Geschätzte Figur am Rand: Christoph Janker hat bei Hertha BSC seinen Platz
38 Bundesligaspiele, zwei Abstiege, zwei Aufstiege, viele Verletzungen - Christoph Janker hat bei Hertha BSC schon viel erlebt. Im Moment befindet er sich im Leerlauf - trotzdem spielt er immer noch eine Rolle.
Wann seine Karriere diesen blöden Dreh bekommen hat, kann Christoph Janker gar nicht genau sagen. Vielleicht waren es die merkwürdigen Verletzungen. In einem Jahr waren es mal sieben Operationen. Das sind mehr Eingriffe an seinem Körper, als er in den letzten beiden Jahren als Fußballprofi Spiele bestritten hat. Genau genommen hat er in dieser Spielzeit keins der 17 bestritten, er hat es ja nicht einmal in den Achtzehner-Kader eines Spiels geschafft. Dabei trainiert er jeden Tag, wie die anderen auch. Und nicht mal schlecht. Ein ganz normaler Fußballprofi. Doch es scheint, als habe sich sein Beruf gegen ihn gewendet. Oder das Geschäft. Christoph Janker ist ein Fußballspieler ohne Spiele – und ohne Aussicht darauf.
Wie hält man das aus? Wie zerstreut man Zweifel, wie entkommt man Verschwörung? Wie bleibt man motiviert und loyal? Ist es das viele Geld? Sitzt man die Ängste und Ärgernisse, das Gefühl übergangen oder abgehängt zu sein, einfach aus und kauft sich glücklich? Warum also tut er sich das an und geht nicht einfach weg, oder hört ganz auf? All diese Fragen hat sich auch Christoph Janker gestellt.
Christoph Janker ist ein reflektierter junger Mann mit Manieren, Meinung und Bildung. 13 Jahre Schule, astreines Abitur, großes Latinum. Und mittlerweile zehn Jahre Profifußball, die Hälfte davon bei Hertha BSC. War nicht die bessere Hälfte. 38 Bundesligaspiele, zwei Abstiege, zwei Aufstiege, nun Leerlauf.
„Ich habe einen gesunden Vergangenheits-Optimismus“, sagt er und lächelt milde in sich hinein. Er nimmt sich gern die Zeit für ein Gespräch. So viele Reporter wollen ihn nun auch nicht sprechen. Er findet ja praktisch nicht mehr statt auf dem Feld. Keine Spiele, keine Fragen. Wie wird man vergangenheits-optimistisch? Hat er sich etwa betrogen?
Janker kennt seine Situation genau, die sportlich gesehen, wie er einwirft, nicht gerade die beste ist. „Ich gebe halt nicht so schnell auf.“ Das allerdings sei keine Qualität, die sich in Spielstatistiken widerspiegeln lasse. Zu gern würde er auf Platz stehen und aktiv werden, aber das wird ihm vermutlich auch bis zum Saisonende im Sommer nicht vergönnt sein. Dann endet sein Vertrag in Berlin, vielleicht auch Jankers mit dem Berufsfußball.
Im Sommer endet der Vertrag von Janker bei Hertha BSC
Seine Geschichte beginnt in der Zweiten Liga bei 1860 München. Der gebürtige Bayer aus Cham wechselt eine Klasse tiefer und schließt sich dem damals aufstrebenden Provinzverein TSG Hoffenheim an. Es folgen 13 Spiele in der deutschen U-20-Auswahl und mit dem Klub zwei Aufstiege bis zur umtosten Herbstmeisterschaft 2008 in der Bundesliga.
Ein Jahr später lockt ihn Hertha nach Berlin. Es sollte der letzte Transfer von Dieter Hoeneß als Hertha-Manager sein, und auch Lucien Favre sollte nicht mehr lange Trainer sein. „War eine turbulente Zeit“, erzählt der Defensivallrounder. Es seien dann viele verschiedene Trainer gekommen mit unterschiedlichen Auffassungen. Und Abstiege und Aufstiege. Janker erzählt das weder vorwurfsvoll noch wehklagend. Und es klingt auch nicht triumphierend, wenn er sagt: „Und ich bin immer noch hier.“
Die Jahre sind über ihn hinweg gezogen. Heute ist Christoph Janker eine Figur am Rand. Immer da, aber nie richtig dabei. Bei Hertha schätzen sie ihn, Spieler wie Trainer. Sonst wäre er schon weg. Zweimal hat er seinen Vertrag mit Hertha BSC verlängert, jeweils nach den Abstiegen. Zweimal half er mit, wieder aufzusteigen. Das weiß der Klub.
Christoph Janker hat einen unaufgeregten, fast schon rührenden Umgang mit seiner Situation gefunden. Die Verletzungen hätten ihn geerdet, wie er sagt, und Demut eingeflößt. Zwei waren richtig übel. 2010 drohte ihm wegen eines Kompartmentsyndroms (verminderte Gewebedurchblutung) die Beinamputation. Zwei Jahre später brach er sich im Spiel das Jochbein, blockierte sich dabei einen Halswirbel, was unentdeckt blieb, aber die gesamte Körperstatik verstellte. Mit Folgen und Operationen. Christoph Janker konnte sich kaum die Hose anziehen oder ins Auto steigen. Er rannte von Arzt zu Arzt, ohne Erfolg. Am Ende verbreiteten die Operationsnarben schlechte Schwingungen. Schließlich wurde das Narbengewebe mit Spritzen „dauerhaft betäubt“. Der Durchbruch. Zumindest gesundheitlich. Janker konnte wieder spielen, das bis heute letzte Mal in der Bundesliga im März 2014 gegen den FC Bayern München.
Sein Fernstudium in BWL hat Janker erfolgreich abgeschlossen
Verletzungen wie diese würden einem bewusst werden lassen, wie schnell alles zu Ende sein kann. So wird seine Lage für ihn erklärbar und aushaltbar. „Es gibt weit schlimmere Lagen als die meine“, sagt er. Vielleicht ist es diese Mischung aus Intellekt und Demut, die Janker durch jene Tage hilft, wenn es ihm schwer fällt, sich zu motivieren. Und überhaupt, mehr als fleißig trainieren und sich anbieten könne er nicht. Dass andere Spieler in einer solchen Situation vielleicht „andere Mittel“ in Erwägung zögen, könne er sich zwar vorstellen, sagt Christoph Janker, für sich aber ausschließen. „Das wäre dann nicht ich.“
Christoph Janker ist frei vom Gefühl, vielleicht doch aufs falsche Pferd gesetzt zu haben. Die verflogenen Jahre als Profifußballer hätten ihm nie im Weg gestanden, oder anderes verbaut. Fußball war ihm eh zu wenig. Schon zu guten Zeiten bastelte er an seiner akademischen Ausbildung. Zwischen 2009 und 2013 studierte er BWL und schloss das Fernstudium erfolgreich ab. Thema seiner Bachelorarbeit: Karriereplanung nach dem Sport.
Die meisten Fußballer würden immer noch denken, dass das Geld, was sie zusammenspielen, für später reichen wird. Oder dass sie später anders im Fußball unterkämen, als Trainer oder Manager. „Das ist alles Kokolores, die Posten sind arg begrenzt und das Geld aus der Karriere reicht bei fünf Prozent der Spieler, für die Bayern-Jungs vielleicht, wenn sie ihr Geld ordentlich anlegen und verwalten.“
Noch möchte Christoph Janker an seinem Traumberuf ein Weilchen festhalten. Vielleicht noch einmal ins Ausland gehen, um zu spielen, eine neue Sprache zu erlernen, eine andere Kultur zu erleben. „Ich schließe nichts aus.“ Nicht einmal, ganz aufzuhören. Im kommenden Sommer endet sein Vertrag. Dann wird er 30 Jahre alt sein, aber nicht am Ende. „Ich will später in meinem Leben Erfolg haben.“ Mit dem Fußball hat er seinen Frieden geschlossen.