„Er passt perfekt zu unseren Zielen“: Bruno Labbadia ist neuer Trainer von Hertha BSC
In der laufenden Saison wird Bruno Labbadia bereits der vierte Hertha-Coach. Sein Aufgabenprofil lässt sich klar in zwei Abschnitte unterteilen.
Bereits vor bald zwei Monaten, am 13. Februar, ergriff Herthas Geschäftsführer Sport, Michael Preetz, erstmals öffentlich Partei für Bruno Labbadia. Nach dem plötzlichen Abgang von Jürgen Klinsmann gab Hertha BSC damals eine denkwürdige Pressekonferenz. Präsident Werner Gegenbauer nahm daran teil, erstmals trat auch Investor Lars Windhorst wirklich öffentlich in Erscheinung.
Nach rund 30 Minuten, in denen es um Finanzen, Würde und die Zukunft des Klubs ging, fragte eine Journalistin, ob Hertha auch in der Trainerfrage größer denken und nicht mit den „üblichen Verdächtigen wie Bruno Labbadia“ planen würde.
Preetz guckte, wie er immer guckt, wenn ihm die Fragestellung nicht ganz passt, rümpfte die Nase und wurde deutlich: „Das würde ich erstmal als eine, aus meiner Sicht, fast schon despektierliche Äußerung zurückweisen. Entschuldigung, aber wir sprechen über einen Kollegen, der in den letzten Jahren in der Bundesliga sehr, sehr gute Arbeit geleistet hat.“
Sehr, sehr gute Arbeit soll Bruno Labbadia nun auch ganz offiziell bei Hertha BSC verrichten. Der 54-Jährige wurde am Gründonnerstag offiziell als neuer Trainer vorgestellt. Nach Ante Covic, Jürgen Klinsmann und Alexander Nouri ist Labbadia nun der vierte Cheftrainer, der sich in dieser Saison am Projekt Hertha BSC versucht.
„Mit Bruno bekommen wir jemanden, der die Bundesliga durch viele Jahre als Spieler und Trainer im Detail kennt und bei seinen Stationen gezeigt hat, dass er Teams stabilisieren und entwickeln und im nächsten Schritt in obere Tabellenregionen führen kann“, wird Michael Preetz in der Mitteilung des Klubs zitiert. Der Manager betonte dabei, dass mit Alexander Nouri stets abgesprochen war, dass Hertha sich im Sommer nach einem neuen Cheftrainer umschauen werde.
Die Hertha-Trainer der vergangenen fünf Jahre
- Mai 2015 bis Mai 2019: Pal Dardai
- Juli 2019 bis November 2019: Ante Covic
- November 2019 bis Februar 2020: Jürgen Klinsmann
- Februar 2020 bis April 2020: Alexander Nouri
- Seit April 2020: Bruno Labbadia
Die aktuellen Umstände hätten die sportliche Führung zu einem Umdenken bewegt: „Durch die aktuelle Situation bezüglich des Coronavirus und die Unterbrechung der Saison erleben wir gerade eine Art vorgezogene Sommerpause“, sagt Preetz. „Wir haben uns dazu entschlossen, diese Chance, die Mannschaft in den nächsten Wochen auf eine mögliche Fortführung der Saison vorbereiten zu können, zu nutzen und unsere Entscheidung auf der Trainerposition vorzuziehen.“
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Erste Spekulationen über eine plötzliche Veränderung auf der Trainerposition wurden bereits am Montag laut. Da nahmen die Profis der Berliner in kleinen Gruppen wieder das Training auf, Trainer Alexander Nouri fehlte. Am Mittwochabend soll die Vereinsführung dem Trainerwechsel zugestimmt haben, danach ging alles flott.
Scheinbar waren sie bei Hertha intern nicht mehr vollends überzeugt davon, dass Nouri, bei dem sich Preetz ausdrücklich bedankte, den Klub alsbald der Abstiegssorgen befreien könnte. In dessen vier Spielen als Cheftrainer kassierten die Berliner elf Gegentore. Wohlgemerkt gegen Paderborn, Köln, Düsseldorf und Bremen. Mit ihm ging auch sein Co-Trainer Markus Feldhoff.
Bruno Labbadia erhielt dem Vernehmen nach nun einen Vertrag bis 2022, im Schlepptau hat er seinen engen Vertrauten und jahrelangen Assistenten Eddy Sözer, der Labbadia schon in Fürth, Leverkusen, Hamburg, Stuttgart und Wolfsburg unterstützte. Torwarttrainer Zsolt Petry sowie die Athletiktrainer Henrik Kuchno und Hendrik Vieth bleiben Teil des Trainerteams.
„Mein Team und ich freuen uns total auf diese Aufgabe. Hertha BSC ist ein Verein mit einem klaren, ambitionierten Plan für die Zukunft. Wir haben große Lust, Teil dieses Plans und der Weiterentwicklung von Hertha zu sein“, wird Bruno Labbadia zu seinem neuen Job zitiert. „Es liegt viel Arbeit vor uns. Damit werden wir unter Einhaltung der aktuell geltenden Regeln ab Montag beginnen und uns bestmöglich auf den Tag vorbereiten, an dem wieder Fußball gespielt wird.“
Die Trainerstationen von Bruno Labbadia
- 2003 bis 2006: SV Darmstadt 98
- 2007 bis 2008: SpVgg Greuther Fürth
- 2008 bis 2009: Bayer Leverkusen
- 2009 bis 2010: Hamburger SV
- 2010 bis 2013: VfB Stuttgart
- 2015 bis 2016: Hamburger SV
- 2018 bis 2019: VfL Wolfsburg
- Seit 9. April 2020: Hertha BSC
Labbadias Aufgabenprofil lässt sich derweil klar in zwei Abschnitte unterteilen. Sollte die Bundesliga ihren Spielbetrieb noch einmal aufnehmen und die Saison zu Ende spielen, soll und muss der Klassenerhalt frühestmöglich perfekt gemacht werden. Dass Labbadia weiß, wie Abstiegskampf geht, verdeutlichen seine beiden Amtszeiten beim Hamburger SV. Gleich dreimal sorgte er dafür, dass der HSV die Klasse hielt. Sollte dieses Teilziel erreicht sein, soll Labbadia aus Hertha BSC so schnelles geht ein Team von Europapokalformat formen.
Genau das gelang ihm jüngst mit dem VfL Wolfsburg. Mit dem schaffte er 2018 den Klassenerhalt in der Relegation gegen Holstein Kiel und führte ihn in der folgenden Saison auf Platz sechs und in die Europa League. Labbadia lies dabei zuletzt in Wolfsburg gerne in einem 4-3-3-Systemspielen, in dem die Außenverteidiger sich immer wieder energisch in die Offensive einbinden.
„Er passt mit seiner Idee von offensivem Fußball, seiner Akribie und seinem Ehrgeiz perfekt zu Hertha BSC und unseren Zielen. Wir freuen uns, dass er sich für unseren Verein entschieden hat“, sagt Preetz, der in den gemeinsamen Gesprächen Leidenschaft, Bereitschaft und große Vorfreude gespürt habe.
Es ist ein anspruchsvoller Job, den Bruno Labbadia nun in Westend übernimmt. Hertha BSC verwandelte sich binnen Monaten zum Paradebeispiel dafür, wie ein über Jahre ruhig und solide arbeitender Verein ins totale Chaos schlittern kann.
Die Entscheidung pro Labbadia ist keine spektakuläre, keine schillernde. Vielleicht tut genau das Hertha BSC derzeit aber auch gut. Und dass der neue Trainer nur ein ganz gewöhnlicher Übungsleiter sei, davon wollen und wollten sie bei Hertha ohnehin nichts hören. Schon vor knapp zwei Monaten nicht.
Louis Richter