Handball-WM 2019: DHB-Team erreicht Halbfinale
Die deutschen Handballer gewinnen 22:21 gegen Kroatien und stehen bei der Weltmeisterschaft damit im Halbfinale.
Die Herren in der Kommandozentrale des Deutschen Handball-Bundes (DHB) sollten unbedingt darüber nachdenken, in welcher Form sie sich bei der brasilianischen Nationalmannschaft erkenntlich zeigen. Kaltgetränke aus dem Land des Reinheitsgebots sollen zum Beispiel ein beliebter Exportschlager sein. Während der Vorrunde in Berlin hatten die Südamerikaner dem WM-Gastgeber bekanntlich schon einmal Schützenhilfe geleistet, seinerzeit mit einem Sieg über Russland. Am Sonntag lieferten die Brasilianer mit ihrem sensationellen Erfolg über Mitfavorit Kroatien schließlich die nächste Steilvorlage. Ein Sieg gegen die Kroaten am Tag danach, soviel stand bereits 24 Stunden vor dem Anpfiff fest, würde die Deutschen ins Halbfinale nach Hamburg bringen.
Die Mannschaft von Bundestrainer Christian Prokop nutzte ihren ersten Matchball zum Einzug in die nächste Runde am Montagabend vor der prächtigen Kulisse von 19 250 Zuschauern in der ausverkauften Kölnarena. Nach 60 umkämpften Minuten hieß es 22:21 (11:11) – das Halbfinale ist damit bereits vor dem letzten Hauptrundenspiel sicher.
Der Tag hatte für die Kroaten ähnlich bescheiden begonnen wie der Abend vorher zu Ende gegangen war: Im Laufe des Vormittags machte die Nachricht die Runde, dass Regisseur und Strippenzieher Luka Cindric verletzt ausfällt – also einer der Protagonisten, vor denen Bundestrainer Prokop explizit gewarnt hatte. Trotzdem war der Respekt auf deutscher Seite sehr ausgeprägt. „Normalerweise macht Kroatien nicht zwei schlechte Spiele am Stück“, sagte Markus Baur, der Kapitän der 2007 Weltmeistermannschaft, im Interview mit dem Hallensprecher. Er sollte Recht behalten.
Die Anfangsphase bot viele dramatische Szenen
Die Kroaten erwischten einen guten Start und gingen schnell mit 2:0 in Führung. Wer die Mannschaft des ebenso legendären wie strengen Trainers Lino Cervar gegen Brasilien gesehen hatte, musste sich zwangsläufig die Frage stellen, ob es sich tatsächlich um dieselben Spieler handelte oder ob sie tags zuvor nur schlechte Doppelgänger geschickt hatten. Obwohl Köln die Gäste mit dem bisher lautesten Pfeifkonzert des Turniers begrüßte, ließen sich diese zunächst nicht aus dem Konzept bringen. Überhaupt war es in der Arena so ohrenbetäubend laut, dass die Protagonisten auf dem Feld die Spielzüge kaum – wie sonst üblich – ansagten, sondern fast ausschließlich per Handzeichen.
Die Anfangsphase bot gleich so viele dramatische Szenen wie sonst eine ganze Halbzeit. Nach sieben Minuten mussten die Deutschen den ersten Schockmoment überstehen: Martin Strobel verdrehte sich in einem handelsüblichen Zweikampf das linke Knie und musste mit einer Trage vom Feld gebracht werden. Für den Regisseur war es der letzte Auftritt bei diesem Turnier, die erste Ferndiagnose lautete: Innenbandriss inklusive Verdacht auf Kreuzbandriss.
Die Deutschen steckten den Rückschlag erstaunlich gut weg. Vorn wurden sie von Fabian Wiedes Distanzwürfen getragen, der zur ersten Führung an diesem Abend traf (8:7) – hinten rührten sie wie gewohnt Beton an. Als Patrick Wiencek zum 10:8 ins leere gegnerische Tor traf, erreichte der Dezibelmesser seinen vorläufigen Höhepunkt. Allerdings schwächte sich Prokops Mannschaft selbst, weil sie in der Abwehr bisweilen zu aggressiv agierte. Zur Halbzeit (11:11) standen bereits fünf Zeitstrafen im Protokoll, also faktisch zehn Minuten in Unterzahl.
Auf Kai Häfner war Verlass
Zu Beginn des zweiten Durchgangs forderte das Publikum nach US-amerikanischem Vorbild „De-fense“ – und es sollte De-fense bekommen. Wenn sich die Deutschen einen Vorwurf gefallen lassen mussten, war es ihre schlechte Chancenverwertung: Patrick Groetzki vergab mehrfach die Gelegenheit, seinem Team ein kleines Polster zu verschaffen. Bundestrainer Prokop konnte auf dieser Position nicht wechseln, weil Groetzki der einzige gelernte Rechtsaußen im Aufgebot ist.
Auf Kai Häfner war da mehr Verlass. Nach 40 Minuten traf der nachnominierte Rückraumspieler zum 15:13, später zum 16:14. Entschieden war damit aber noch lange nichts. Die Kroaten wehrten sich nach Kräften gegen die drohende Niederlage und das damit verbundene Turnier-Aus und gingen nach einem 4:0-Lauf wieder in Führung – 18:19. Dass den Deutschen bis zum 19:19 durch Fabian Wiede neun Minuten in Folge kein Treffer gelang, spielte ihnen bei der Aufholjagd massiv in die Karten. Steffen Fäth, Hendrik Pekeler und Uwe Gensheimer trafen allerdings, als der Druck am größten war – und brachten ihre Farben in die nächste Runde.