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Unbedingt grätschbereit. Neuzugang Arturo Vidal erhöht Tempo und Aggressivität in Bayerns Mittelfeld.
© imago/Ulmer

Bundesliga-Saisonvorschau (18): Bayern München: Götter, Krieger, Überflieger

Die Fußball-Bundesliga startet heute in ihre 53. Saison. In unserer Serie testen wir Stärken, Schwächen und Vorlieben der Vereine. In der letzten Folge: Bayern München.

Was hat sich verbessert?

Verbessert hat sich auf jeden Fall die Geschwindigkeit und vor allem Grätschbereitschaft im zentralen Mittelfeld – dank Neuzugang Arturo Vidal. Der Chilene kann ein hohes Tempo gehen und ist körperlich sehr präsent. Wenn er dann doch einmal zu langsam ist, weiß er sich zu helfen. Im Supercup gegen Wolfsburg dauerte es sieben Minuten, beim Pokal-Auftakt gegen den Viertligisten Nöttingen am vergangenen Wochenende gerade einmal sechs, ehe er einen Gegenspieler sehr unsanft vom Ball trennte. Und auch der Trainer scheint noch nicht an seiner Kapazitätsgrenze angelangt zu sein. Die Spieler sagen jedenfalls, dass sie noch immer etwas lernen unter Pep Guardiola.

Wer sind die Stars?

Beim FC Bayern ist es einfacher, die Spieler aufzuzählen, die noch nicht über den Status eines durchschnittlichen Bundesliga-Profis hinausgekommen sind. Allerdings ist beim Rekordmeister Star nicht gleich Star, sondern es gibt eine Drei-Klassen-Gesellschaft: Auf der ersten Stufe sind Spieler wie Rafinha, Medhi Benatia und auch noch Neuzugang Douglas Costa, der zwar gute Aufstiegschancen hat, weil er so schnell läuft wie Franck Ribery in seinen besten Tagen und sehr ordentliche Flanken vors Tor zirkelt. Auf der nächsten Stufe tummeln sich Superstars im Wartestand, dazu gehören David Alaba und Mario Götze – oder Spieler, die schon einmal weiter oben waren wie Dante. Der zeigt manchmal das brasilianische 1:7-Syndrom im Strafraum, ist aber der unumstrittene Chef-DJ in der Kabine. Auf der höchsten Stufe sind die Super-Super-Super-Stars, die beim FC Bayern die größte Gruppe ausmachen. Arjen Robben, Philipp Lahm, Manuel Neuer, Robert Lewandowski und Thomas Müller, der bei den Fans Bastian Schweinsteiger als Fußball-Gott folgen könnte. Ach ja, und dann sind da noch die, die gerne Stars werden möchten. Etwa Joshua Kimmich, von dem Pep Guardiola in den höchsten Tönen schwärmt. Neulich hat sich der Bayern-Trainer seinetwegen sogar mit Nigel de Jong gestritten. Der alte niederländische Haudegen vom AC Mailand hatte Kimmich beim Vorbereitungsturnier in München etwas ungestüm gefoult, das 20-jährige Talent musste darauf verletzt ausgewechselt werden.

Wer hat das Sagen?

Auf und neben dem Platz gibt es viele Leitwölfe im Bayern-Rudel. In der Mannschaft war es zwar schon in den vergangenen Jahren so, aber die Hierarchie hatte auch deshalb funktioniert, weil die Chefs nicht den mittleren Angestellten die Drecksarbeit überließen, sondern selbst anpackten. Nun fehlt Bastian Schweinsteiger, der im Spiel das Zepter in die Hand nahm, außerhalb des Feldes aber gerne dem diplomatischen Kapitän Philipp Lahm die Bühne überließ. Vidal hat den Spitznamen „Krieger“ und versteht sich selbst als Feldherr. Ein Anführer, der Zeichen setzt und mitkämpft – der perfekte Nachfolger also? Vielleicht, aber die Platzhirsche werden das Revier sicher nicht auf Anhieb teilen oder gar räumen.

Was erwarten die Fans?

Nach zwei missratenen Saison-Endspurten möchten sie jetzt endlich mal wieder auch im Frühjahr guten Fußball sehen, hungrige Bayern, die sich nicht nach rekordverdächtig frühem Titelgewinn auf den gefühlten 50 Punkten Vorsprung ausruhen oder ausruhen müssen, weil eine ganze Elf verletzt ist. Die Fans wüssten zu würdigen, wenn wieder der Einzug ins Champions-League-Halbfinale gelänge – es wäre dann die vierte Teilnahme nacheinander und die sechste in sieben Jahren –, aber gerne dürfte es ein bisschen mehr sein. Eine Reise Ende Mai nach Mailand zum Beispiel. In San Siro findet in dieser Saison das Finale in der Champions League statt – wie 2001. Damals gewannen die Münchner den Titel.

Was ist in dieser Saison möglich?

Beim FC Bayern ist immer alles möglich, auf einem ganz hohen Niveau. Sich zwischendurch in der Abstiegszone zu bewegen, das überließen die Münchner der Konkurrenz aus Dortmund. Und auch zum Mittelmaß der Liga werden sie eine sehr respektable Distanz halten. „Wenn die Mannschaft hungrig ist und Energie hat, wird es keinen anderen Deutschen Meister geben“, verkündete Kapitän Lahm. Normalerweise bedarf es keiner großen Erwähnung, dass der Bundesliga-Titel Pflicht ist, aber dieses Mal wäre sogar die Meisterschaft etwas Besonderes – es wäre die vierte nacheinander, und das hat bisher noch nicht einmal der FC Bayern geschafft. Aber die nationale Herausforderung ist dem Branchenprimus nicht groß genug. Er will zum sechsten Mal Europas Thron erklimmen. Vielleicht die letzte Chance in dieser Ära – für den Klub und Pep Guardiola, den womöglich wahrscheinlich im nächsten Sommer scheidenden Trainer.

Und sonst?

Der FC Bayern denkt ja an fast alles. Sprachkurse für die Spieler, eine Ernährungsberaterin, die Speisepläne erstellt und erklärt, wie ungesund Kohlehydrate am Abend und übermäßiger Zuckerkonsum sind, mehrere Videoanalysten und eine große Scouting-Abteilung. Was den Bayern noch fehlt, ist ein eigenes Tattoo-Studio. Der Trend bei Fußballern geht ja schon seit längerem zur Ganzkörperbemalung, aber vielleicht entsprechen die Gemälde nicht immer ganz den Vorstellungen des Trainers, des Vereinschefs oder des Sportvorstands. Wenn sich ein Spieler ein neues Bild stechen lassen will, müsste der Tattoo-Beauftragte erst Rücksprache halten mit den Verantwortlichen, ehe er zur Nadel greift. Für Arturo Vidal kommt diese Idee zu spät – auf seinem Körper dürfte sich kaum noch eine unbemalte Stelle befinden.

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