Handball-WM: Berliner Bande im deutschen Team
Die Jugendfreunde Fabian Wiede und Paul Drux spielen zusammen bei den Füchsen Berlin. Jetzt tragen sie das Nationalteam durch die WM.
Über Teamkollegen zu sprechen, kann für Leistungssportler mitunter ein sensibles Thema sein. Besonders nach dramatischen Spielen, in denen der Grat zwischen Heldentum und Versagen schmal ist. Paul Drux hatte diesbezüglich leichtes Spiel, als er am späten Montagabend in den Katakomben der Kölner Arena zu jenem Mann vernommen wurde, der den WM-Krimi zwischen deutschen und kroatischen Handballern entscheidend geprägt hatte.
„Fabi ist einfach der Knaller, er ist extrem wichtig für uns“, sagte der 23 Jahre alte Nationalspieler nach dem 22:21-Sieg, der den Gastgeber Deutschland bereits vor dem abschließenden Hauptrundenspiel an diesem Mittwoch gegen Spanien (20.30 Uhr/ARD) in das Halbfinale brachte. „Jede Mannschaft braucht so einen Typen, der die Dinger einfach reinmacht, wenn es um alles geht.“ Einen wie Fabian Wiede.
Sechs Mal hatte er gegen die Kroaten auf das Tor geworfen, alle sechs Versuche zappelten im Netz, selbst aus unmöglichsten Winkeln und Positionen. Man hatte beinahe den Eindruck, Wiede hätte den Ball auch mit verbundenen Augen irgendwie im kroatischen Tor untergebracht. Unter all den strahlenden Siegern im deutschen Stab gebührte dem 24-Jährigen das größte Lob.
„Fabi hat eine unfassbare Cleverness. So was hat man – oder man hat es nicht“, sagte Steffen Weinhold, mit 32 Jahren einer der erfahrensten im deutschen Team. Und Paul Drux ergänzte mit einem breiten Grinsen: „Mich wundert gar nichts mehr.“
Wenn jemand den in Bad Belzig (Brandenburg) geborenen Linkshänder besonders gut kennt, ist es Paul Drux. Wiede und Drux spielen bereits zusammen, seitdem sie 15 Jahre alt sind. In den vergangenen Jahren haben sie – zunächst als Nachwuchsspieler, später als Profis bei den Füchsen Berlin – Tausende Kilometer in Bussen, Bahnen und Flugzeugen miteinander verbracht und zahlreiche große Spiele bestritten.
Was im Nachwuchs-Internat der Füchse im Berliner Stadtteil Hohenschönhausen begann, hat die beiden Weggefährten nun in das Halbfinale der Handball-WM am Freitag in Hamburg geführt. „Ein riesiger Erfolg, eine super Sache“, sagte Matchwinner Wiede nach seinem Gala-Auftritt, „und natürlich noch viel schöner, weil ich das gemeinsam mit einem so guten Kumpel wie Paul erleben darf.“
Deutsche Rückraumspieler von internationaler Klasse waren bis vor ein paar Jahren eine seltene Spezies, nach der man lange fahnden musste. Im Tor, am Kreis sowie auf den Außenpositionen gab es immer wieder große Talente, denen die Transformation zum Weltklassespieler gelang.
Auf den zentralen Positionen im Rückraum, also dort, wo jeder Spielzug beginnt, wo der Druck und die Kreativität herkommen müssen, um den Nebenmann freizuspielen und Lücken zu reißen – dort hakte es gewaltig im deutschen Handball. Die sogenannte Anschlussförderung, der Übergang vom Junioren- zum Männerbereich, gestaltete sich schwierig. Viele Vereine setzten auf ausländische Stars und vernachlässigten den eigenen Nachwuchs sträflich.
Dagur Sigurdsson erkannte früh ihr außergewöhnliches Talent
Nicht so im Fall Drux und Wiede. Bei ihrem Arbeitgeber, den Füchsen Berlin, wurden sie in jungen Jahren ins kalte Wasser geworfen. Als der Bundesligist 2014 seinen ersten großen Titel gewann, den DHB-Pokal, waren Drux und Wiede 19 respektive 20 Jahre jung. Trotzdem zählten sie längst zum Stamm des Profiteams.
Der damalige Füchse-Coach und spätere Bundestrainer Dagur Sigurdsson erkannte früh ihr außergewöhnliches Talent; der Isländer forderte und förderte das Gespann. Noch heute gibt es bei den Füchsen Stress mit Manager Bob Hanning, wenn der Trainer der Profi-Mannschaft dem Nachwuchs nicht regelmäßig Einsatzzeiten gewährt.
Hanning, neben seinem Hauptberuf als Füchse-Manager auch Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB) und bei der WM vor Ort, sagt: „Solche Jungs wie Paul oder Fabi haben mit den Jahren das Gewinnen gelernt. Aber das können sie halt nur lernen, wenn man sie schon in jungen Jahren einsetzt.“