Selfie mit Fan nach 0:0 gegen Österreich: Cristiano Ronaldo: Doch mehr Mensch als Maschine
Cristiano Ronaldo hat im Spiel gegen Österreich zahlreiche Chancen vergeben, er ist ausgelacht und ausgepfiffen worden - und hat am Ende dennoch Größe bewiesen.
Das Spiel ist gerade vorbei, da sieht diese Nacht von Paris doch noch einen Sieger. Kein Tor ist gefallen zwischen Portugal und Österreich, was ziemlich unfassbar ist angesichts der Torchancen, die eine brillante portugiesische Mannschaft sich erarbeitet hat. Allein Cristiano Ronaldo hätte sich vorzeitig zum Torschützenkönig der Europameisterschaft krönen können. Er hat neben das Tor geschossen und geköpft, ansonsten stand immer wieder der österreichische Torhüter Robert Almer im Weg und einmal auch der linke Pfosten, bei jenem Elfmeter kurz vor Schluss. Ronaldo selbst war gefoult worden und der bravouröse Almer lag schon in der falschen, der rechten Ecke, aber da war ja noch der linke Pfosten.
Den Sieg trägt er davon, als das Spiel schon vorbei ist. Als da ein Fan im schwarzen Leibchen auf Ronaldo zustürmt, was ja an sich schon ein Ding der Unmöglichkeit sein sollte angesichts der versprochenen Sicherheitsvorkehrungen, aber da hakt einiges in Frankreich. Egal. Cristiano Ronaldo nutzt das Durcheinander zu einer Geste, wie sie ihm kaum einer zugetraut hätte.
Zwei Ordner sind sofort zur Stelle, sie zerren an dem Bürschlein im schwarzen Leibchen, in der Hand hält er ein Smartphone, auf dem er sich mit dem Weltstar verewigen will. Ronaldo hebt erst den Blick und dann die Hand, Richtung Ordner. Lasst ihn doch, so viel Zeit sollte schon sein! Der Fan tippt nervös auf sein Telefon, irgendetwas stimmt da nicht, er ist ein bisschen aufgeregt und Ronaldo klopft ihm beruhigend auf die Schulter. Eine knappe Minute zieht sich das Procedere hin, links zerren die Ordner, rechts beruhigt Ronaldo, er schmiegt seine Wange an das Haar des Flitzers, und dann ist es endlich geschafft. Das Bürschlein bekommt sein Selfie und Ronaldo ungeahnte Sympathien.
Ronaldo hat gegen Portugal das 16. Spiel bei einer EM bestritten, mehr hat noch keiner geschafft
Größe zeigt sich nicht im Sieg, sondern in der Niederlage, und dieses 0:0 im Prinzenpark war schon eine kleine Niederlage für Ronaldo. Er ist in dieser Nacht ausgelacht und ausgepfiffen worden, die österreichischen Fans haben ihn mit „Messi!“-Rufen verhöhnt, kleine und nicht mehr ganz so originelle Anspielung auf sein Duell mit dem Argentinier um den Rang als bester Fußballspieler der Welt. Ronaldo hätte allen Grund, wütend und kommentarlos den Platz zu verlassen. Dass er in diesem bitteren Moment so ganz anders reagiert, nötigt auch seinen Kritikern Respekt ab, und davon gibt es bekanntlich eine ganze Menge.
Cristiano Ronaldo zertrümmert in dieser Nacht das Vorurteil, er sei eigentlich gar kein Mensch, sondern eine Maschine, programmiert darauf, Tore zu schießen und alles andere an sich abperlen zu lassen. Schon als Tormaschine hat er in Paris nicht funktioniert, das war nicht zu übersehen bei den vielen Gelegenheiten, mit denen er den weiteren Verlauf des Turniers wehr viel kommoder für seine Mannschaft hätte gestalten können. Dass er aber ausgerechnet im Moment tiefster Enttäuschung und offensichtlich völlig ungeplant als Mensch aus Fleisch und Blut und mit Empathie auftritt, symbolisiert eine neue Seite des Kunstprodukts CR 7.
Ronaldo hat in der Nacht von Paris sein 16. Spiel bei einer Europameisterschaft bestritten, mehr hat noch keiner geschafft. Er teilt diesen Rekord mit dem Niederländer Edwin van der Sar und dem Franzosen Lilian Thuram, aber es wird ja noch eines dazukommen, mindestens, im finalen Gruppenspiel gegen Ungarn.
„Das mit dem Elfmeter tut mir leid, aber so etwas passiert nun mal im Fußball“, sagt Ronaldo später. Der Elfmeter gegen den linken Pfosten ist sein 20. Torschuss bei dieser EM, aber auf ein Tor wartet er immer noch. Es geht ihm nicht so gut, nach einem Trainingsunfall im Mai bei Real Madrid ist es um seine Fitness nicht allzu gut bestellt. Von seiner Leichtfüßigkeit und Explosivität ist in Frankreich nicht viel zu sehen, und doch ist er in beiden portugiesischen Vorrundenspielen die auffälligste Figur im portugiesischen Spiel gewesen. Vor dem Spiel gegen Österreich läuft er in schwarzen Nylon-Strumpfhosen vom Mannschaftsbus in Richtung Kabine, auch das sorgt für Spekulationen. Was ist das los? „Lasst Cristiano in Ruhe“, sagt Portugals Trainer Fernando Santos. „Er braucht diese Ruhe jetzt“, und Portugal braucht einen ausgeruhten Cristiano Ronaldo.