Alba Berlin: Dennis Clifford ist der neue emotionale Anführer
Center Dennis Clifford hat sich bei Alba Berlin schnell zu einem entscheidenden Spieler entwickelt. Heute ist er mit dem Team im Eurocup gegen Vilnius gefordert.
Aus den stolzen Gesichtern der Spieler von Alba Berlin ragte nach dem großen Sieg am Sonntag beim Meister aus Bamberg besonders eines heraus: Das von Center Dennis Clifford. Mit pulsierender Halsschlagader und energischer Mimik übernahm der 25-jährige US-Amerikaner im Kreise seiner Mitspieler noch auf dem Spielfeld das Wort, packte sich mit seinem Buddy Luke Sikma gegenseitig am Schlafittchen und pushte seine Teamkollegen noch einmal mit einer energiegeladenen Siegesrede.
Clifford hat sich bei den Berliner Basketballern in den ersten Saisonwochen zu so etwas wie dem emotionalen Anführer entwickelt. Unentwegt spornt er sich und seine Mitspieler auf dem Feld an, feiert gelungene Aktionen lautstark und gestenreich und sorgt im Team auch abseits des Feldes als Entertainer für gute Laune. Kein Wunder also, dass Clifford auch am Sonntag die Führungsrolle übernahm, als es darum ging, den Erfolg in Bamberg zu feiern. Schließlich haben die Berliner mit dem Sieg im ersten Härtetest der Saison gegen die seit Jahren dominierende Mannschaft im deutschen Basketball ihren starken Saisonauftakt gekrönt und so ihre Klasse auch gegen ein Topteam der Liga unter Beweis gestellt.
Doch Clifford ist bislang nicht nur als emotionaler Faktor für sein Team in Erscheinung getreten. Gerade auch auf dem Feld hat er sich zu einem der wichtigsten Bestandteile des so ausgeglichenen Alba- Kollektivs entwickelt. Als einziger Spieler neben Sikma stand Clifford in allen elf Saisonspielen in der Startformation, erhält in der Liga mit knapp 23 Minuten pro Partie die drittmeiste Spielzeit im Team und erzielt als bester Alba-Scorer im Schnitt rund 13 Punkte und vier Rebounds.
Clifford stand im vergangenen Jahr kurz vor einer Berufung in die NBA
„Ich denke, ich mache meine Sache ganz gut“, sagt Clifford deshalb auch. Im Sommer kam er aus den USA nach Berlin und hatte dort gerade seine erste Profisaison nach dem College hinter sich. Bei den Santa Cruz Warriors, Farmteam des aktuellen NBA-Champions Golden State, entwickelte er sich zu einer der großen Überraschungen der NBA-Ausbildungsliga, spielte sich so bis ins All-Star-Team und stand auch vor einer Berufung in die NBA. „Ich war nah dran vor meiner Verletzung“, sagt Clifford – wegen einer Stressfraktur in der Wade wurde es jedoch nichts. „Der Traum lebt aber noch“, bekräftigt Clifford.
So unterschrieb er dann für ein Jahr in Berlin. „Er ist clever und versteht gut, was wir von ihm verlangen“, sagt Alba- Trainer Aito Garcia Reneses, der ihn trotz seines zweiten Profijahres noch als „Rookie“ bezeichnet. Clifford schätzt den Coach: „Ich kann viel bei ihm lernen. Er arbeitet sehr detailorientiert und mag es nicht, wenn man den gleichen Fehler zweimal macht.“ Das sei sehr hilfreich, denn eine Umstellung sei das „technischere“ Spiel in Europa schon für ihn. Er müsse vor allem lernen, nun Teil eines ganzen Offensivsystems zu werden: „Ich habe jetzt nicht mehr so sehr die Aufgabe, etwas in den Systemen zu kreieren, sondern eher, sie abzuschließen.“
Das gelingt dem Center bisher ausgesprochen gut: Trotz seiner Größe von 2,13 Metern ist Clifford enorm agil und kann am Brett mit seiner guten Technik durch schnelle Drehungen und Handwechsel immer wieder beidhändig scoren. Und auch wenn er mit seinen zu einem Zopf zusammengebundenen Haaren und den langen Beinen in der kurzen, hochgezogenen Hose auf den erste Blick vielleicht eher wie ein Hochspringer aussieht, so verfügt Clifford doch über die nötige Physis, um seine Korbaktionen auch nach einem Foul zu Ende zu bringen – am liebsten per Dunk, gefolgt von einem lauten Schrei.
Auch am Mittwochabend (20 Uhr/live bei Telekom Sport), wenn Alba Berlin in der Arena am Ostbahnhof im vierten Eurocup-Gruppenspiel auf den litauischen Hauptstadtklub aus Vilnius trifft, soll Clifford wieder mit aller emotionalen Energie vorangehen. Wie vor einer Woche, als Alba beim französischen Gruppengegner Limoges siegte. Unterstützt von Teamkollege Joshiko Saibou hatte er da gegen Ende des dritten Viertels seinen Gegenspieler abgeräumt. Clifford dankte es seinem Mitspieler – unüberhörbar auch von außen – auf seine motivierende Weise: „Push it, baby! I like that shit!“
Leonard Brandbeck