zum Hauptinhalt
Am Rand. Dedryck Boyata (ganz rechts) gewann zum Abschied von Celtic noch einmal den schottischen Meistertitel. Allerdings fehlt er seit März wegen einer Knieverletzung.
© Action Images via Reuters

Der erste Neue für Hertha BSC: Dedryck Boyata und seine Karriere mit Umwegen

Der belgische Nationalspieler Dedryck Boyata ist der erste Neuzugang von Hertha BSC für die nächste Saison. Er hat in seiner Karriere schon einiges erlebt.

Dedryck Boyata hat eine Menge Glück gehabt in seinem Leben. Zumindest ist er selbst davon überzeugt. Klar, kann man sagen: Wer mit Fußballspielen seinen Lebensunterhalt verdient, der sollte nicht klagen, dass einen das Pech verfolge. Aber so meint das Dedryck Boyata, die erste Verpflichtung von Hertha BSC für die kommende Saison, gar nicht. Boyata ist einfach froh, dass er als Jugendlicher nicht auf die schiefe Bahn geraten ist.

In einem Interview mit der belgischen Zeitung „De Zondag“ hat er erzählt, wie gefährdet er – ohne eigenes Zutun – in dieser Hinsicht gewesen ist. Boyata ist in Evere im Großraum Brüssel aufgewachsen. „Für Kinder war das ein raues Viertel, in das ich niemals zurück will“, sagt er. „Die Versuchung, dort mit den falschen Jungs herumzuziehen, ist groß. Ich habe viele gesehen, die von der Polizei aufgegriffen worden sind.“ Dedryck Boyata hatte das Glück, dass seine Eltern, zwei Einwanderer aus dem Kongo, immer ein Auge auf ihn hatten.

Leicht war es trotzdem nicht. „Ich habe kämpfen müssen“, sagt Boyata. Das Geld war knapp, die Mutter arbeitete in einem Altenheim, der Vater versuchte sich ebenfalls als Fußballer, schaffte es aber nicht über die Zweite Liga hinaus. Auch die Karriere von Dedryck Boyata ist alles andere als geradlinig verlaufen. Beim RSC Anderlecht haben sie ihn in der Jugend weggeschickt, weil sie ihn für nicht gut genug erachteten; dafür wechselte er mit 15 zu Manchester City, wo er schon als Teenager mehr als 200.000 Pfund (235.000 Euro) im Jahr verdiente. Mit 19 debütierte er für die belgische Nationalmannschaft; auf seinen nächsten Länderspieleinsatz musste er dann allerdings fünfeinhalb Jahre warten. Boyata wurde ausgeliehen, erst nach Bolton, dann zu Twente Enschede, in Enschede aber schon nach einem halben Jahr wieder aussortiert.

In Holland, vor allem beim FC Twente, haben sie im vergangenen Sommer ziemlich verdutzt geguckt: Wie kann es sein, dass jemand, der sich nicht mal bei einem Mittelklasseklub aus der Ehrendivision durchsetzt, bei der Weltmeisterschaft Stammspieler des Geheimfavoriten Belgien ist?

Das mit dem Stammspieler stimmt nur bedingt. Boyata stand zwar in allen drei Gruppenspielen in der Startelf; allerdings lag das auch daran, dass Vincent Kompany und Thomas Vermaelen verletzt fehlten. Als die beiden Routiniers in den K.-o.-Runden wieder zur Verfügung standen, kam Boyata für den WM-Dritten nicht mehr zum Einsatz. Trotzdem ist Michael Preetz, Manager von Hertha BSC, überzeugt, „eine echte Verstärkung für unsere Defensive“ verpflichtet zu haben. Boyata, der im November 29 wird, kommt ablösefrei vom schottischen Doublesieger Celtic Glasgow und soll dem Vernehmen nach einen Dreijahresvertrag unterschrieben haben.

Der Verteidiger, der die frei werdende Stelle von Fabian Lustenberger einnimmt, ist ein typischer Hertha-Transfer. Die Berliner müssen auch in diesem Sommer wieder aufs Geld achten – und deshalb vor allem die Nischen ein bisschen besser ausleuchten als die Konkurrenz. Schottland zählt nicht unbedingt zu den internationalen Hotspots, zudem hat Boyata wegen einer Knieverletzung seit März nicht mehr spielen können. Trotzdem wurde der Innenverteidiger in die Elf der Saison gewählt, war zudem vier Jahre lang Stammspieler bei Celtic.

Hertha BSC will einen Transferüberschuss erzielen

In den vergangenen Jahren hat Hertha ein recht gutes Gespür für Spieler mit kleinen Makeln entwickelt, egal ob bei Mitchell Weiser, dessen Vertrag die Bayern nicht mehr verlängern wollten, bei Karim Rekik, der in Marseille nur auf der Bank saß, oder bei Javairo Dilrosun, der bei Manchester City lediglich in der zweiten Mannschaft ran durfte. Finanzgeschäftsführer Ingo Schiller hat bei der Vorstellung seiner Etatplanung für die neue Saison verkündet, dass er mit Transfereinnahmen von 12,5 Millionen Euro und Ausgaben von 5,9 Millionen rechne. Man muss die realen Zahlen nicht allzu ernst nehmen; entscheidend ist vielmehr, dass Herthas Planung von einem Transferüberschuss ausgeht. Da passt ein ablösefreier Innenverteidiger, der noch dazu eine gewisse Erfahrung mitbringt, natürlich perfekt ins Beuteschema.

Vor einem Jahr, unmittelbar nach der WM, gab es noch deutlich mehr Interessenten für den 1,88 Meter großen Boyata. Der FC Sevilla, Lazio Rom und auch der FC Fulham wurden damals genannt, und Boyata wäre liebend gern in eine stärkere Liga gewechselt. Celtic aber wollte ihn nicht gehen lassen, worüber der Belgier alles andere als begeistert war. Auch deshalb hat er sich geweigert, mit Glasgow über einen neuen Vertrag zu verhandeln. „Ich bin jetzt hier der böse Bube“, sagte Boyata nach dem Meisterschaftsfinale, bei dem er von den Celtic-Fans sogar ausgepfiffen wurde.

Der Neue aus Schottland fügt Herthas junger Innenverteidigung einen Schuss Erfahrung hinzu. Er ist schnell, zweikampfstark und bringt eine solide Spieleröffnung ein. Auch sein Offensivkopfball kann sich durchaus sehen lassen. Boyata hat sich bei Celtic immer wieder als Torschütze nach Standardsituationen hervorgetan. Sowohl in Glasgow als auch in der Nationalmannschaft hat er vor allem in einer Dreierkette gespielt, in der er alle Positionen besetzen kann. Allerdings gilt er nicht nur neben, sondern auch auf dem Platz als eher still und zurückhaltend. „Ich denke viel nach“, sagt Dedryck Boyata. „Vielleicht zu viel.“

Zur Startseite