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Ohne Form. Talent Sancho steht sinnbildlich für die Krise beim BVB.
© Ina Fassbender/AFP

Champions League in Barcelona: Das sind die Probleme von Borussia Dortmund

Für den BVB steht am Mittwoch beim FC Barcelona das erste von zwei zukunftsweisenden Spielen in dieser Woche an. Nicht nur für Lucien Favre.

Die Dinge liefen genau so, wie es zu erwarten war: Als die Mannschaft von Borussia Dortmund die Westfalenhalle betrat, um an der Jahreshauptversammlung teilzunehmen, gab es laute Buh-Rufe. Die Menschen in der größten Stadt des Reviers sind wütend auf ihre Fußballer. Später las Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke den kapriziösen Kickern mit unmissverständlichen Worten die Leviten: „Reißt euch zusammen, strafft euch. Wir sind Borussia Dortmund, das muss man sehen. Wir erwecken nicht den Eindruck einer Einheit auf dem Platz. Versucht so aufzutreten, wie das von Borussen erwartet wird“, forderte der Geschäftsführer.

Im Mittelpunkt der Kritik steht Trainer Lucien Favre. Und das nicht erst seit dem vergangenen Wochenende. „Lucien, du hast weiterhin unser Vertrauen“, sagte Watzke und wandte sich an den sensiblen Schweizer: „Aber eins ist klar: Am Ende ist Fußball immer über Ergebnisse definiert.“

Das war ein allenfalls eingeschränkter Vertrauensbeweis, der exakt bis zum kommenden Samstag reicht. Dann hat der BVB die beiden Partien in der Champions League beim FC Barcelona (21 Uhr/Sky) und in der Bundesliga bei Hertha BSC bestritten. Die Schonfrist dauert also bis Samstag kurz vor halb sechs. Danach wird erneut darüber befunden, ob Favre beim börsenorientierten Fußballunternehmen noch eine Zukunft hat.

Das peinliche 0:4 beim Rekordmeister aus München und der desaströse Auftritt gegen den SC Paderborn, als sich der BVB nach einem 0:3 zur Halbzeit nur mit viel Glück zu einem 3:3 rettete, haben deutliche Spuren hinterlassen. Nach dem dürftigen Kick sagte Kapitän Marco Reus: „Man musste sich schämen, so wie wir gespielt haben. Ich kann mich nur bei den Zuschauern entschuldigen. So dürfen wir nie, nie wieder auftreten.“

Genau wie nach der Schlappe in München zwei Wochen zuvor herrscht beim selbsternannten Meisterschaftsanwärter mal wieder erhöhter Gesprächsbedarf. Watzke, Sportdirektor Michael Zorc und Berater Matthias Sammer saßen bis tief in die Nacht zusammen, um zu beraten, was zu tun sei. Das Ergebnis war das Ultimatum an Favre, das Watzke dem Volk einen Tag später präsentierte.

Die Debatte, ob der ewige Zweifler Favre der richtige Mann ist, um eine wankelmütige Ansammlung von Edelkickern auf Kurs zu bringen, wird in Dortmund geführt, seit die Mannschaft in der vergangenen Saison trotz eines komfortablen Neun-Punkte-Vorsprungs die Meisterschaft verspielte. Zumindest Reus nahm seinen sportlichen Vorgesetzten aus der Schusslinie: „Der Trainer stellt uns super ein, wir sind dafür verantwortlich, auf dem Platz Leistung zu zeigen.“

Jadon Sancho steht sinnbildlich für die Probleme beim BVB

Dass sich Reus vor seinen Mentor stellt, unter dem er einst in Mönchengladbach zum Klassespieler reifte, ist ehrenhaft, bildet den Ist-Zustand jedoch nicht umfassend ab. Dass Favre ein Teil des Problems ist, zeigte schon die Aufstellung beim Spiel gegen Paderborn. Wer vor 80.000 Besuchern im eigenen Stadion gegen das Tabellenschlusslicht mit Sancho, Reus und Alcácer nicht mehr als drei gelernte Offensivkräfte in seine Startformation beordert, handelt reichlich hasenfüßig. Der desolate Auftritt in der ersten Halbzeit war auch das Abbild von Favres Taktik.

Dazu kommt, dass hochkarätige Stars meilenweit von ihrer Normalform entfernt sind. Ein Beispiel ist Jadon Sancho, der zuletzt nur durch Arroganz und Unpünktlichkeit auffiel. Auf das hochgelobte und europaweit begehrte Edeltalent prasselte die Kritik deshalb nur so hernieder. Die Auswechslung in München nach nur einer halben Stunde Spielzeit wegen einer Null-Leistung war die Höchststrafe.

Gegen Paderborn bekam der Engländer die Chance zur Rehabilitation, doch anstatt zu rennen und seine Qualitäten in den Dienst der Mannschaft zu stellen, flanierte Sancho in der ersten Halbzeit wie eine Diva über den Rasen. Monatelang haben sie dem Youngster erzählt, er sei ein kommender Weltstar. Das Problem ist, dass Sancho mittlerweile glaubt, er sei es bereits.

Es gehört zu den Aufgaben eines Trainers, seinen Spielern zu vermitteln, dass der Teamgedanke im Fußball ein wertvolles Gut ist. Doch nicht nur dabei stößt Lucien Favre in Dortmund offenbar an seine Grenzen.

Felix Meininghaus

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