Hertha BSC wird 125: Bernd Gersdorff: "Ich sollte Manager werden, nicht Dieter Hoeneß"
Der gebürtige Berliner Bernd Gersdorff über die siebziger Jahre von Hertha BSC, seinen legendären Schnauzbart und sein Beinahe-Comeback in der Vereinsführung.
Hertha BSC wird 125 Jahre alt. Hier erzählen ehemalige Profis von ihren Erfahrungen und Erlebnissen bei Hertha. Jeden Tag ist ein Spieler aus einem Jahrzehnt dran – angefangen bei den 1960er Jahren bis hin zu den 2010ern. In Teil 1 erinnerte sich Uwe Klimaschefski an die Sechziger. Heute Teil zwei: Die 1970er Jahre.
Herr Gersdorff, wie oft werden Sie auf das Spiel vom 29. Oktober 1977 angesprochen?
Ach, das kommt schon vor. Ein Auswärtssieg bei den Bayern, das ist halt etwas. Die Geschichte funktioniert deshalb heute noch, weil Hertha seitdem nicht mehr in München siegen konnte.
Sie gewannen mit Hertha 2:0 in München und schossen dabei das zweite Tor.
Wir hatten uns vorher erhofft, durch unser Konterspiel etwas ausrichten zu können. Und das klappte dann ganz gut. Gerhard Grau hatte für uns in der ersten Halbzeit das 1:0 geschossen und ich wurde dann für ihn in der zweiten Hälfte eingewechselt und traf.
Eine Minute vor Schluss...
Das war kurios. Ich hatte zwei Konterchancen exakt von der gleichen Position aus, etwa acht Minuten lagen dazwischen. Beim ersten Mal hat Sepp Maier meinen Schuss noch gehalten, beim zweiten Mal habe ich den Ball über ihn gelupft und die Sache war erledigt.
40 Jahre ist das her. Es könnten noch ein paar Jahre mehr werden, bis Hertha mal in München etwas holt, oder?
Das sieht so aus, aber muss nicht so sein. Aber es stimmt schon, die Bayern haben heute so eine Überlegenheit. Das ist anders als früher.
Als gebürtiger Berliner kamen Sie erst im Alter von 29 zu Hertha. Es hieß, dass Trainer Fiffi Kronsbein keine Berliner haben wollte.
Genau das war der Punkt. Ich will ihm zwar nicht wörtlich unterstellen, dass er etwas gegen Berliner Spieler hatte. Aber es wirkte so. Er hat uns junge Berliner Spieler in jedem Fall nicht für gut genug erachtet.
Sie kamen zu einer Zeit, als Hertha eine Spitzenmannschaft war. Nie war das Team seitdem so nah an so vielen Titeln dran.
Ja, das war blöd. Wir waren wirklich sehr stark damals. Wir waren Dritter in der Bundesliga, waren zwei Mal im Pokalfinale und verloren beide Male und dann kam die Mannschaft im Uefa-Cup sogar bis ins Halbfinale gegen Roter Stern Belgrad und scheiterte knapp. Da war ich aber schon in den USA. Aber bis ins Viertelfinale hatte ich mitgespielt.
Während der Saison 1979/1980 haben sie Hertha schließlich verlassen, wären 16 Jahre später aber fast wieder zum Klub zurückgekehrt. Wie kam das?
1996 war ich Vertreter bei Adidas und bei Hertha war ein gewisser Robert Schwan Aufsichtsratsvorsitzender. Ich habe bei Adidas das Marketing geleitet und da wollte man mich in Berlin zum Manager machen und auch ins Präsidium reinholen. Da habe ich mehrere Gespräche in Berlin geführt. Und dann habe ich es nicht gemacht.
Daraufhin wurde ein anderer Manager…
Vier Wochen später kam der Dieter Hoeneß. Ich habe das damals bei Hertha nicht gemacht, weil mir das noch zu undurchsichtig war. Ich will da heute niemanden verletzen mit meinen Aussagen, aber das war eine Struktur in dem Klub, die mir nicht so ganz zugesagt hat.
Wie muss man sich das vorstellen? Gab es Ärger mit Robert Schwan?
Nein, vom Vorstand her hat mir das nicht so gefallen. Es lag an den handelnden Personen. Nicht an Herrn Schwan, der kannte mich von den Bayern. Der wusste, dass ich einen guten Job gemacht hatte bei Adidas. Und ich war auch noch Berliner, also die Voraussetzungen hatte ich. Aber die ganzen Gespräche waren so unrund. Das hat irgendwie nicht richtig funktioniert. Ich sollte von heute auf morgen den Posten antreten und nach Berlin kommen. Wir hatten gerade eine Tochter adoptiert, unsere Familie lebte in Braunschweig. Das war mir die Sache nicht wert, von heute auf morgen mein ganzes Leben zu ändern.
Hertha eilte ja früher ohnehin der Ruf voraus, etwas unrund zu sein, oder?
In Berlin war eben immer was los. Da war immer Theater. Aber das ist ja viel professioneller geworden heute. Das ist nicht vergleichbar mit früher.
Hertha gehört zu Berlin wie der Funkturm
Wie wichtig ist Ihnen Hertha heute?
Wenn ich als Berliner an die Zeit zurückdenke, dann ist das eine ganz wichtige Station in meinem sportlichen Leben gewesen. Ich erinnere mich an vieles sehr gerne. Zum Beispiel an den Kuno Klötzer.
Kuno Klötzer war von 1977 bis 1979 ihr Trainer. In seine Zeit fielen auch Herthas Beinahe-Erfolge. Was hat ihn als Trainer ausgemacht?
Den Kuno Klötzer, den mochten wir Spieler einfach sehr. Das war ein Trainer, der mit Herz, mit Leidenschaft dabei war und der seine Spieler gern hatte und sie überall verteidigt hat. Das war die alte Trainerschule, der gehörte in die Klasse von Kronsbein. Wir haben viel gelacht. Und wir haben alle einhundert Prozent hinter ihm gestanden. Hertha wollte ihn ja schon vor 1979 entlassen. Dann hat sich aber die ganze Mannschaft für ihn ausgesprochen und ihm den Rücken gestärkt.
Ihre Karriere bei Hertha haben Sie für einen USA-Aufenthalt unterbrochen.
Ich bin nur an San José ausgeliehen worden. Dann habe ich gleich wieder bei Hertha gespielt. Ich bin montags gelandet, am Dienstag war ich beim Training und am Samstag habe ich gespielt – gegen Gladbach, glaube ich.
Es war gegen Schalke 04, im September 1979, am dritten Spieltag.
Stimmt. Und dann musste ich im Frühjahr wieder weg, da ich noch einen Vertrag in den USA hatte. Aber inzwischen hatten mich die San José Earthquakes an die San Diego Sockers weiterverliehen. Ich war kurioserweise der einzige Spieler, der in einer Saison für drei Vereine gespielt hat. Das war 1979/1980, ich kam danach aber nicht mehr zurück nach Berlin.
Sie waren bei den Berliner Fans sehr beliebt, es lag vielleicht auch an ihrem legendären Schnauzbart. Ihren Bart haben Sie schon lange nicht mehr?
Ja, den habe ich irgendwann abgemacht. Aber so lange ist das gar nicht her. 2006, glaube ich, war das. Ich lebe seitdem ganz gut ohne Bart.
Sie verfolgen die Spiele der Hertha ja zumindest aus der Ferne, wie sehen Sie denn die Diskussion um ein neues Stadion? Sie haben ja mal gesagt, es habe nie Spaß gemacht, im Olympiastadion zu spielen.
So drastisch habe ich das nicht gesagt. Es macht für die Mannschaft eben dann keinen Spaß, wenn nur 30.000 Zuschauer da sind. Dann denkst du als Spieler, du stehst allein auf dem Platz. Das Stadion hilft der Heimmannschaft nicht. Das liegt an der Laufbahn. Es kommt nicht die Atmosphäre auf, die in einem Fußballstadion aufkommt und das ist meiner Meinung nach so geblieben bis heute. Aber wissen Sie, was trotzdem die Stärke von Hertha ist?
Sie werden es sagen…
Hertha ist eine Marke und gehört zu Berlin wie der Funkturm, die Spree oder der Berliner Bär. Das wird auch so bleiben.
Das Gespräch führte Claus Vetter.
Bernd Gersdorff, 70, spielte zunächst für Tennis Borussia, Eintracht Braunschweig und Bayern München. 1976 wechselte er zu Hertha BSC und blieb vier Jahre lang.