Olympia-Rückblick: Den Dreck räumen die Gastgeber ab Montag auf
Die Olympischen Spiele waren in Südkorea zu Gast – aber nicht zu Hause. Eine Heimat wird der Wintersport dort nicht finden. Ein Resümee der Spiele.
Es wird bald nur noch wenig zu sehen sein von den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang. Das Olympiastadion wird irgendwann nach der Schlussfeier verschwinden, den Olympischen Park in Gangneung wird es so auch nicht mehr geben. Nach den Paralympics im März werden die Arenen zum großen Teil zurückgebaut, andernorts (in China zum Beispiel) wieder aufgebaut oder umfunktioniert (zu Einkaufszentren). Der große internationale Wintersport war eben nur zur Gast in der südkoreanischen Provinz, zu Hause wird er dort nicht mehr sein. Es wird kein Weltcuprennen der Alpinen oder etwa eine Eishockey-A-Weltmeisterschaft in Pyeongchang stattfinden. Das ist ausgeschlossen.
Pyeongchang, Tokio, Peking. Südkorea ist geschafft, Japan ist im Sommer in zwei Jahren dran, und in vier Jahren geht es zu den nächsten Winterspielen – nach China. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat sich mit Olympischen Spielen in Asien eingerichtet. Weil dort gemacht und nicht gemeckert wird, für 16 Tage Sport gebaut und abgerissen wird, egal, was und welche Widerstände es kostet. Hauptsache, die Welt schaut für zweieinhalb Wochen hin, Hauptsache die Welt weiß, wie gut die Südkoreaner das können. Aber können sie es wirklich?
Die Bilanz der Winterspiele 2018 kann keine positive Bilanz sein. Es waren keine Spiele, die dem Sport insgesamt geholfen haben. Zu wenig Zuschauer, keine Stimmung, kein olympisches Flair. Die Kritik an den laufenden Spielen war größer als beim Vorgänger Sotschi. Im Jahr 2014 war ja noch nicht evident, wie sehr sich die Russen die Siege erdopt hatten.
Südkoreaner sahen Sportarten, mit denen sie ohne Olympia nie in Kontakt gekommen wären
Gibt es überhaupt etwas Positives aus Pyeongchang? Ja, Sport ist ein gemeinsamer Nenner verschiedener Menschen und Kulturen. Die Sprache Sport sprechen alle. Miteinander die Zuschauer oft, gegeneinander die Athleten. Das hat auch in Südkorea funktioniert. Es gab mitreißende Veranstaltungen, den Eiskunstlaufwettbewerb der Paare mit der Jahrhundertkür von Aljona Savchenko und Bruno Massot, die Shorttrack-Rennen mit den begeisterten südkoreanischen Fans und das Eishockeyturnier mit der erfrischend aufspielenden Überraschungsmannschaft aus Deutschland. Der Sport hat wieder Momente geschaffen und Geschichten erfunden, die ewig lang ein Thema sein werden.
Die Menschen im Nordosten Südkoreas waren meist freundlich zu ihren Gästen. Viele waren erfreut darüber, so schien es zumindest, dass die halbe Sportwelt bei ihnen zu Gast war. Sie haben die Spiele dem Eindruck nach eher positiv angenommen. Zudem hat der Wintersport für sich geworben. Die sonst nur für Shorttrack zu begeisternden Südkoreaner haben Sportarten gesehen, mit denen sie ohne Olympia nie in Kontakt gekommen wären – allerdings zu Teil auch nie wieder in Kontakt kommen werden, weil es eben keinen Snowboard-Cross auf Weltniveau im Phoenix Snow Park mehr geben wird, sondern der internationale Tross das wieder wie immer in den Alpen oder in Nordamerika veranstalten wird.
Dass verschiedene Völker zusammenkommen, das lässt sich auch mit einem internationalen Open-Air-Festival schaffen. Die politische Annäherung von Nord- und Südkorea war wohl nach Lage der Dinge ein vorüberziehendes, überinterpretiertes Phänomen. Die koreanischen Frauen wurden in einem gemeinsames Eishockeyteam zusammengewürfelt und waren doch nicht mehr als eine sportliche Lachnummer. Die wenigen koreanischen Sportler aus dem Norden fielen ansonsten nicht groß ins sportliche Gewicht. Die vom Staat über die Grenze delegierten Fangruppen waren mehr ein steinzeitkommunistischer Spuk denn ein Katalysator für die gute Stimmung.
Viele Gäste aus dem Ausland sind gar nicht erst mit den Einheimischen zusammengekommen, weil es da keine gemeinsame Sprache gab, die verbinden hätte können. Nicht einmal die Bus- und Taxifahrer konnten mehr als ein Wort Englisch – wenn sie überhaupt eines konnten. Pyeongchang war auf die Spiele schlecht vorbereitet, die Kündigungen vieler Volunteers, der freiwilligen Helfer, wegen zu schlechter Arbeitsbedingungen, haben die Situation zusätzlich verschlimmert.
Das Thema Doping spielte in der Rahmenberichterstattung auch diesmal wieder eine große Rolle
Den Sportstätten war anzusehen, dass sie nur kurz gebraucht werden. Sie wirkten billig und hatten unübersehbar Mängel. Im Keller der Eisschnelllaufarena gab es Risse im Boden, im Kwandong Hockey Center war der Teil einer Tribüne nicht fertig gebaut. Das einzig Positive daran: Pyeongchang hat nur knapp ein Drittel (rund 10 Millionen Euro) von dem an Geld verschlungen, was Sotschi (35 Millionen Euro) gekostet hat – in Russland allerdings sind die olympischen Arenen zum großen Teil noch in Betrieb. Da gab es Formel 1, Eishockey, und bei der Weltmeisterschaft in diesem Jahr wird dort auch Fußball gespielt. In Pyeongchang werden dagegen schon bei den Paralympics im März viele Stätten nicht mehr gebraucht. Das Olympiastadion hat 61 Millionen Euro gekostet und wurde nur für die Eröffnungs- und Schlussfeier gebaut.
Aber nicht nur Südkorea hat die Spiele ad absurdum geführt. Es war auch der Westen. Vorn im Medaillenspiegel liegen Länder wie Norwegen, Deutschland, USA und Kanada – Länder, die es daheim nicht mehr durchbekommen, dass bei ihnen Winterspiele stattfinden. In Oslo nicht, in München nicht, in Innsbruck nicht. Gleichgültig nehmen es die europäischen Wintersportnationen hin, dass ihr größtes Ereignis zwei Mal hintereinander in Asien stattfindet.
Ein Drittel aller Athleten, 1861, kam aus Europa, nur 449 aus Asien. Es stört niemanden in München, dass zur Erschließung des Alpine Centre in Jeongseon 58.000 bis zu 500 Jahre alte Bäume gefällt wurden oder dass nun 50 Skigeschäfte am Phoenix Snow Park wegen der für die Touristen eine Saison lang geschlossenen Skipisten pleite sind. Umweltschutz und Nachhaltigkeit funktionieren bei diesem neuen Typus von Winterspielen nicht.
Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes hat vor wenigen Tagen in einem Interview gesagt: Dass der Weltsport Interesse habe, neue Regionen zu erschließen, sei „unter internationalen Gesichtspunkten“ nachvollziehbar und Südkorea habe nun gute Voraussetzungen, um Wintersport zu betreiben. Wer will das ernsthaft glauben?
Das Thema Doping spielte in der Rahmenberichterstattung auch diesmal wieder eine große Rolle, die Kritik an undurchsichtigen Strukturen im Olympischen Komitee ist längst ständiger Begleiter des olympischen Sports. Dass die Funktionäre die Spiele auch deshalb ganz gerne fernab des Westens veranstalten, lässt sich schwerlich dementieren. Dann sieht ja vielleicht nicht jeder so genau, was für ein Unsinn veranstaltet wird.
Es ist nicht sinnvoll, Sportstätten nur für Olympia hochzuziehen und sie danach wieder abzubauen. Der Sport muss dahin gehen, wo er seine Stätten hat, wo er schon zu Hause ist oder wo er mittelfristig heimisch werden kann. Der Wintersport war nur zur Gast in der südkoreanischen Provinz, den Dreck räumen die Gastgeber ab Montag oder zum Teil spätestens nach den Paralympics auf.
Die Gäste sind dann längst weg. Und werden ihnen nicht mehr helfen.