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Verdienter Jubel. Der 1. FC Union spielt in der kommenden Saison international.
© imago images/Picture Point LE

Mit dem Europapokal schließt sich ein Kreis: Der 1. FC Union schreibt ein Happy End wie in Hollywood

Der 1. FC Union Berlin qualifiziert sich auf dramatische Weise für die Conference League. Es ist der Lohn für eine beeindruckende sportliche Entwicklung.

Urs Fischer und Max Kruse sind sich nicht immer einig. In Bezug auf die Conference League gibt es beispielsweise große Meinungsverschiedenheiten, am Samstagnachmittag fanden Trainer und Stürmer des 1. FC Union jedoch sehr ähnliche Worte. „Das war eine Achterbahn der Gefühle, ein Drehbuch für Hollywood“, sagte Fischer, während Kruse befand, dass man die Dramaturgie des Spiels „nicht hätte besser schreiben können“.

Bei Union rangen sie nach dem 2:1 gegen Rasenballsport Leipzig, das gleichbedeutend mit der zweiten Europapokalteilnahme der Vereinsgeschichte ist, um die richtigen Worte. „Ich brauche noch ein bisschen, um das Ganze zu verarbeiten“, sagte Fischer. Es war aber auch wirklich schwer zu fassen, was an diesem Nachmittag im Stadion An der Alten Försterei alles passiert war.

Zum ersten Mal seit sieben Monaten durften zumindest 2000 Fans auf die Tribünen, Spieler wurden verabschiedet und das Geschehen auf dem Rasen hielt ebenfalls zahlreiche Geschichten bereit. Nach dem Leipziger Führungstor in der 55. Minute sah es nicht mehr gut aus für die Berliner. Da Borussia Mönchengladbach in Bremen komfortabel in Führung lag, brauchten sie unbedingt einen Sieg. Spielerisch tat sich Union schwer, doch beim Fußball gewinnt nicht immer die talentiertere Mannschaft. „Das war heute ein Paradebeispiel dafür, wie man mit sehr viel Herz und sehr viel Willen ein Spiel gewinnt“, sagte Christopher Trimmel.

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Nach einer Ecke des Kapitäns erzielte Marvin Friedrich den Ausgleich, in der zweiten Minute der Nachspielzeit köpfte Kruse Union schließlich nach Europa. Doch besonders gefeiert wurde nach dem Spiel Andreas Luthe. „Luthe, Luthe!“, schallte es durchs Stadion, während die Mannschaft eine Ehrenrunde drehte – und Unions Torwart hatte sich die Ovationen redlich verdient. Nachdem er beim 0:1 keine gute Figur abgegeben hatte, lief er in der Schlussphase zu absoluter Höchstform auf. Leipzig hatte zahlreiche gute Chancen, doch Luthe parierte famos und hielt sein Team im Spiel. „Wir brauchten den Torwart und der hatte gefühlt acht Arme“, sagte Fischer.

[Einen Kommentar zu der fragwürdigen Feier der Fans vor dem Stadion lesen Sie hier]

Als der Trainer noch bei der Pressekonferenz saß, hatte die Mannschaft schon eine große Party gestartet. Die Spieler zogen sich passende T-Shirts mit der Aufschrift „Irgendwann einmal ist jetzt – Union spielt international“ über und begossen sich gegenseitig mit Bier. Kruse offenbarte in einem Interview einen Teil seiner Feierplanung. „Als erstes werde ich unserem Physio die Haare rasieren“, sagte der Siegtorschütze – und Stadionsprecher Christian Arbeit wird froh gewesen sein, dass nicht erneut seine Frisur dran glauben musste.

Trainer Urs Fischer (rechts) und Präsident Dirk Zingler nach dem Sieg gegen Leipzig.
Trainer Urs Fischer (rechts) und Präsident Dirk Zingler nach dem Sieg gegen Leipzig.
© imago images/Nordphoto

Dass Union sich ausgerechnet gegen Leipzig für den Europapokal qualifiziert, war noch so eine Geschichte an diesem geschichtsträchtigen Tag. Vor nicht einmal zwei Jahren waren die Berliner mit einem Spiel gegen den ungeliebten Gegner aus Sachsen in das Abenteuer Bundesliga gestartet. Auch damals wurde in den ersten 15 Minuten geschwiegen – und Union verlor 0:4. Die Zweifel an der Bundesligatauglichkeit der Mannschaft waren dadurch sicher nicht kleiner geworden.

Nun schließt sich gegen Leipzig der Kreis. Nach 2001/02, als sich die Berliner als Pokalfinalist für den Uefa-Cup qualifiziert hatten, nehmen sie in der kommenden Saison zum zweiten Mal am Europapokal teil. „Wer das vor der Saison gesagt hätte, wäre für verrückt erklärt worden“, sagte Kruse. Fischer sprach von einer „fantastischen Leistung“ seiner Mannschaft und lobte vor allem die Einstellung seiner Spieler. „Sie haben vom ersten Tag eine Mentalität, eine Solidarität gezeigt“, sagte Fischer. Das Glück, das Union am Samstag hatte, bekomme man nicht geschenkt. „Das musst du dir verdienen.“

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Als Fischer das Traineramt und Oliver Ruhnert den Managerposten in Köpenick im Sommer 2018 übernommen haben, war Union gerade erst dem Abstieg in die Dritte Liga entronnen. Die Gegner hießen Sandhausen, Magdeburg, Regensburg. Dem erstmaligen Aufstieg in die Bundesliga folgte eine Premierensaison mit vielen Highlights. Dass sich Union in der nun abgelaufenen Spielzeit noch mal steigern würde, hatten nicht viele für möglich gehalten.

Als Belohnung für die kontinuierliche Arbeit und den Mut, angeführt von einem kontroversen Spieler wie Kruse mehr Wert auf das Spielerische zu legen, startet der Klub am 19. und 26. August als erster deutscher Teilnehmer in die neue Conference League. Nicht ausgeschlossen, dass die Gegner demnächst FC Villareal, Tottenham Hotspur oder AS Rom heißen. Diese sportliche Entwicklung wäre vielleicht selbst den Drehbuchschreibern in Hollywood ein wenig zu märchenhaft.

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