Haaland trifft doppelt: Borussia Dortmund schlägt Paris verdient
Der BVB gewinnt bei der Rückkehr von Thomas Tuchel und hat beste Chancen auf das Champions-League-Viertelfinale.
Lucien Favre stellte bereits vor dem Anpfiff des Achtelfinal-Hinspiels der Champions League zwischen Borussia Dortmund und Paris Saint-Germain klar, wie gut sie beim BVB den einstigen Dortmunder Trainer Thomas Tuchel kennen. „Wir haben erwartet, dass er im 4-3-3-System spielt. Wir wussten das eigentlich schon zu Beginn der Woche“, sagte der Schweizer mit einem diebischen Lächeln bei „Dazn“.
Die scheinbar intimen taktischen Kenntnisse des Pariser Spiels vermiesten das Comeback des Pokalsieger-Trainers von 2017. Mit 2:1 (0:0) gewann Borussia Dortmund verdient vor 66 099 Zuschauern ein Spiel, das sich die großen Szenen für die Schlussphase aufhob.
Dortmunder Vergangenheit
Tuchel, der genau wie alle Dortmunder Verantwortlichen die Brisanz des Spiels im Vorlauf mantraartig kleinredete, agierte an der Seitenlinie gewohnt leidenschaftlich. Er schrie, gestikulierte, korrigierte und schimpfte. Auch wenn Tuchel es selbst wohl nicht zugeben würde, ist davon auszugehen, dass ein Sieg an alter Wirkungsstätte zumindest für ein wenig persönliche Genugtuung gesorgt hätte. In Dortmund, wo Tuchel in zwei Jahren den zweitbesten Punkteschnitt aller BVB-Trainer jemals produzieren konnte - nur Lucien Favre ist besser - und der nach einem anhaltenden Dissens mit der Dortmunder Vereinsführung um Hans-Joachim Watzke ging, oder, je nach Lesart, gehen musste. Das Aufeinandertreffen von zwei der spannendsten Offensivreihen Europas wollte dabei lange nicht die Hoffnungen auf offensiven Spektakel-Fußball erfüllen. Paris’ Superstar Neymar setzte nach zehn Minuten einen Freistoß neben das Dortmunder Tor, Sancho scheiterte nach 27 Minuten mit einem Schlenzer am Pariser Torwart Keylor Navas. Zwei weitere Möglichkeiten von Erling Haaland folgten binnen Minuten.
BVB stellt PSG kalt
Dortmunds physische Arbeit gegen den Ball lies die Gäste lange vergeblich nach ihrer Spielfreude suchen. Emre Can, dessen feste Verpflichtung samt eines Vertrages bis 2024 der BVB vor dem Spiel vermeldete, bildete mit Axel Witsel eine massive Abwehrreihe vor der Dortmunder Dreierkette um den überzeugenden Dan-Axel Zagadou. Mehrfach erzwangen die Gastgeber so frühe Pariser Ballverluste, sehr zum Unmut von Thomas Tuchel, der den bei seinen Assistenztrainern auf der Bank ausließ. Ideenreicher wurde das Spiel von Kylian Mbappé, Neymar oder Angel di Maria bis zur Halbzeit aber nicht. Die Dortmunder Disziplin nahm dem Spiel die Überraschungsmomente, unterband aber erfolgreich die Gefahr eines Pariser Auswärtstores. Für Aufregung vor dem gegnerischen Tor sorgten deshalb lange nur die Gastgeber. Mehrmals spielte sich Dortmund zu Beginn des zweiten Durchgangs ansehnlich in den Strafraum durch, doch fehlte beim letzten Pass stets die Genauigkeit. PSG fehlte dagegen die Überzeugung, im Offensivspiel ins Risiko zu gehen. Als Neymar nach rund einer Stunde mit einem Beinschuss scheiterte, nahm sich Tuchel ihn vom Seitenrand aus persönlich vor. Glanz und Glamour versprühte das Spiel nie, stattdessen arbeiteten sich zwei Mannschaften voller individueller Ballkünstler Zweikampf für Zweikampf aneinander ab. Dann änderte sich alles.
Haaland, Neymar, Haaland
Erst vergab Mbappé nach 65 Minuten die erste große Pariser Chance, dann machte es Erling Haaland kurz darauf besser und stocherte einen zunächst abgefälschten Schuss von Raphael Guerreiro zur verdienten Dortmunder Führung ins Tor. Wie viel Qualität Tuchels Mannen besitzen, zeigten sie ihrerseits in der 76. Minute, als Mbappé mit einem entschiedenden Dribbling den Weg für den Ausgleich durch Neymar ebnete. Tuchel applaudierte störrisch, große Freude war nicht aus seinem Gesicht abzulesen. Gänzlich wich sie, als der 19-jährige Haaland nur zwei Minuten später seine Dortmunder mit einem strammen Linkssschuss aus rund 18 Metern erneut in Führung schoss. Der erst 17-jährige Giovanni Reyna bereitete den Treffer vor. Wiederum zwei Minuten später traf Neymar nur den Pfosten. Tuchel guckte ungläubig in den Himmel über Dortmund.
Eine Erlösung für die Gäste führte das trotz weiterer Chancen nicht mehr herbei, Dortmund gewann das Spiel verdient und hat vor dem Rückspiel 11. März gute Chancen auf das Viertelfinale der Champions League. Vielleicht hat Lucien Favre auch das ja bereits vorhergesehen. (Tsp)