Kolumne: Meine Champions League: Benfica Lissabon und der Fluch von Guttmann
Borussia Dortmunds Achtelfinalgegner Benfica Lissabon hat ein historisches Problem was Titel im Europapokal angeht.
Ein Fluch ist ein Fluch ist ein Fluch, und richtig ernst genommen hat ihn am Anfang wahrscheinlich keiner. Vor einem halben Jahrhundert, als Benfica Lissabon im Ruf der besten Mannschaft der Welt stand, angeführt vom großen Eusebio, den sie daheim „pantera negra“ nannten, den schwarzen Panther. Eusebio war die überragende Persönlichkeit jener Benfica-Mannschaft, die im Mai 1962 den Europapokal der Landesmeister gewann (so hieß die Champions League in ihren Anfangsjahren). Beim 5:3 im Finale von Amsterdam gegen Real Madrid schoss der Mann aus der portugiesischen Überseeprovinz Mosambik die beiden entscheidenden Tore und war davon so überwältigt, dass er noch in der Kabine von einem Nervenzusammenbruch niedergestreckt wurde.
Es war dies der Vorbote einer nicht ganz so glanzvollen Zukunft des Klubs. Der Finalsieg über das Real von Ferenc Puskas und Alfredo di Stefano war nämlich der letzte, den Benfica bis heute in seinem Briefkopf notieren durfte. Eusebio war damals gerade zwanzig Jahre alt und stand am Anfang seiner großartigen Karriere, in der er es zum WM-Torschützenkönig von 1966, zu elf Portugiesischen Meisterschaften und fünf Pokalsiegen brachte. Nur zu einem europäischen Titel reichte es eben nicht mehr. Schuld daran trägt der Legende nach der Erfolgstrainer Bela Guttmann, ein Weltenbummler aus Ungarn, der für 18 Klubs in 13 Ländern arbeitete, aber nirgendwo so erfolgreich war wie in den früheren Sechzigern in Lissabon.
100 Jahre lang soll der Fluch währen
Nach jenem 5:3-Sieg über Real hatte Guttmann eine Gehaltserhöhung gefordert. Benfica lehnte ab, worauf der Trainer noch vor dem nationalen Pokalfinale Lissabon verließ und seinem Klub als Vermächtnis ein Zitat hinterließ, das bis heute als „Maldicao de Bela Guttmann“ bekannt ist, als Guttmann-Fluch. Der exakte Wortlaut ist so überliefert: „Sem mim, nem em cem anos o Benfica vai conquistar outra taça europeia!“ – „Ohne mich wird Benfica in hundert Jahren keinen Europapokal mehr gewinnen.“ Ein Jahr später verlor Benfica das Finale von Wembley trotz eines frühen Führungstores von Eusebio 1:2 gegen den AC Mailand.
Der Fluch nahm seinen Lauf, und indirekt hat auch Borussia Dortmund einmal davon profitiert.
Am Dienstag gastiert der BVB im Estadio da Luz zum Hinspiel im Achtelfinale der Champion League bei Benfica, und natürlich haben sie in Dortmund noch mal die alten Zeiten heraufbeschworen. Im Spätherbst 1963 hatte es die Borussia als letzter Deutscher Meister vor Einführung der Bundesliga in der ersten Europapokalrunde mit Benfica zu tun. Das Hinspiel in Lissabon geriet zu einer einseitigen Angelegenheit. „Pfosten, Latte und Tilkowski!“, titelte der „Kicker“ und konzedierte, dass es ohne reichlich Glück und Glanztaten des Dortmunder Torhüters auch 1:10 hätte heißen können. Tilkowski aber ließ nur Tore von Antonio Simoes und, natürlich, Eusebio zu. Weil zwischendurch Reinhold Wosab den Ausgleich geschafft hatte, ging die Borussia mit einer recht komfortablen Ausgangsposition ins Rückspiel.
Zur Besänftigung Guttmanns hat Benfica einiges getan
Der Boden im Stadion Rote Erde war gefroren, Eusebio fehlte wegen einer Verletzung, Dortmund spielte sich in einen Rausch. Franz Brungs, der Dortmunder Stürmer mit dem schönen Namen „Goldköpfchen“, machte das Spiel seines Lebens und drei Tore. Am Ende hieß es 5:0 für den BVB, der es bis ins Halbfinale schaffte und dort unglücklich am späteren Champion Inter Mailand scheiterte.
Die Wege beider Klubs haben sich seitdem nie wieder gekreuzt. Dortmund gewann 1966 den Europapokal der Pokalsieger und 1997 die Champions League. In Lissabon leiden sie immer noch unter Guttmanns Fluch. In den bald 55 Jahren nach seinem Abschied stand Benfica fünfmal im Landesmeisterfinale und dreimal im Endspiel um den Uefa-Cup (zweimal unter dessen aktueller Bezeichnung Europa League). Alle acht Endspiele endeten mit Niederlagen, zuletzt gab es im Mai 2014 im Europa-League-Finale von Turin ein 2:4 nach Elfmeterschießen gegen den FC Sevilla.
Zwischendurch hat Benfica einiges zur Besänftigung des 1981 gestorbenen Trainers getan. Einmal, vor dem Wiener Finale 1990 gegen den AC Mailand, betete Eusebio auf dem Zentralfriedhof an Guttmanns Grab für die Aufhebung des Fluchs. Der Niederländer Frank Rijkaard scherte sich nicht darum und schoss Milan zum 1:0-Sieg. Und als zur EM 2004 das Estadio da Luz abgerissen und ein paar Meter weiter neu aufgebaut wurde, errichtete Benfica dort ein überlebensgroßes Guttmann-Denkmal, es wurde zum 50. Geburtstag des Fluches eingeweiht. Aber ein Fluch ist ein Fluch ist ein Fluch. Bis heute.