Eishockey-Nationalmannschaft: Bundestrainer Söderholm und das neue Selbstbewusstsein
Toni Söderholm ist anders als die Eishockey-Bundestrainer vor ihm. Er redet nicht nur von Visionen, sondern setzt sie auch um.
Toni Söderholm wirkt nach außen so, als könne ihn wenig erschüttern. Der Finne, der in seinem Heimatland einst zu den besseren Eishockeyverteidigern gehörte, wirkt anders als die anderen erfolgreichen Vertreter seines Berufs in Deutschland. Schließlich tummeln sich auf den Trainerbänken im Profieishockey eher Nordamerikaner mit schlecht sitzenden Anzügen. Der Bundestrainer hingegen hat nicht nur ein anderes Erscheinungsbild, er wirkt auch wie jemand, der sorgfältig abwägt, und er wählt oft genau die richtigen Worte.
Toni Söderholm ist seit 2015 im Land und spricht sehr gut Deutsch. Zunächst arbeitete er noch als Profi bei RB München, dann wurde er Trainer in der Zweiten und Dritten Liga. Seit Beginn des Jahres ist er als Bundestrainer beschäftigt. Dass ein ehemaliger finnischer Nationalspieler dieses Amt bekleidet, ist genauso ungewöhnlich wie die Tatsache, dass ein ausländischer Bundestrainer – abgesehen vom Schweizer Jakob Kölliker 2011/2012 – so gut Deutsch kann. Zudem spricht für Söderholm, dass er sich gut in die Befindlichkeiten des deutschen Eishockeys einfühlen kann.
Kürzlich erst arrangierte ein Sportsender ein Treffen mit den ehemaligen Bundestrainern Hans Zach und Marco Sturm. Während die Ehemaligen die alte Platte vom schlecht geförderten Nachwuchs auflegten, erstaunte der aktuelle Bundestrainer mit der Aussage, dass er inzwischen zwei Nationalmannschaften für eine WM aufstellen könne. Die olympische Silbermedaille von 2018 sieht Söderholm nicht als glorreiche Ausnahme. „Jeder Erfolg ist gut, er hilft auf unserem Weg“, sagt er. Der Deutsche Eishockey- Bund (DEB) ist eben auch dank Söderholms neuen Ansprüchen und neuen Strukturen auf dem Weg nach oben – im Nachwuchsbereich und auch bei den Senioren.
Es werden immer mehr deutsche Spieler in der National Hockey-League (NHL). Dass nun erstmals mit Leon Draisaitl ein Deutscher die Scorerwertung in der besten Eishockeyliga der Welt angeführt hat, ist die Spitze einer positiven Entwicklung. In ein paar Jahren wird der Bundestrainer vor allem in Nordamerika schauen müssen, wer sich für das Nationalteam anbietet. denn da werden seine besten und womöglich meisten Nationalspieler beschäftigt sein.
Aber noch ist es nicht soweit. Noch braucht es solche Maßnahmen wie den am Donnerstag in Krefeld beginnenden Deutschland-Cup. Zum ersten Mal steht Söderholm bei dem Vier-Nationen-Turnier hinter der Bande, es beginnt für die Deutschen am Donnerstag mit dem Spiel gegen Russland (19.45 Uhr, live auf Sport1 und bei Magentasport). Söderholm schickt in Krefeld eine Best-of-Deutsche-Eishockey-Liga-Auswahl aufs Eis, also ein Team, das so nie im Leben bei der Weltmeisterschaft 2020 in der Schweiz auflaufen wird. Außerdem fehlen die vielversprechenden jungen Spieler aus der Liga, weil sie mit der deutschen Junioren-Auswahl unterwegs sind.
Der Deutschland-Cup ist ein guter Testlauf für Söderholm
Trotzdem wird Söderholm sehen, wer sich aus dem Aufgebot für die WM anbietet, denn Gegner wie Russland, die Schweiz und die Slowakei bieten in Krefeld Spieler auf, die bei dem Turnier dabei sein könnten. Toni Söderholm sagt: „Ich erwarte, dass alle drei Spiele mit hohem Tempo gespielt werden. Es wird ein intensives Turnier für alle Teilnehmer.“ Er denke über die WM hinaus, bis zu den Olympischen Spielen 2022. „Dadurch, dass wir uns bei der vergangenen WM für Peking schon qualifizieren konnten, können wir auch hier schon planen und die Spieler sich hierfür empfehlen.“
Viele Chancen im Jahr hat ein Bundestrainer nicht, an seinem Team zu basteln. Dabei steuert auch er – wie jeder Klubtrainer – auf einen Höhepunkt hin.
Söderholm will das Viertelfinale bei der WM erreichen. Das haben die Deutschen im ersten Turnier unter ihm 2019 in Bratislava geschafft, da aber gab es im entscheidenden Spiel ein unglücklich hohes 1:5 gegen Tschechien – nach zwei ausgeglichenen Dritteln. „Ich habe mir das Spiel sehr oft angeschaut und verstehe immer noch nicht, warum wir das verloren haben“, wundert sich der Bundestrainer. Der Mann brennt drauf, es besser zu machen.
Mannheims Manager Jan-Axel Alavaara sagt, Söderholm habe „eine klare Philosophie und treibe „seine Vision vom DEB ohne Kompromisse voran“. Zudem laufe die Kommunikation mit den Klubs hervorragend. Alavaara ist Schwede und weiß damit von Haus aus, wie es läuft im Eishockey – ganz ähnlich wie die Finnen.
Finnland wurde dieses Jahr zum dritten Mal Weltmeister. Nur gegen ein Team blieben sie in der Vorrunde ohne Punkt – gegen Deutschland. Deren Trainer wusste ganz offensichtlich, was er zu tun hatte. Der Mann steht für das neue Selbstbewusstsein im deutschen Eishockey. Toni Söderholm hat während der Weltmeisterschaft in der Slowakei gesagt, dass sein Team immer gewinnen kann. Aber das ginge nur, „wenn wir an uns glauben“.
Claus Vetter