zum Hauptinhalt
Die Dreispringerin Neele Eckhardt kam bei weitem nicht heran an ihre Bestleistung und wurde Letzte im Finale.
© dpa/ Jensen

Leichtathletik-WM: Das große Grummeln im deutschen Team

Bei den deutschen Leichtathleten grassiert eine Magen-Darm-Grippe. Jetzt herrschen strikte Hygienevorschriften.

Das Frühstück, das das Tower Hotel auf seiner Internetseite anbietet, sieht englisch, aber sehr gut aus. Und nach allem, was man weiß, war es auch nicht das Essen in dem Hotel nahe der Tower Bridge in London, das im wahrsten Wortsinne viel Verstimmung bei der deutschen Mannschaft während dieser Leichtathletik-Weltmeisterschaften auslöst. Für alle seit Montag anreisenden WM-Starter sind schon andere Unterkünfte gebucht worden.

Bereits am vergangenen Donnerstag, einen Tag vor Beginn der WM in London, hatte es vermehrt Magen-Darm-Probleme im Mannschaftshotel der deutschen Leichtathleten gegeben. Am Freitag dann, so berichtete es der leitende Leichtathletik-Verbandsarzt Andrew Lichtenthal, habe man mit harten Vorsichtsmaßnahmen darauf reagiert. Intensive Handdesinfektion sei verordnet worden; das Anfassen von fremden Gläsern oder Tellern sei ebenso verboten worden wie Umarmungen oder Grüße mit Handkontakt, erzählte Lichtenthal. „Sechs Athleten waren oder sind betroffen, auch fünf Betreuer haben sich eine Magen-Darm-Infektion eingehandelt.“ Vier der sechs Athleten ginge es inzwischen schon wieder viel besser, sie hätten das Training wieder aufgenommen, berichtete er. „Zwei stehen noch unter besonderer Beobachtung. Sie sind isoliert vom Rest des Teams.“

Die Namen der Betroffenen wollte der Mediziner nicht nennen. Am Montag war durchgesickert, dass zu den Leidtragenden auch die Dreispringerin Neele Eckhardt gehörte. Die 25-Jährige konnte dennoch am Finale am Montag teilnehmen, in dem sie aber mit 13,97 Metern Letzte wurde und deutlich unter ihrer Saisonbestleistung von 14,35 Metern blieb.

Doch nicht nur deutsche Athleten waren zu Gast im Tower Hotel, auch Sportler anderer Nationen. Schlimmer noch als Eckhardt zum Beispiel traf es Isaac Makwala aus Botswana. Makwala war ein aussichtsreicher Medaillenkandidat über 200 Meter, wegen Magenbeschwerden musste er aber zurückziehen. „Das ist schlimm. Das hat mir das Herz gebrochen. Ich war bereit für das Rennen, habe hart dafür gearbeitet“, sagte der 30-Jährige.

Laut Angaben der englischen Gesundheitsbehörde Public Health erkrankten insgesamt rund 30 Athleten und Betreuer an der Infektion. Auch bestätigte die Behörde Meldungen des internationalen Leichtathletikverbandes IAAF, wonach das Hotel nicht die Quelle des grassierenden Magen-Darm-Infekts sei. Das Hotel habe alle Hygiene-Regelungen eingehalten, teilte die IAAF mit.

Rund 30 Athleten und Betreuer sind erkrankt - nicht nur aus dem deutschen Team

„Am Anfang waren wir davon ausgegangen, dass das Essen der Grund für die Magen-Darm-Beschwerden war“, sagte Lichtenthal. „Doch das geht in der Regel schnell vorbei, was aber nicht der Fall war.“ Nun aber habe man das Gefühl, dass die Hygienemaßnahmen dazu geführt hätten, dass keine exponentielle Gefahr mehr von dem Infekt ausgehe.

Dennoch will der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) seine wenigen Medaillenchancen bei der WM in London dadurch nicht gefährden. So wurden die deutschen Speerwerfer Thomas Röhler, Johannes Vetter und Andreas Hofmann vorsorglich in einem anderen Hotel untergebracht. Die drei Athleten führen die Bestenliste in diesem Jahr an, am Samstag um 21:15 Uhr findet das Finale statt. Für die Zehnkämpfer um den Weltmeisterschaftsdritten Rico Freimuth war wegen des zweitägigen Wettkampfes ohnehin ein Hotel in der Nähe des Olympiastadions im Londoner Stadtteil Stratford gebucht worden.

Ein kompletter Auszug der deutschen Mannschaft aus dem Tower Hotel kommt aber offenbar nicht in Frage. Zumal, wie Lichtenthal anmerkte, dies auch eine Angelegenheit des Leichtathletikweltverbandes IAAF sei. „Es könnte ja sein, dass wir aus dem Hotel rauswollen, aber gar nicht rausdürfen“, sagte er. Dies sei aber nur ein theoretischer Gedanke. Sein medizinisches Team und er jedenfalls würden das Hotel nicht verlassen.

Der britische WM-Organisationschef Niels de Vos wollte indes keine Kritik aufkommen lassen. „Ich denke, dass so etwas bei jeder Veranstaltung, für die sich 20 000 Menschen aus aller Herren Länder akkreditieren, passieren kann“, sagte er. Man habe die erkrankten Menschen mitunter schon woanders untergebracht und werde auch alternative Übernachtungsmöglichkeiten für jene organisieren, die jetzt noch kommen, sagte er. „Wir werden absolut alles tun, was in unserer Macht liegt.“

Für Neele Eckhardt oder Isaac Makwala kommen die Beteuerungen zu spät. Sie haben viel Training investiert für diese Wettkämpfe in London. Aber schuld ist vermutlich weder das Hotel noch der Veranstalter. Die rund 30 betroffenen Sportler hatten wohl einfach Pech.

Zur Startseite