DFB verzichtet auf Strafen: Bundesligaprofis dürfen gegen Rassismus protestieren
Die Solidargesten von Spielern wie Weston McKennie oder Jadon Sancho werden nicht bestraft. Der DFB will auch künftige Anti-Rassismus-Aktionen nicht ahnden.
Der DFB bricht aus seinem engen Regelkorsett aus und lässt Protestaktionen gegen Rassismus von Bundesligaprofis auf dem Rasen straffrei. Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes entschied am Mittwoch in Frankfurt am Main, dass keine Verfahren gegen Jadon Sancho und Achraf Hakimi von Borussia Dortmund sowie Weston McKennie vom FC Schalke 04 und Marcus Thuram von Borussia Mönchengladbach eingeleitet werden. Sie hatten durch verschiedene Aktionen und Gesten bei Spielen am Pfingstwochenende gegen den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd infolge eines brutalen Polizeieinsatzes in den USA protestiert.
Seine Linie will das DFB-Gremium auch bei neuerlichen Anti-Rassismus-Aktionen an den kommenden Spieltagen beibehalten. „Natürlich hat der DFB-Kontrollausschuss stets die Vorgaben der FIFA-Fußballregeln und der DFB-Ordnungen im Blick. Im konkreten Fall handelt es sich aber um gezielte Anti-Rassismus-Aktionen der Spieler, die sich damit für Werte starkmachen, für die der DFB ebenfalls steht und immer eintritt“, erklärte Anton Nachreiner, der Vorsitzende des Kontrollausschusse. „Daher werden keine Verfahren eingeleitet, auch bei vergleichbaren Anti-Rassismus-Aktionen in den nächsten Wochen nicht.“
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Grundsätzlich erlauben die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und der DFB keine politische Botschaften auf der Spielkleidung oder während der Partien. In den DFB-Regeln heißt es unter anderem, dass die Spieler keine Unterwäsche mit „politischen, religiösen oder persönlichen Slogans“ zeigen dürfen. Sancho hatte nach seinem Tor zum 2:0 beim SC Paderborn sein Trikot über den Kopf gezogen und zeigte ein Shirt mit der Aufschrift „Justice for George Floyd“. Sein Teamkollege Hakimi trug ebenfalls ein Shirt mit diesem Schriftzug.
Gladbachs Thuram sank nach seinem ersten Tor beim 4:1 gegen Union Berlin auf sein linkes Knie und blickte zu Boden. „Keine Erklärung erforderlich“, twitterte die Borussia noch während des Spiels mit einem Bild der Szene, das jeder als stummen Protest gegen Rassismus sogleich verstand. McKennie trug während der Partie gegen Bremen (0:1) eine Armbinde mit der Aufschrift „Justice for George“ („Gerechtigkeit für George“).
FIFA-Präsident Gianni Infantino hatte am Dienstag erklärt, dass er die protestierenden Bundesligaprofis nicht bestrafen würde. „Um Zweifel zu vermeiden: In einem Fifa-Wettbewerb würden die jüngsten Demonstrationen von Spielern in der Bundesliga einen Applaus verdienen und keine Bestrafung“, erklärte der 50 Jahre alte Schweizer am Dienstagabend in einer Mitteilung. „Wir alle müssen Nein zu Rassismus und jeglicher Form von Diskriminierung sagen. Wir alle müssen Nein zu Gewalt sagen. Jeder Form von Gewalt.“
Alfons Hörmann unterstützte als Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) die Sportler in ihren Bekundungen gegen Rassismus und forderte „Augenmaß“ von Verbänden in der Bewertung von Protesten. „Es ist hoch erfreulich, wenn Sportlerinnen und Sportler ihrer Vorbildrolle, die immer wieder eingefordert wird, gerecht werden und in einer solch völlig inakzeptablen Entwicklung ihre Stimme erheben“, sagte der Spitzenfunktionär.
Die Fälle landen also nicht vor dem DFB-Sportgericht. Dessen Vorsitzender Richter Hans E. Lorenz hatte bereits vor der Entscheidung „nicht den geringsten Zweifel“ daran, dass der Kontrollausschuss das Thema „mit Besonnenheit und Augenmaß“ behandeln werde.
„Ich begrüße den weitsichtigen Beschluss des DFB-Kontrollausschusses ausdrücklich und bin sehr froh darüber“, sagte DFB-Präsident Fritz Keller und betonte erneut: „Der DFB tritt entschieden gegen jede Form von Rassismus, Diskriminierung und Gewalt ein und steht für Toleranz, Offenheit und Vielfalt – also Werte, die auch in der DFB-Satzung verankert sind.“ Deshalb hätten die Aktionen der Spieler „unseren Respekt und unser Verständnis.“ Da nach den Fifa-Fußballregeln, an die der DFB gebunden ist, keine politischen, religiösen oder persönlichen Botschaften erlaubt sind, habe der Kontrollausschuss den Sachverhalt überprüft und Stellungnahmen von den Spielern eingeholt. (dpa)