsteams ist?
Für uns ist jetzt jedes Spiel wichtig, egal ob es gegen den Fünften geht oder sonst wen. In den Spielen bis zur Winterpause versuchen wir, jetzt noch einmal jeden Punkt zu ergaunern, den wir kriegen können. Es sind schwere Spiele, das wissen wir. Aber wieso denn nicht?

Fürchten Sie mit Blick auf Ihre EM-Chancen, dass dieses Jahr für Sie ein verlorenes Jahr werden könnte?
Wir haben es ja noch selbst in der Hand. Ich auch. Ich versuche einfach, mit den Jungs so zu arbeiten, dass dieser Fall nicht eintritt. Fertig.

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