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Zurück mit Fäustchen. Pierre-Michel Lasogga (rechts) spielt nach seiner Leihe bei Leeds United wieder beim Hamburger SV.
© Axel Heimken/dpa

Vor dem heutigen Zweitliga-Auftakt: Beim HSV herrscht Euphorie

Der Hamburger SV startet mit dem Heimspiel gegen Holstein Kiel in seine erste Saison in der Zweiten Liga - und versucht, auf dem Boden zu bleiben.

Auf dem Titelbild des druckfrischen Monatsmagazins „HSV live“ schaut Lewis Holtby in die Kamera. Bissig. Angriffslustig. Holtby auf dem Cover – das wirkt vertraut. Das Umfeld und die Gegner sind aber weniger vertraut für den Hamburger SV.  Außerdem geht es für den Klub diesmal schon etwas früher los als sonst. An diesem Freitag nämlich (20.30 Uhr/Sky). Gegen Holstein Kiel. „Sportlich wie auch geografisch bietet das kommende Jahr dem HSV viele neue Ziele“, steht im Vereinsmagazin, das diesmal etwas anders aussieht als viele, viele Jahre zuvor. Da werden die 17 Gegner der Spielzeit 2018/19 vorgestellt, inklusive Stadionbild: MDCC Arena, Benteler-Arena, Voith-Stadion.

17-mal wird der stolze Hamburger SV nach dem ersten Abstieg aus der Fußball-Bundesliga als große Attraktion der Zweiten Liga durch die Republik reisen, und der Busfahrer wird nach Navi fahren müssen, denn in Heidenheim, Magdeburg oder Sandhausen hat der HSV lange nicht gespielt. Bekannt ist dagegen der Gegner FC St. Pauli, der in S-Bahn-Distanz zu Hause ist. Überhaupt scheint ganz Hamburg fasziniert von Liga zwei. 7000 neue Mitglieder verzeichnet der Hamburger SV seit Mai, der Verein hat 25 000 Dauerkarten verkauft, Auswärtstickets sind ein begehrtes Gut. 

HSV-Testspielsiege in Serie

Außerdem sind der Mannschaft Testspielsiege in Reihe gegen einige namhafte Gegner gelungen. Profilierte Spieler wie Lewis Holtby und Aaron Hunt sind zu teils halbierten Gehältern geblieben – verdienen aber immer noch genug, wie der Etat in Höhe von 28 Millionen Euro beweist. In der Bundesliga betrug der Etat 55 Millionen Euro. „Alle haben richtig Bock auf die neue Saison“, hat der neue Sportchef Ralf Becker jüngst dem „Kicker“ gesagt. „Ein Abstieg wird oft von der Angst begleitet, dass vieles kaputtgeht. Bei uns habe ich das gegenteilige Gefühl.“ Wächst da sogar etwas zusammen beim HSV?

Becker, 47 Jahre alt, weiß, wie lang die Liste seiner mehr oder minder erfolglosen Vorgänger ist. Und doch war das Angebot des HSV verlockend genug, um von Holstein Kiel nach Hamburg 90 Kilometer weiter südlich zu gehen. Kurios dabei ist, dass Becker im März noch Christian Titz holen wollte, als in Kiel längst klar war, dass Markus Anfang zum 1. FC Köln wechseln würde. Wenig später wurde Titz Cheftrainer beim HSV, gewann trotz Abstiegs an Statur und gilt nun als der Mann, der den Topfavoriten zum Aufsteiger machen soll.

Titz gibt dem HSV ein Gesicht. Volksnah, sympathisch, bodenständig. Wenn er längeres Autogrammeschreiben nach den Übungsstunden im Trainingslager verordnet, geht er selbst vorweg. Bescheidenheit und Respekt vor den kommenden Aufgaben (und dem Gegner), das sind Attribute, die zu Titz passen – und auch dem HSV weiterhelfen, denn mit diesen Begriffen hat ihn in den vergangenen Jahren sicher niemand in Verbindung gebracht.

Viele sind gegangen. Diekmeier, Nicolai Müller, Mavraj, Wood, Hahn, Walace oder Waldschmidt, der Held des Klassenverbleibs 2017. In Torwart Pollersbeck, Sakai, Douglas Santos, Steinmann, dem neuen Kapitän Hunt und Holtby ist aber eben auch eine Achse geblieben, die für Qualität steht – auch wenn sie den Abstieg mitverursacht hat. Lasogga ist zurück, Fiete Arp hat sogar verlängert, und von den Neuzugängen haben sich der schottische Innenverteidiger David Bates sowie die Außenspieler Jairo und Khaled Narey Stammplätze erspielt.

Mit dem Etat muss Aufstieg das Ziel sein

Man könne nicht abstreiten, dass der HSV ein besonderer Zweitligist sei, sagt einer aus dem Klub, der nicht zitiert werden möchte. Und mit diesem Etat könne auch nichts anderes als der Wiederaufstieg Saisonziel sein. Was dabei helfen könnte, wäre der psychologische Rückenwind einiger Siege zum Start. Nicht mehr mit dem Rücken zur Wand agieren, nicht mehr mit dem Blick auf die Stadion-Uhr leben, die von Freitag an nur noch die Zeit seit der Vereinsgründung statt die Jahre der Erstklassigkeit zählt. Der Rucksack, den jeder Spieler des HSV zuletzt trug, könnte durch einen guten Saisonstart erheblich leichter werden.

Trotzdem müssen die Hamburger auch aufpassen, dass sie den Wiederaufstieg nicht für selbstverständlich nehmen. Daran sind schon ganz andere gescheitert. „Wenn wir denken, der HSV ist zu groß für die Zweite Liga, machen wir schon den ersten großen Fehler“, sagt Sportchef Becker. Und: „Wenn wir mit Arroganz und dem Glauben darangehen, wir kommen ohne harte Arbeit und allein mit individueller Qualität durch, werden wir in der Liga unser blaues Wunder erleben.“

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