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Klaus Allofs, 58, ist seit November 2012 Manager und Geschäftsführer beim VfL Wolfsburg. Zuvor war der gebürtige Düsseldorfer 13 Jahre in gleicher Funktion bei Werder Bremen tätig.
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Wolfsburg-Manager Klaus Allofs: "Borussia Dortmund ist auch kein traditionell geführter Verein"

Perspektiven beim ungeliebten Werksklub: Manager Klaus Allofs über seine Pokal-Erfahrungen, die Möglichkeiten des VfL Wolfsburg und die Anfeindungen der Konkurrenz.

Herr Allofs, haben Sie schon mal mit dem DFB-Pokal geschlafen?

Nein. Das können die Spieler gerne machen. In Bremen hat Tim Wiese den Pokal einmal eingesackt und mit aufs Zimmer genommen. Für mich ist das nichts. Ich habe einen Titel aber auch nie so sehr am Pokal selbst festgemacht.

Sie sind sowohl als Spieler wie als Manager Pokalsieger geworden, mit Düsseldorf, Köln und Bremen. Als vierter Verein könnte jetzt der VfL Wolfsburg hinzukommen. Inwiefern wäre das etwas anderes?

Man lebt ja im Jetzt. Deshalb ist der aktuellste Titel immer der schönste. Aber unabhängig davon: Der Pokalsieg mit dem VfL wäre vielleicht sogar der wichtigste meiner Karriere.

Warum?

Weil es etwas Einmaliges wäre. Der VfL stand vor 20 Jahren einmal im Pokalfinale, war 2009 Deutscher Meister, aber danach hat sich der Klub nicht so entwickelt, wie man sich das hier erhofft hat. Der Pokalsieg wäre nicht nur eine Bestätigung für unsere Arbeit, er würde die Entwicklung noch einmal beschleunigen – obwohl sie sowieso schon ziemlich rasant ist.

Wenn Sie sich hätten entscheiden müssen: Platz zwei und damit die Qualifikation für die Champions League oder der DFB-Pokalsieg – wie wäre Ihre Wahl ausgefallen?

Schwierig. Ein Titel hat natürlich eine andere und auch viel größere Bedeutung. Wer weiß denn noch, wer vor vier Jahren Dritter in der Liga geworden ist? Den Pokalsieger kennt wahrscheinlich jeder. Der Pokal ist etwas Bleibendes. Und er verändert die Wahrnehmung von außen.

Man sagt ja: Erfolg macht sexy. Gilt das uneingeschränkt auch für den VfL?

Ja, das gilt uneingeschränkt. Der Erfolg ist der Treiber. Bestes Beispiel sind die Bayern. Die hatten auch nicht von vornherein nur Sympathisanten. Bei uns hat sich der Erfolg noch nicht in Titeln niedergeschlagen, aber in guten Platzierungen oder dem Sieg gegen die Bayern. Das Interesse hat zugenommen, die Zuneigung wird größer. Wir wollen den VfL sympathischer machen. Der Schlüssel dazu ist auch der sportliche Erfolg.

Trifft das auf den VfL extremer zu als, sagen wir, auf Schalke, wo die Leute mit dem Verein viel stärker verwurzelt sind, weil schon der Opa ins Stadion gegangen ist?

Das ist doch klar. Manchmal wundere ich mich schon, warum jemand Schalke-Fan ist, obwohl er gar nicht aus Gelsenkirchen kommt? Dann höre ich: Mein Großvater war auch schon Schalke-Fan. Das prägt natürlich – selbst wenn die herausragenden Erfolge weit zurückliegen. Nehmen Sie meinen früheren Verein Fortuna Düsseldorf. Der ist 1933 zuletzt Deutscher Meister geworden. Trotzdem muss das Menschen so begeistert haben, dass sie später Fortuna-Fan geworden sind. Dieses Ziel sollten wir auch verfolgen. Es wäre schön, wenn die Leute uns als seriösen, ambitionierten Klub anerkennen. Wenn jemand meint, dass wir zu wenig Tradition mitbringen, muss ich das gelten lassen – auch wenn mir das ein bisschen zu kurz gedacht ist. Wir sind nun mal ein bisschen später gegründet worden.

Hatten Sie mal das Gefühl, dass beim VfL die Haltung vorgeherrscht hat: Egal was wir tun: Für die breite Masse bleiben wir sowieso die Geldsäcke, die keiner mag?

So würde ich es nicht sagen. Aber ich glaube, dass das Selbstbewusstsein nicht besonders ausgeprägt war. Wir müssen noch viel mehr unsere eigenen Stärken erkennen. Wir können und wollen nicht wie Bayern sein oder wie Borussia Dortmund. Wir wollen unseren eigenen Weg finden. Wenn wir das tun, werden wir viele überzeugen und auf unsere Seite ziehen.

Hat der VfL zu lange geglaubt, sich für seine Möglichkeiten verteidigen zu müssen?

Man muss dazu stehen, was man macht und wie man ist. Wir haben die Situation, dass wir eine hundertprozentige Tochter von Volkswagen sind, wir werden finanziell gut unterstützt – das stimmt. Aber es ist kein Mäzenatentum. Hier wird kein Geld verschenkt. Für VW entsteht im Gegenzug ja auch ein großer Werbewert. Entscheidend ist, dass wir mit dem Geld sinnvoll umgehen. Und dieser Eindruck verfestigt sich immer mehr. Wir müssen kein schlechtes Gewissen haben.

Es wird aber immer wieder suggeriert.

Wir wollen uns nicht jedes Mal wehren, wenn behauptet wird: Die müssen ja nur drüben im Werk anrufen. Das ist vollkommen falsch. Die Mittel sind nicht unbegrenzt. Gerade in den letzten beiden Jahren haben wir sinnvoll gewirtschaftet. Die Tendenz ist gut. Darüber hinaus haben wir Einschränkungen durch das Financial Fairplay der Uefa. Der Transfer von André Schürrle wurde in dieser Hinsicht überhaupt nicht beanstandet. Wir hatten nichts anderes erwartet. Aber es war natürlich ein wichtiges Signal für uns.

"Ich will mich nicht zum Edelmann machen"

Ist das Pokalfinale das Duell zweier Welten: hier Dortmund als Vertreter der Tradition, da Wolfsburg als Sinnbild für die Kommerzialisierung des Fußballs?

Natürlich haben beide Klubs unterschiedliche Ansätze, aber Dortmund ist sehr weit davon entfernt, ein traditionell geführter Verein zu sein. Mit der Notierung an der Börse hat der BVB sehr viel früher den Schritt zur Kommerzialisierung gemacht. Ich will das gar nicht kritisieren. Das sind die Herausforderungen, denen wir uns alle stellen müssen. Aber dass da jetzt ein Traditionsverein gegen einen Werksklub spielt, das ist eine total oberflächliche Betrachtung.

Wie tief müsste man denn in den Archiven graben, um ein Interview mit Bremens Manager Klaus Allofs zu finden, in dem er sich über die Wettbewerbsverzerrung durch den VfL Wolfsburg beschwert?

Vielleicht habe ich mal gesagt, dass ich mich auch nach solchen Möglichkeiten sehne – weil wir wieder einen unserer besten Spieler verkaufen mussten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich diese Möglichkeiten hier als ungerecht eingestuft habe, die abgeschafft gehörten. Das gehört zur Bundesliga inzwischen dazu. Klubs wie Leverkusen, Hoffenheim, demnächst vielleicht Leipzig, aber auch Dortmund als börsennotierte Aktiengesellschaft machen die Vielfalt der Liga aus. Wenn man so will, ist das auch ein Kampf der verschiedenen Geschäftsmodelle.

Es war aber nicht so, dass Sie schon auf ein Engagement beim VfL spekuliert haben …

… es wäre natürlich schön, wenn ich behaupten könnte, dass ich schon immer so weitsichtig war (lacht). Aber damals war das nicht unbedingt abzusehen.

Ist Ihnen Neid fremd?

Ich will mich nicht zum Edelmann machen. Aber ich kann keinen Neid entwickeln oder Missgunst, wenn ich auf Bayern München oder nach England schaue. Von mir werden Sie nicht hören, dass ich mich über die Bayern beklage. Die machen es einfach gut. Trotzdem verlangt die Situation von uns, dass wir versuchen konkurrenzfähig zu bleiben und den Abstand ein bisschen zu verringern.

Aber können Sie mit Ihrer Erfahrung als Manager in Bremen wenigstens verstehen, dass es bei Klubs wie Eintracht Frankfurt Unbehagen gibt über die Möglichkeiten des VfL?

Sportlich betrachtet vielleicht. Ich verstehe, dass man es nicht toll findet, wenn man seine besten Spieler immer abgeben muss. Auf der anderen Seite haben wir bei Werder gezeigt, dass man auch mit begrenzten Mitteln erfolgreich sein und mithalten kann. Und ich glaube, dass Bremen keine besseren Möglichkeiten bietet als Frankfurt. Ich weiß ja auch, wie bestimmte Anfeindungen einzuschätzen sind. Das hat oft taktische Gründe. Aber es gibt auch Grenzen. Man muss auch mal anerkennen, dass es Klubs gibt, die anders sind und trotzdem ihre Berechtigung haben, weil sie, wie ich finde, eine positive Auswirkung auf die Bundesliga haben.

Inwiefern?

Ich glaube, dass sie mit ihren anderen Ansätzen einen Schuss Professionalität in die Liga einbringen. Das ist in Hoffenheim so, in Leverkusen und bei uns auch.

Alte Bekannte. 1983 gewann Allofs mit dem 1. FC Köln den DFB-Pokal.
Alte Bekannte. 1983 gewann Allofs mit dem 1. FC Köln den DFB-Pokal.
© dpa

Haben Sie in Ihrer Bremer Zeit mehr Anerkennung bekommen, als es jetzt der Fall ist?

In Bremen war es die Anerkennung ohne den Zusatz: Der hat ja auch das Geld, so wie es jetzt leider oft der Fall ist. Aber ich sehe das nicht als negativ an. Auch wenn man Mittel zur Verfügung hat, ist das keine Garantie für Erfolg. Unsere Mittel sind nicht so, dass wir alle anderen damit zudecken können. Wenn wir uns für denselben Spieler interessieren wie die Bayern, können wir nicht zwingend davon ausgehen, dass er zu uns wechselt. Umgekehrt ist das so. Das gilt für Dortmund genauso, das gilt sogar für Schalke noch in ähnlicher Form. Wir sind nicht alleine auf dem Planeten Bundesliga unterwegs.

Was war für Ihren Wechsel entscheidend: der Reiz der Möglichkeiten beim VfL oder die schwierige Perspektive bei Werder?

Ich bin nicht aus Bremen geflüchtet, wenn Sie das meinen. Als ich gesagt habe, dass mir die Arbeit sehr viel Spaß macht, war das nicht gelogen. Die neue Herausforderung habe ich durchaus als reizvoll empfunden. Aber dazu brauchst du ein totales Vertrauen in deine Arbeit. Das hatte sich verändert, spürbar verändert. Ich hatte mich nie ernsthaft mit anderen Dingen beschäftigt als mit Werder. Aber in dem Moment, als die Anfrage vom VfL kam, war es dann so. In der Nachbetrachtung war das eigentlich schon das Signal, dass ich in Bremen nicht mehr ganz zufrieden war.

Lässt sich das Bremer Modell nach Wolfsburg verpflanzen?

Wenn man es nicht Bremer Modell nennt. Die sportliche Entwicklung war schon in starkem Maße von Thomas Schaaf und mir abhängig, das kann man, glaube ich, so sagen. Bestimmte Ideen oder die Art zu arbeiten, die man für erfolgversprechend hält, nimmt man natürlich mit. Ich habe jedenfalls nicht gesagt: Wir machen jetzt alles anders als in Bremen. Die Dinge, die nachhaltig funktioniert haben, die finden auch hier Anwendung.

Man kann zumindest bei den Trainern Parallelen entdecken. Weder Thomas Schaaf noch Dieter Hecking gelten als besonders glamouröse Typen; sie entsprechen eher dem Modell ehrliche Arbeiter. Haben Sie mal darüber nachgedacht, ob das auch etwas über Sie aussagt?

Wenn der nächste und der übernächste Trainer wieder so wären, könnte man vielleicht einen Psychologen ins Spiel bringen (lacht). Im Ernst: Auch wenn man Thomas Schaaf und Dieter Hecking in dieselbe Schublade packt, sind das im Grunde sehr unterschiedliche Typen, auch die Zusammenarbeit ist ganz anders. Für mich ist nicht der Typ entscheidend, im Vordergrund steht, dass die Arbeit Substanz hat.

Um mal Ihren Psychologen zu spielen: Vielleicht suchen Sie sich eher zurückhaltende Typen, um umso mehr zu strahlen.

(Lacht.) Vielleicht steckt das tief in mir drin, ohne dass ich es weiß. Ich hoffe es nicht. Was ich nicht brauchen kann, ist ein Buhlen um Aufmerksamkeit. Im Vordergrund steht für mich die Sache. Und der Erfolg, den man gemeinsam anstrebt.

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