Rune Jarsteins Form hat in dieser Spielzeit gelitten: Das Tor als Baustelle bei Hertha BSC
Trainer Bruno Labbadia stellt sich hinter seinen Torhüter. Doch nicht erst seit Jarsteins Patzer in Leipzig herrscht Unruhe auf dieser Position.
Eine gute Stunde war gespielt, als Rune Jarstein erschrocken dem kullernden Ball nach sah. Es war ein Blick am Mittwochabend, den man von Anglern kennt, denen im letzten Moment ein dicker Fisch vom Haken geht. Und dann auch noch eigenverschuldet. Jarsteins Augen hatten einen Ausdruck von Fassungslosigkeit, Ärger und Enttäuschung.
Herthas Torhüter hatte einen Schuss von Leipzigs Patrik Schick zunächst abgewehrt. Als er ihn dann richtig packen wollte, schaufelte er sich den Ball ins eigene Tor. Die Sachsen gingen so in Unterzahl 2:1 in Führung. Erst ein zehn Minuten vor dem Abpfiff von Krzysztof Piatek verwandelter Strafstoß sicherte Hertha noch das Unentschieden.
Bruno Labbadia wollte Diskussionen um Jarsteins Missgeschick gar nicht erst groß aufkommen lassen. „Das Ding ist erledigt für uns“, sagte Herthas Trainer. Unmittelbar nach Spielende hatte Labbadia den Fehler seines Torwarts in der Kabine angesprochen. „Das mit Rune ist abgehakt.“ Jarstein soll auch künftig im Tor stehen. Der 35-Jährige habe schließlich großen Anteil daran, dass die Mannschaft mit sieben Punkten aus drei Spielen aus der Coronavirus-Unterbrechung gekommen ist.
Labbadias Umgang mit Jarsteins Patzer ist verständlich wie nachvollziehbar, dennoch liegt die Sache nicht ganz so einfach. Torhütern sagt man nicht umsonst einen speziellen Umgang mit eigenen Fehlern nach. Zumal es nicht der erste Fehlgriff des Norwegers war.
Die Form des sonst so sicheren Schlussmanns hat in der dieser für Hertha BSC so turbulent verlaufenen Spielzeit gelitten. Trainer Ante Covic, der die Mannschaft im vorigen Sommer übernommen hatte, veränderte die Spielausrichtung und coachte die Mannschaft ziemlich durcheinander. Die Folge war eine sportliche Talfahrt. Die defensive Stabilität ging flöten, sehr zu Lasten Jarsteins, der jahrelang zu den zuverlässigsten Torhütern der Liga zählte.
Rote Karte in Augsburg
Im vorigen November fing er sich dann gegen den FC Augsburg (0:4), übrigens Herthas Heimspielgegner am kommende Samstag, nach einem für ihn ungewohnt rüden Eingreifen die Rote Karte und eine Zwei-Spiele-Sperre. Nach diesem Spiel musste Trainer Covic gehen. Jürgen Klinsmann übernahm.
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In einer seiner ersten Amtshandlungen entband dieser den langjährigen Torwarttrainer Zsolt Petry von seinen Aufgaben. Der Ungar hatte einst Klinsmanns Sohn Jonathan, 23 und zwischenzeitlich dritter Torwart hinter Jarstein und Thomas Kraft, schwer kritisiert. Petrys Kaltstellung irritierte Jarstein zusätzlich. Er hatte zu Petry ein besonderes Verhältnis.
Bundestorwarttrainer Andreas Köpke übernahm für vier Wochen den Petry-Job. Doch auch im Frühjahr, Köpke war längst wieder beim DFB und Klinsmann getürmt, schwankten Jarsteins Leistungen. Klinsmanns Nachfolger Alexander Nouri beorderte in den letzten beiden Spielen vor der Unterbrechung den 31-jährigen Kraft ins Tor.
So positiv sich viele Dinge bei Hertha unter Labbadia entwickelt haben, auch Petry ist wieder als Torwarttrainer im Amt, so haben die Berliner auf der neuralgischen Torhüter-Position eine Baustelle. Auch wenn sie das nicht zugeben wollen. Jarstein habe fünf Jahre in übergroßer Mehrzahl der Spiele überzeugt, fuhr Michael Preetz aus. „Dass Rune in dieser Saison nicht immer die beste Leistung gezeigt hat, wissen wir. Und auch warum“, sagte der Manager.
Noch im Mai vorigen Jahres standen bei Hertha sechs Torhüter unter Vertrag. Neben Jarstein, Kraft und Klinsmann, die Talente Dennis Smarsch, 21, Nils Körber, 23, und Marius Gersbeck, 24. Letzter ist inzwischen zum Karlsruher SC gewechselt. Jonathan Klinsmann steht beim FC St. Gallen unter Vertrag, Körber ist an den VfL Osnabrück verliehen. Bislang ist es Hertha nicht gelungen, einen starken Nachfolger Jarsteins aufzubauen.
Mehrere Namen werden gehandelt
Bereits im Frühjahr kamen Gerüchte auf, wonach Hertha im Sommer auf der Torwart-Position Veränderungen plane. Als eine mögliche Option wird Loris Karius gehandelt. Der 26-Jährige hat seinen Leihvertrag bei Besiktas Istanbul aufgelöst und ist zum FC Liverpool zurückgekehrt, wo er noch unter Vertrag steht, aber keine Zukunft hat. Auch der Name Alexander Schwolow vom SC Freiburg fiel.
Wie der Tagesspiegel erfuhr, soll der Schlussmann des FC Basel, der Schweizer Jonas Omlin, 26, ein Thema sein. Die Nachrichten und Namen, die diesbezüglich im Umlauf seien, bezeichnete Preetz als abenteuerlich. „Nils Körber wird im Sommer zurückkehren, auf den freuen wir uns“, sagte Preetz. Dann werde man sehen, wie sich die Situation entwickelt.
Bruno Labbadia, der mehr das Tagesgeschäft im Blick hat, setzt auf Jarstein. „Er soll seine Qualitäten reinwerfen und ich bin mir sicher, dass er das am Samstag auch machen wird.“