Aufsteigerduell gegen den 1. FC Köln: Der 1. FC Union ist zum ersten Mal Favorit
Ende Januar trafen sich Union und Köln im Spitzenspiel der Zweiten Liga. Seitdem hat sich viel verändert. Die Favoritenrolle passt den Berlinern aber nicht.
Die Rollen sind klar verteilt. Der 1. FC Köln reist mit gestandenen Bundesliga-Profis wie Timo Horn und Jhon Cordoba nach Berlin, Unions Trainer Urs Fischer warnt eindringlich vor dem Gegner und natürlich sind die Gäste vom Rhein auch ohne den gelbgesperrten Nationalspieler Jonas Hector favorisiert. Das war vor knapp zehn Monaten und von den genannten Fakten hat sich seit dem Zweitligaduell Ende Januar eigentlich nur einer verändert: die Rollenverteilung.
Denn zum ersten Mal seit dem Aufstieg geht der 1. FC Union favorisiert in ein Ligaspiel. „Union ist klar in der Favoritenrolle“, sagt Kölns Sportchef Horst Heldt vor dem Spiel im Stadion An der Alten Försterei am Sonntag (15.30 Uhr, live bei Sky) und liegt damit auf einer Linie mit den Buchmachern, vielen Experten und Fans. Nur die direkt Beteiligten auf Berliner Seite wollen davon nichts wissen. „So brauchen wir gar nicht erst anfangen“, sagt Kapitän Christopher Trimmel. „Im Fußball geht es immer schnell: Verlierst du ein paar Spiele, wird deine Bundesliga-Tauglichkeit in Frage gestellt, und gewinnst du vier, fünf Mal, heißt es, du bist dem Europapokal näher als den Abstiegsplätzen.“
Union und Köln stehen momentan an unterschiedlichen Extremen dieser Trimmel-Skala. Dass das Bundesliga-Gründungsmitglied mit nur acht Punkten aus 13 Spielen auf dem vorletzten Tabellenplatz steht, während die Berliner den Europa-League-Rängen tatsächlich näher sind als der Abstiegszone, hätte vor der Saison kaum jemand erwartet. „Wir haben eine gute Entwicklung genommen“, sagt Trimmel.
Die beiden Klubs haben sich seit dem 2:0-Sieg der Berliner im Spitzenspiel der Zweiten Liga im Januar, der vor allem durch das traumhafte Fallrückziehertor von Marcel Hartel nach 25 Sekunden in Erinnerung geblieben ist, in sehr verschiedene Richtungen entwickelt. Zwar stieg Köln als Zweitliga-Meister auf, entließ aber bereits kurz vor Saisonende Trainer Markus Anfang. Sein Nachfolger Achim Beierlorzer kam nie wirklich im Verein an und ist auch schon wieder Geschichte.
Dazu trennte sich der Klub vorzeitig von Sportchef Armin Veh. Nun sollen Heldt und der neue Trainer Markus Gisdol den Abwärtstrend stoppen. Konzeptionelle Planung ist bei derart vielen personellen Wechseln auf entscheidenden Positionen kaum möglich und so hat Köln auf dem Papier zwar einen guten Kader, auf dem Rasen ist dessen Qualität aber nur sehr selten zu erkennen.
Während in Köln also mal wieder große Unruhe herrscht, haben sie bei Union mit der nötigen Geduld gearbeitet und die Aufstiegs-Euphorie positiv genutzt. Fischer und Manager Oliver Ruhnert harmonieren gut, die Neuzugänge haben sich größtenteils bereits bewährt und auch nach Niederlagen geraten die Verantwortlichen nicht in Panik. Besonders Fischer prägt diese Außenwirkung mit seiner besonnenen Art.
Dass seinem Team die Favoritenrolle zugeschrieben wird, ringt ihm in der Pressekonferenz am Donnerstag nur ein kleines Lächeln ab. „Darum kümmere ich mich nicht“, sagt Fischer, sieht sich dann aber doch bemüßigt, ein paar Worte zum Thema hinzuzufügen. Wenn man um den Klassenerhalt spiele, könne man nie in der Favoritenrolle sein, und der deutliche Unterschied von acht Punkten in der Tabelle sei nur eine Momentaufnahme. „Wir sehen uns jedenfalls nicht als Favorit.“
Union gewann die letzten drei Heimspiele zu Null
Mit dem vierten Heimsieg in Serie – gegen Freiburg, Hertha und Gladbach gewann Union sogar zu Null – könnten die Berliner ihren Vorsprung auf die direkten Abstiegsränge bereits auf elf Punkte vergrößern. Und auch wenn sie dem Spiel öffentlich keine allzu große Bedeutung beimessen wollen, wissen sie natürlich um ihre große Chance. „In der Bundesliga ist kein Spiel ein Pflichtsieg für uns“, sagt Florian Hübner, der vermutlich für den verletzten Keven Schlotterbeck in der Dreierkette verteidigen wird. Sein Defensivkollege Christopher Lenz zieht die vergangene Saison zur Relativierung der Kräfteverhältnisse heran: „Da waren wir Dritter hinter Köln und Paderborn, deshalb wissen wir auch, was sie für Qualitäten haben.“
Bei Union sind sie sehr bemüht, die Erwartungshaltung nicht zu sehr wachsen zu lassen. Seine besten Spiele hat der Aufsteiger in dieser Saison gemacht, wenn er gegen einen großen Gegner befreit auftreten konnte. Beim Sieg gegen Dortmund, gegen den Tabellenführer aus Gladbach oder auch bei den beiden Niederlagen in München sowie auf Schalke. Verteidigt der Gegner hingegen tief und überlässt Union die Initiative, tut sich die Mannschaft schwerer.
Die Ausgangslage könnte den Berlinern aber in die Karten spielen. Denn gerade in den Duellen mit den direkten Konkurrenten um den Klassenerhalt braucht Köln nach dem schwachen Saisonstart einen Sieg, um den Rückstand zu verringern. „Es ist ein wichtiges Spiel für sie“, sagt Fischer, der die Gäste mit einer mutigen Ausrichtung erwartet. Das beste Mittel gegen den gegnerischen Offensivdrang wäre ein frühes Tor wie vor zehn Monaten. Marcel Hartel spielt mittlerweile allerdings für Arminia Bielefeld.