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Und Bela Guttmann grinst. Sevillas Torwart Beto hält den Elfmeter von Rodrigo Machado, kurz darauf ist Benfica wieder einmal geschlagen. Foto: AFP
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Endspiel der Europa League: War ein Fluch am Scheitern von Benfica Lissabon Schuld?

Benfica verliert im Europapokal das achte Endspiel hintereinander. Etwa weil der Klub verhext wurde? Der Guttmann-Fluch besagt immerhin: „100 Jahre lang wird Benfica keinen Europapokal mehr gewinnen!“

Benfica Lissabons gefährlichster Stürmer kommt aus Paraguay. Óscar Cardozo hat in 135 Ligaspielen 88 Tore geschossen, aber er steckt in einer kleinen Formkrise, und jetzt muss er auch noch gegen einen Mythos antreten. Gegen den Maldição Guttmann, den Guttmann-Fluch.

„100 Jahre lang wird Benfica keinen Europapokal mehr gewinnen!“

Genauso ist es mal wieder gekommen, am Mittwochabend im Endspiel der Europa League gegen den FC Sevilla. Und genauso ist Óscar Cardozo auch angetreten als vermeintlich sicherer Schütze im finalen Elfmeterschießen. Mit dem sicheren Wissen im Hinterkopf, dass es ohnehin nichts werden würde. Drei zögerliche Schritte, dann bricht er ab, noch mal zwei, noch eine Unterbrechung, dann vier letzte Schritte, gefolgt von einem Schüsschen so sanft, dass Sevillas Torwart Beto den Ball auch hätte wegpusten können. Beim folgenden Versuch des Spaniers Rodrigo hat Beto noch weniger Mühe, und ein paar Minuten später ist das Endspiel für Benfica auch schon verloren. Oben, auf einer Wolke im Fußballhimmel, hat Bela Guttmann zufrieden hinuntergeblinzelt nach Turin.

Legende um den Fußballlehrer Bela Guttmann

So verlangt es die Legende, sie ist am Mittwochabend wieder ein bisschen weitergestrickt worden. Die Legende um den Fußballlehrer Bela Guttmann, der den großen Eusébio entdeckt und Benfica in den Jahren 1961 und 1962 zum Gewinn des Europapokals der Landesmeister geführt hat. Nach dem zweiten Triumph, einem 5:3 über Real Madrid, sprach der Ungar beim Präsidium vor und bat um eine Gehaltserhöhung. Benfica lehnte ab, worauf Guttmann kündigte und seinen Fluch aussprach. So will es die Legende, und so glauben es bis heute die Portugiesen, nicht ganz zu Unrecht. In den 52 Jahren nach Guttmanns Abschied hat Benfica fünfmal das Finale um den Europapokal der Landesmeister erreicht, einmal das im Uefa-Cup und zweimal das der Europa League. Alle acht Endspiele endeten mit Niederlagen.

Benfica hat einiges unternommen gegen den Fluch. 1990, vor dem Wiener Finale gegen den AC Mailand, besuchte Eusébio das Grab Guttmanns auf dem jüdischen Friedhof und betete für die Aufhebung des Fluchs. Vergeblich, Milan gewann 1:0. Für die EM 2004 wurde das alte Estadio da Luz abgerissen und ein paar Meter weiter neu aufgebaut. Zum 50. Geburtstag des Fluches platzierte Benfica im Stadion zur Besänftigung eine zwei Meter große Guttmann-Statue. Der Fluch blieb.

Der Fluch ist stärker als die Ignoranz

Es ist ein Fluch, vom dem gar nicht so sicher ist, ob er ursprünglich überhaupt als Fluch gemeint war. Zeitzeugen sind nicht aufzutreiben, Guttmann selbst ist 1981 gestorben. Was genau er damals nach der verweigerten Gehaltserhöhung gegrummelt hat, davon gibt es mehrere Versionen, eine gemäßigte geht so: „Ohne mich als Trainer wird es 100 Jahre dauern, bis mal wieder eine portugiesische Mannschaft den Europapokal gewinnt.“ Das klingt weniger nach einem Fluch denn nach einer Lobpreisung der eigenen Verdienste. Bela Guttmann stand nicht im Verdacht übermäßiger Bescheidenheit, und für schräge Sprüche war er auch immer gut. Als er 1955 den AC Mailand verlassen musste, sagte er Reportern: „Ich wurde gefeuert, obwohl ich weder kriminell noch homosexuell bin.“

Drei Jahre lang arbeitete Guttmann für Benfica. Die Zeit war reif für einen Wechsel, gemäß seiner eigenen Definition, die da lautete: „In der ersten Saison kann der Trainer ruhig arbeiten, die zweite ist schwieriger, die dritte ist tödlich.“ Zwischen 1945 und 1967 wechselte er 18 Mal den Verein. In Sao Paulo vermittelte er den Brasilianern das 4-2-4-System, mit dem diese 1970 ihre dritte WM gewannen. „Wenn ich irgendwo im Fußball etwas Gutes sah, habe ich das gestohlen und für mich behalten“, hat Guttmann mal gesagt. Den Lissabonnern hat er zwei Europapokale hinterlassen und eine Legende, die sich mit jedem verlorenen Finale ein bisschen mehr zum Fluch auswächst.

Guttmanns später Nachfolger heißt Jorge Jesus, er verantwortet die beiden jüngsten Endspiel-Niederlagen und hat in Turin gesagt, er könne das mit dem Fluch langsam nicht mehr hören: „Ich bin nicht abergläubisch, und viele meiner Spieler kennen diese Geschichte gar nicht.“ Offenbar ist der Fluch stärker als die Ignoranz.

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