Traum vom Europapokal: Der 1. FC Union will oben stänkern
Trainer Urs Fischer bleibt zurückhaltend, doch beim 1. FC Union ist der Blick auf die Europapokalplätze nach dem Sieg gegen Köln kein Tabu mehr.
Die Erfolge des 1. FC Union in dieser Saison basieren zu einem großen Teil auf der mannschaftlichen Geschlossenheit, am Samstag nach dem 2:1 gegen den 1. FC Köln waren aber durchaus Meinungsverschiedenheiten zu erkennen. Nicht auf dem Spielfeld, wo die Berliner gegen den abstiegsgefährdeten Gegner verdient drei Punkte holten, sondern danach, vor den Mikrofonen und Kameras.
Die bedachte Fraktion um Trainer Urs Fischer und Kapitän Christopher Trimmel wehrte die Fragen nach dem Klassenerhalt wie gewohnt trocken ab. Glückwünsche nehme er erst an, wenn der Abstieg „rechnerisch nicht mehr möglich ist“, sagte der Schweizer Trainer, und Trimmel verwies auf die ominösen 40 Punkte, zu denen Union noch zwei Zähler fehlen. Tatsächlich können die Berliner trotz des großen Vorsprungs von 17 Punkten auf den Relegationsplatz noch absteigen – auch wenn sie seit Samstag zumindest nicht mehr Letzter werden können.
Bei Robert Andrich und Max Kruse hörte sich die Einschätzung der Situation deutlich offensiver an – Union steht schließlich auf dem siebten Tabellenplatz. Andrich war sich ziemlich sicher, dass die aktuelle Punktzahl für den Klassenerhalt reicht und formulierte ein Ziel für die letzten neun Spieltage, das hervorragend zu ihm und dem Underdog-Image des 1. FC Union passt. „Wir wollen die da vorne, die unbedingt international spielen müssen, so lange wie möglich ärgern“, sagte der Berliner Mittelfeldspieler. Eklig solle Union bleiben und weiter stänkern.
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In eine ähnliche Richtung gingen auch die Äußerungen von Kruse, der kurz nach der Halbzeit per Elfmeter den wichtigen Ausgleich erzielt hatte. „Man sagt ja immer, bei 40 Punkten hat man den Klassenerhalt sicher. Ich denke, dieses Jahr werden 38 reichen“, sagte Kruse. Das Team könne stolz auf sich sein, denn die Erwartungen habe Union bereits jetzt deutlich übertroffen.
Sollte Union den siebten Platz halten, starten die Berliner wahrscheinlich zum zweiten Mal nach 2001 im Europapokal. Denn falls sich der DFB-Pokalsieger über die Bundesliga für das internationale Geschäft qualifiziert – und die Chancen dafür stehen sehr gut –, reicht Platz sieben für die Conference League. Bisher sind das natürlich nur Träumereien, richtig Lust auf diesen neuen Wettbewerb scheinen sie bei Union aber gar nicht zu haben.
„Auf die Conference League habe ich keinen Bock“
Nachdem Grischa Prömel die Conference League vor wenigen Wochen noch nicht einmal kannte („Das ist mir neu“), outete sich Kruse als klarer Gegner. Auf die Europa League würde er sich freuen, „auf die Conference League habe ich irgendwie keinen Bock“. Es gebe genug Wettbewerbe und dabei sollte es bleiben.
Dass es plötzlich nicht mehr darum geht, ob sich Union für den Europapokal qualifiziert, sondern für welchen, quittierte Fischer mit einem süffisanten Lächeln. „Wenn Max das so gesagt hat, dann hört sich das so an“, sagte er. Der Schweizer kann mit Rechenspielen, Träumereien und Hypothesen nicht viel anfangen. Fischer ist ein Mann für die Gegenwart, ein Realist, der auch bei hundertmaliger Nachfrage nicht von seinem Standpunkt abweicht. Unabhängig davon, ob man den Klassenerhalt nun bereits als erreicht ansieht oder nicht, kann man aber davon ausgehen, dass sich Union nicht auf dem bisher Erreichten ausruhen wird.
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Die Spielfreude und Souveränität, die das Team in weiten Teilen der Hinrunde ausgestrahlt hat, war in den vergangenen Wochen gegen allerlei abstiegsgefährdete Gegner nur zu erahnen. Dennoch tritt Union mittlerweile so solide und vor allem defensiv so stabil auf, dass Niederlagen selten bleiben. Der Wille fehlt eigentlich nie – und das war auch gegen Köln zu sehen. Fischers Mannschaft vergab in der ersten Halbzeit zahlreiche Chancen und geriet mit der letzten Aktion vor der Pause durch einen dummen Elfmeter in Rückstand. „Die Reaktion darauf hat mir gefallen“, sagte Fischer.
In den verbleibenden neun Spielen trifft Union fast nur noch auf Spitzenteams, angefangen am kommenden Samstag mit Eintracht Frankfurt. Um es mit Robert Andrich zu sagen: eine gute Gelegenheit zum Stänkern.