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Bläst er nochmal zum Angriff? Joseph Blatter ist derzeit als Präsident suspendiert. Er könnte darauf spekulieren, dass die Wahl um seine Nachfolge im Patt endet.
© AFP/Coffrini

Klaus J. Stöhlker berät Fifa-Präsident Sepp Blatter: "Blatter ist kampfbereit!"

Klaus J. Stöhlker hat einen delikaten Job: Er berät den suspendierten Fifa-Chef. Ein Gespräch über Schuld, Ambitionen, Verantwortung – und die Deutschen.

Herr Stöhlker, könnten Sie uns kurz erklären, in welchem Verhältnis Sie zu Joseph Blatter stehen?

Ich bin Berater des Fifa-Präsidenten Joseph S. Blatter.

Berater in welchen Dingen?

In seiner Funktion als Präsident der Fifa.

Aber er ist in dieser Funktion freigestellt.

Nein, er ist Präsident. Ich war gerade erst beim ihm und übermittle live seine Haltung. Er hat gesagt: „Ich bin Präsident der Fifa, ich bin zwar freigestellt, aber es gibt keinen anderen.“ Es gibt einen amtierenden – Issa Hayatou –, aber das ist vorläufig für 90 Tage. Der Präsident ist Joseph S. Blatter, und darauf besteht er!

Seit wann beraten Sie Herrn Blatter?

Ich habe zwei Phasen erlebt: erst als Wahlkampfbegleiter für seine Wiederwahl im Mai dieses Jahres, dann die Verlängerung. Ich bin kein Sprecher, er spricht für sich selbst. Aber ich darf ihn als Klaus J. Stöhlker interpretieren. Er hat mich eingesetzt.

Wie oft sehen Sie Herrn Blatter?

Einmal wöchentlich mit Sicherheit.

Und wie wirkt er derzeit auf Sie?

Völlig entspannt. Ausgeruht. Ich habe ihn im Wallis besucht. Das ist seine Kraftquelle aus den Alpen, wo er herkommt. Es war dort schönes, strahlendes Wetter. Mir saß ein körperlich und geistig völlig fitter Präsident gegenüber. Und er ist kampfbereit. Das ist ganz wichtig: Das Wort „kampfbereit“.

Jetzt verbringt er also seine Zeit damit, ausgiebig Urlaub zu machen.

Er hat kaum Zeit. Er bewohnt ein Haus am Zürichberg, also oberhalb von Zürich. Dort steht ihm eine Mannschaft zur Verfügung, die ihn versorgt und verpflegt. Er hat dort ein Sekretariat aufgebaut. Er ist vollkommen aktiv. Und ein begehrter Gesprächspartner.

Wer besucht ihn dort?

Das will ich nicht kommentieren, denn es betrifft Persönliches. Gehen Sie davon aus, dass er auch in Fußballkreisen ein begehrter Gesprächspartner geblieben ist.

Aber er darf ja offiziell keine fußballbezogenen Aktivitäten ausüben.

Deswegen sage ich ja, es sind rein private Unterredungen. Aber er ist ein sehr begehrter Gesprächspartner.

Man sagt Rentnern nach, sie seien oft beschäftigter als noch im Berufsleben.

Er sieht sich überhaupt nicht als Rentner. Er ist voll bezahlter Fifa-Präsident.

Ist er denn überzeugt, dass er nach 90 Tagen ins Amt zurückkehren wird?

Er ist voll überzeugt, dass er am 26. Februar den Fifa-Wahlkongress führen und zu einem guten Ergebnis bringen wird.

Klaus J. Stöhlker, 74, berät seit Januar Joseph Blatter. Früher arbeitete er als Journalist, ehe er 1982 in Zürich eine Firma gründete, die unter anderem Nestlé, Nokia und Siemens beriet.
Klaus J. Stöhlker, 74, berät seit Januar Joseph Blatter. Früher arbeitete er als Journalist, ehe er 1982 in Zürich eine Firma gründete, die unter anderem Nestlé, Nokia und Siemens beriet.
© promo

Falls seine Suspendierung von 90 Tagen um weitere 45 Tage verlängert wird, dürfte er dort gar nicht auftauchen.

Da haben Sie recht. Aber dazu kann man im Moment nicht Stellung nehmen, weil noch kein endgültiger Entscheid vorliegt.

Aber bleibt es bei seinem angekündigten Rückzug? Dass er bei der Wahl nicht mehr antritt? Oder könnte er die Situation neu bewerten und doch länger bleiben?

Sie sprechen einen ganz wichtigen Punkt an. Er hat angeboten, sich zurückzuziehen, wenn eine Wahl erfolgt. Jetzt müssen wir mal abwarten, was passiert.

Es gibt einen neuen Wahlmodus: Wenn ein alleiniger Kandidat keine einfache Mehrheit erhält, gilt er als abgelehnt.

Richtig. Die Wahl können wir jetzt nicht vorwegnehmen. Aber Joseph S. Blatter ist vollauf bereit, seine Verantwortung wahrzunehmen. Und zwar auf jeden Fall bis hin zum Kongress am 26. Februar.

Er würde also, wenn es ein Vakuum gäbe, zur Verfügung stehen, es auszufüllen, noch über den Februar hinaus.

Blatter hat sich 40 Jahre lang nicht vor Verantwortung gedrückt. Es ist wichtig, diesen Zusammenhang zu sehen. Und er will die Fifa nicht alleine lassen.

Viele fordern, er solle sofort zurücktreten.

Das ist Kokolores. Er nimmt seine Verantwortung wahr. Er arbeitet konstruktiv mit der Fifa-Ethikkommission zusammen. Auch mit anderen, die in diesen Prozessen eine Rolle spielen. Und er ist guter Dinge und zuversichtlich.

Ist es ihm wichtig, selbst den Zeitpunkt seines Abgangs zu bestimmen? Es muss ihn getroffen haben, dass er aus seinem Büro musste, sein E-Mail-Account gesperrt ist.

Selbstverständlich ist er nicht glücklich über diese 90 Tage, in denen er de facto in der Verbannung leben muss. Und das nur wenige Gehminuten von der Fifa entfernt. Aber er trägt es mit Würde. Er kennt genügend Präsidenten in der Welt, die Ähnliches erlebt haben.

Man kann schon den Eindruck gewinnen, dass es in der Fifa Kräfte gibt, die versuchen, Blatter loszuwerden.

Ja, selbstverständlich gibt es große Kämpfe um die Zukunft der Fifa. Es gibt Interessengruppen in großer Zahl, die versuchen, Einfluss zu nehmen. Ich nenne hier erst einmal einen Namen: Domenico Scala. Einen freien Mitarbeiter, der von den Fifa-Mitgliedern gewählt worden ist. Es gibt große Machtkämpfe um die Fifa. Welche Rolle wird die Uefa spielen? Welche Rolle wird Asien mit den Arabern spielen oder mit Teilen der Afrikaner? Was ist mit den USA?

Sie meinen die ermittelnden US-Behörden?

Nein, ich meine jetzt die amerikanischen Interessenträger, den entsprechenden Verband und die fünf großen US-Sponsoren. In den USA macht man sich seit einigen Monaten ernsthafte Gedanken. Es heißt: Ja, wir müssen die Fifa retten, wie US-Justizministerin Loretta Lynch sagte. Die Amerikaner haben den Anspruch, die Fifa zu retten. Nicht jeder in der Welt ist der Überzeugung, dass dies allein den Amerikanern zukommt.

Ist Herr Blatter denn der Meinung, dass die Fifa gerettet werden muss?

Sicherlich nicht. Er ist der Meinung, dass er mit der Fifa den Weltfußball aufgebaut hat. Er ist bereit, sein Erbe zu verteidigen. Und er ist bereit, mit jedem zusammenzuarbeiten, der dieses Erbe sichert.

Hat er denn noch Mitstreiter?

Wir dürfen da nicht nur die deutschen oder europäischen Standpunkte sehen. Die Zahl der Blatterfans ist weltweit enorm groß. Die beobachten natürlich sehr aufmerksam, was jetzt geschieht.

Es läuft ein Strafverfahren der Schweizer Bundesanwaltschaft, das könnte zu einer Verhaftung führen. Fürchtet Blatter sich?

Ich würde sagen, das Verfahren läuft. Bundesanwalt Lauber sagt, es könnte sich bis zu fünf Jahre lang hinziehen. Die Fifa und Sepp Blatter arbeiten konstruktiv mit. Aber auch da ist nicht mit kurzfristigen Entscheiden zu rechnen.

Aber es gibt immer eine Ungewissheit, die über allem schwebt. Es heißt ja, Blatter kann nicht reisen, wie er will. Stimmt das?

Es war die Entscheidung von Joseph S. Blatter, unter dem Druck der Untersuchungen, sich nicht von den US-Behörden verhören zu lassen.

Blatter in Handschellen, das ist sicher ein Bild, das er nicht gerne sehen würde.

Darf ich es so sagen: Er ist ein sehr stolzer Schweizer. Ein sehr stolzer Walliser. Und solche Leute lassen sich nicht gerne verhören. Meine Frau kommt von dort, ich kenne dieses Volk in- und auswendig. Das ist ein stolzes Bergvolk. Einen Walliser abführen? Das ist undenkbar!

Es wird gemunkelt, Blatter könnte aus Rache hinter vielen Enthüllungen stecken, über Platini oder die deutsche WM 2006.

Die von Herr Niersbach vorgebrachten Argumente sind ihm unbekannt. Er sagt, das sind innerdeutsche Auseinandersetzungen, das müssen die Deutschen unter sich bereinigen.

Die Deutschen haben ihn oft kritisiert. Verspürt er keine Genugtuung, dass sie nun vor der eigenen Türe kehren müssen?

Er bedauert es eher. Sein Anliegen ist wirklich der Fußball. Er liebt diese Art von Skandalen gar nicht und er bedauert sie außerordentlich.

Und bei Platini? Es heißt, Blatter wolle ihn als seinen Nachfolger verhindern.

Das mediale Zweikampfsystem, einer gegen den anderen, führt zu Übertreibungen. Sepp Blatter hat Platini immer gefördert, ohne Blatter wäre er nicht so weit gekommen. Sepp Blatter empfindet es als bedauerlich, dass die Situation sich derart entwickelt hat.

Also verstehen sich die beiden gut?

Das wäre jetzt ein bisschen übertrieben. Es liegen allerlei juristische Risiken zwischen ihnen. Das muss erst mal bereinigt werden, auch von der Ethikkommission.

Blatter hat wie Platini Einspruch gegen die Suspendierung erhoben. Gehen Sie davon aus, dass sich die Strafe noch ändert?

Der Präsident geht davon aus, dass er nicht schuldig ist, und hat auch mit erheblichem Aufwand Belege dafür erbracht. Nun erwartet er in Ruhe den Entscheid. Im Kern geht es der Ethikkommission um die Platini-Frage. Der Vertrag mit Jack Warner ist in den Hintergrund getreten. Gemessen am Vorgang Platini ist das ein völlig unbedeutender Faktor geworden.

Ein unbedeutender Faktor auch aus Sicht der Ethikkommission?

Aus Sicht des Präsidenten. Die Ethikkommission muss selbst entscheiden.

Platini sieht es als unproblematisch an, dass er zwei Millionen Franken von Blatter bekam, ohne Vertrag, als Gentlemen’s Agreement. Sieht das Blatter auch so?

Gentlemen’s Agreements waren in der Praxis ein durchaus normaler Vorgang. In diesen Kreisen hat man solche Agreements, wie sie ja lange in ganz Europa üblich waren, für sehr ernst und bindend genommen. Wie der deutsche Handschlag. Man hat sich früher die Hand gegeben und Verträge geschlossen. Das spielt sich auch auf diesem Niveau ab.

Aber selten, wenn es um zwei Millionen Franken geht und diese nicht offiziell in den Konten aufgeführt sind.

Das hatte früher eine ganz andere Bedeutung als heute. Heute sind überall Juristen. Und Juristen verlangen Papier. Aber noch vor wenigen Jahren gab es andere Formen der Abschlüsse. Man muss diesen kulturellen Wandel berücksichtigen.

Aber im Jahr der Zahlung stand Blatter zur Wahl. Das wirkt doch arg anrüchig.

Die Wahl wird überbewertet. Es war tatsächlich ein Honorar für die Leistung von Platini, seine Beratungsdienste. In Frankreich ist man der Meinung, dass Präsident Blatter das ausgelöst hat, um Platini zu stürzen. Das ist nicht wahr. Er hat mir gerade erst mehrfach gesagt: „Ich wollte ihn nicht stürzen.“

Blatter klagte zuletzt, er fühle sich vorverurteilt. Aber es gibt ja sportjuristische Strafen und staatliche Untersuchungen dazu.

Es gibt Vorwürfe und Vermutungen, aber keine Beweise. Deswegen arbeitet er mit der Ethikkommission zusammen, und noch mal: Er fühlt sich unschuldig

Blatter hat die Ethikkommission mit ins Leben gerufen, die ihn nun gerichtet hat.

Er war der große Innovator. Das ist die Tragödie, sie erinnert mich an Frankreich 1789, als die Jakobiner die Macht übernahmen.

Die Revolution frisst ihre Kinder.

Das ist nicht falsch, aber gerade Walliser sind Lawinenabgänge gewohnt. Und meistens überleben sie diese.

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