Pep Guardiola beim FC Bayern München: Die Geschichte eines Missverstandenen
Die Lobeshymnen auf Pep Guardiola sind abgeklungen, obwohl der Spanier beim FC Bayern München weiterhin Historisches erreichen kann.
Die Geste kurz vor dem Ende war die eines zufriedenen, fast glücklichen Mannes. Der FC Bayern München hatte vergangenen Mittwoch ein Tor erzielte, das Siegtor gegen Real Madrid in einem Vorbereitungsturnier. Pep Guardiola, 44, drehte sich also nach dem 1:0 um, fixierte einen Punkt auf der Haupttribüne des Münchner Stadions und warf ein paar Küsschen nach oben. Er habe sich nur bei ein paar Freunden für ihre Unterstützung bedanken wollen. Pep Guardiola wunderte sich, dass dies die Journalisten mehr interessierte als das Spiel. Er runzelte die Stirn, schlug die Hände vors Gesicht, ganz offensichtlich hatte ihm die Frage nicht gefallen.
In den vergangenen Tagen und Wochen hat Pep Guardiola so manche Frage nicht gefallen. Das heißt, im Grunde war es nur eine Frage, die aber wurde immer und immer wieder gestellt. So oft, bis der Trainer entnervt verkündete, er werde sich dazu nicht mehr äußern. Es geht um Guardiolas Zukunft, nach dem Ende dieser Saison läuft sein Vertrag beim FC Bayern aus. Weil er strikt jedes Bekenntnis zum Verein vermeidet, haben die Spekulationen längst begonnen.
Geht er? Bleibt er? Die Frage beschäftigt, weil Guardiola die Person mit der größten Strahlkraft in der Fußball-Bundesliga ist. Seine Verpflichtung wurde Anfang 2013 als der spektakulärste Coup in der Geschichte des deutschen Fußballs gefeiert. Er, der mit dem FC Barcelona zuvor alles gewonnen hatte und der von allen großen und reichen Klubs dieser Welt umworben wurde, entschied sich für den FC Bayern. Für die Bundesliga. Für Deutschland. Von vielen Experten wurde das als Zeichen gewertet. Arsenals Trainerguru Arsene Wenger sagte damals: „Es scheint, als werde der Fußball der Zukunft in Deutschland gespielt.“
Pep Guardiola konnte die unrealistischen Anforderungen nicht erfüllen
Zweieinhalb Jahre später ist die Euphorie verschwunden. Guardiola ist in München vermenschlicht, er konnte die unrealistischen Anforderungen natürlich nicht erfüllen. Die Champions League sollte er gewinnen. Am besten jedes Jahr. Doch Guardiolas Bayern scheiterten deutlich an den Giganten seiner Heimat, Real Madrid und dem FC Barcelona. Gemessen an den Erwartungen erscheinen die zwei Meisterschaften und der eine Pokalsieg bieder.
Die Verantwortlichen des FC Bayern würden trotzdem gern mit ihrem Trainer verlängern. Sie sind von seiner Arbeit überzeugt, auch wenn die Tonlage zuletzt schärfer wurde. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sagte, es wäre kein Weltuntergang, wenn Guardiola nicht verlängert. Auch Sammer sprach davon, dass der Bayern dann „weiteratmen“ werde. Klubintern soll es ein Ultimatum bis Oktober geben. Noch habe er nicht entschieden, „was das Beste für den FC Bayern ist“, sagt Guardiola. Und vermutlich hat er auch noch nicht entschieden, was das Beste für ihn ist.
Der FC Bayern zehrt an Guardiola
Wer Pep Guardiola in diesen ersten Wochen der neuen Saison beobachtet hat, sieht einen hageren Mann mit ausgezehrtem Gesicht, genervt und gereizt, so wie damals, kurz vor dem Ende seiner Zeit in Barcelona. Der FC Bayern zehrt an ihm, saugt ihn aus, den Mann aus dem katalanischen Hinterland, dessen Geschichte in München allmählich die eines Missverstandenen wird. Einem Freund hat er anvertraut, wie sehr ihn die verbalen Einmischungen der ehemaligen Klubgrößen belasten. Paul Breitner, Lothar Matthäus, Oliver Kahn, Michael Ballack – die Liste ließe sich beliebig fortführen. Sie alle tun regelmäßig ihre Meinung öffentlich kund und üben Kritik.
Guardiola redet dagegen lieber über taktische Konzepte, verschiedene Systeme, Lauf- oder Passwege. Aber beim deutschen Rekordmeister dreht es sich darum eben viel zu selten. „Ich denke, das müssen wir verbessern“, sagt Guardiola. „Ich verstehe nicht, warum wir nicht über Fußball sprechen können.“ Aus Barcelona ist er das nicht gewohnt. Dort erhebt von den Ehemaligen nur Johan Cruyff das Wort und der ist ein enger Freund.
Manchester City soll 140 Millionen Euro Gehalt bieten
Unter Cruyff gehörte Guardiola einst zum „Dream Team“, Barcelonas Mannschaft der frühen neunziger Jahre. Mit dabei damals: Txiki Begiristain, heute Sportdirektor bei Manchester City. Begiristian war einst von den arabischen Besitzern mit dem Auftrag angeheuert worden, Guardiola nach England zu locken. Angeblich ist der Klub bereit, bis zu 140 Millionen Euro Gehalt für fünf Jahre zu zahlen. Der Sender BeIn Sports vermeldete schon, dass Guardiola einen Vorvertrag in England unterschrieben habe. Ein enger Bekannter, der Guardiola seit 25 Jahren kennt, dementiert. „Ein Vorvertrag existiert nicht. Pep hat meines Wissens nach nichts unterschrieben.“ Auch Guillem Balague, in London lebender Autor von Guardiolas Biografie und Kenner der Premier League, verneint eine Einigung zwischen dem Trainer und City. Dafür spricht, dass der Klub erst vor wenigen Tagen den Vertrag mit Trainer Manuel Pellegrini bis 2017 verlängerte.
Hat Guardiola schon abgesagt?
Manchester bleibt trotzdem ein mögliches Ziel. Bei Cities traditionsreichem Rivalen United hört Trainer Louis van Gaal 2017 auf. Guardiola könnte 2016 wieder ein Jahr pausieren und sich dann aussuchen, welchen Klub aus Manchester er trainiert. Ein erneutes Sabbatjahr erscheint als die logischste Variante.
In München würde sein Abschied vielen Fans wohl weniger wehtun als den Verantwortlichen. Sein auf Ballbesitz basierendes Positionsspiel gefällt nicht allen, und dann ist da noch die Kritik an Guardiolas Personalpolitik. Er hispanisiere den FC Bayern mit all den spanischen Spielern, lautet ein Vorwurf. Einige geben ihm die Schuld am Abschied der Klublegende Bastian Schweinsteiger, Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der eitle, aber weltweit geschätzte Doktor, verließ den FC Bayern auch aufgrund von Streitigkeiten mit Guardiola im April. Nach 38 Jahren. Auch im aktuellen Kader gibt es Spieler, für die sich Guardiolas Bewunderung in Grenzen hält. Thomas Müller und Mario Götze hätten wohl nichts gegen einen neuen Trainer ab kommender Saison.
Noch hat Guardiola aber ein paar Makel zu beheben in München. Er will die Champions League gewinnen und es damit den Kritikern beweisen, die ihm das mit dem FC Bayern nicht mehr zutrauen. Er will die Mannschaft zum vierten Meistertitel nacheinander führen, das war bisher noch keinem Verein in der Bundesliga gelungen. Er kann noch Historisches schaffen in München. Und es wäre ein perfekter Schlusspunkt.
Wer könnte die Nachfolge von Pep Guardiola übernehmen? Gladbachs Manager Max Eberl glaubt, dass Lucien Favre das Zeug dazu hat. Mehr im Video.
Sebastian Stier, Elisabeth Schlammerl