Serge Gnabry: Bayerns neuer Raumdeuter
Serge Gnabry war beim Sieg des FC Bayern im Pokal-Achtelfinale bei Hertha BSC der Spieler des Spiels. In den kommenden Wochen könnte er umso wichtiger werden.
Zwei Mal rührte Serge Gnabry am Mittwochabend in seinem imaginären Topf. Den Jubel für seine beiden Tore hat sich der Flügelstürmer des FC Bayern München von Basketball-Superstar James Harden abgeguckt. Er steht für die US-amerikanische Redensart: „He is cooking.“ Was in der US-Sportsprache so viel bedeutet wie: „Er läuft heiß.“
Und der 23 Jahre alte Gnabry lief trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt wirklich heiß beim 3:2-Sieg der Münchner im Berliner Olympiastadion. Fast schon unterkühlt bewertete Gnabry rund anderthalb Stunden später allerdings seine Leistung, für die er von seinem Trainer Nico Kovac das Prädikat „Spieler des Spiels“ verpasst bekam: „Ich versuche in jedem Spiel mein Bestes zu geben. Heute ist es mir natürlich besonders gut gelungen.“
Gnabrys Teamkollege Thomas Müller sagte einmal in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ über sich: „Ich bin ein Raumdeuter.“ Damit verbalisierte Müller die Faszination, die ihn nach seinen fünf Treffern bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika umgab.
Gnabry antwortet auf Mittelstädt
Dieser Müller stand irgendwie immer richtig und zog durch seine unorthodoxen Laufwege große Räume in den gegnerischen Verteidigungsreihen auf. Bevor es für dieses Spiel den Begriff „Raumdeuter“ gab, nannte man es schlichtweg das „Spiel ohne Ball“.
Wie wichtig das auch noch 2019 ist, veranschaulichte Gnabry am Mittwochabend nach nur sieben Minuten eindrucksvoll. Da fanden die Bayern die perfekte Antwort auf das frühe Führungstor der Berliner durch Maximilian Mittelstädt. Und Gnabrys ganze Klasse kam dabei zum Vorschein. Erst ließ sich der Rechtsaußen tiefer ins Mittelfeld fallen, nahm dort den Ball an und spielte ihn weiter zu Joshua Kimmich. Gnabry hätte bei dessen Flanke ins Zentrum auf den gut postierten Robert Lewandowski abschalten können. Stattdessen zog er seinen Laufweg über den rechten Flügel konsequent durch und entwischte im Strafraum seinen Gegenspielern Marvin Plattenhardt und Per Skjelbred, die ihrerseits einfach stehen blieben. So fiel der Ball vor die Füße von Gnabry.
Dann vollendete er anspruchsvoll per Direktabnahme ins kurze Eck – das ist seine weitere große Stärke. „Er ist technisch so sauber, so stark. Man kann gar nicht sagen, ob er nun einen starken linken oder rechten Fuß hat“, sagte Niko Kovac später über ihn.
Zum Ende der Hinrunde stoppte ihn eine Verletzung
Auch sein Führungstor kurz nach der Halbzeitpause hatte Gnabry mit eingeleitet, ohne bis zum Abschluss überhaupt am Ball zu sein. Erst ließ er sich fallen, nur um kurz darauf im Vollsprint in eine Lücke der Berliner Abwehr zu stoßen und nach einem kurzen Ballkontakt zu vollstrecken. Anschließend rührte er an der Eckfahne wieder im Kochtopf.
Nach einer Verletzung zum Ende der Hinrunde arbeitete Gnabry im Trainingslager hart daran, um wieder in eine optimale körperliche Verfassung zu kommen. Die hat er nun laut Niko Kovac fast wieder inne. Gnabry kann als technisch beschlagener Raumdeuter deshalb auch in den nächsten Spielen enorm wichtig werden für die Münchner.
Und den vermeintlichen Erfinder des Raumdeutens konnte er zumindest in Berlin schon auf die Bank verdrängen. Thomas Müller wurde erst in der 120. Minute eingewechselt.
Louis Richter