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Teure Aktion. Pitcher Zack Greinke von den Los Angeles Dodgers ist einer der Stars des Klubs und hat einen Sechs-Jahres-Vertrag über 147 Millionen Dollar.
© Imago/Joneleit

Big Four - die US-Sport-Kolumne: Baseball, die schönste Sportart der Welt

Warum Baseball in der MLB für Zuschauer die schönste Sportart der Welt ist: Ein Besuch im Stadion der Los Angeles Dodgers.

Zweites Inning. Es ist an der Zeit, den „Military Hero of the Game“ zu ehren. Auf der Anzeigetafel im Dodgers Stadium flackert das Konterfei von Sergeant Alexander Esquer, U.S. Marine Corps. 48 000 Menschen klatschen Beifall. Ganz normal im US-Profisport. Unvorstellbar, dass in der Pause einer Sportveranstaltung in Deutschland einem altgedienten Militär so eine Ehre zu Teil wird, da spielt schon die Geschichte nicht mit. Aber, wenn es so wie bei den Los Angeles Dodgers um Baseball geht, dann spielen die europäische Sitten ja sowieso nicht mit. Der Besuch eines Spiels der Major League Baseball (MLB) bei den Dodgers ist eine Offenbarung: Baseball ist der schönste Zuschauersport der Welt.

Vor ein paar Tagen war Mario Götze im Stadion von Los Angeles und hat auch mal einen Ball geworfen. Die Bühne war selbst für den deutschen Fußball-WM-Held von 2014 eine ganz große. Denn die Fußballbundesliga ist im Vergleich mit der MLB eine kleine Nummer. Zu den deutschen Kickern kamen in der vergangenen Saison knapp 14 Millionen Zuschauer, zu den Battern in der MLB satte 75 Millionen Besucher – absolut gesehen, allerdings verteilt auf weit mehr Spiele. Denn die 30 Klubs der Liga sind jeweils 162 Spiele in der Regular Season zwischen Anfang April und Anfang Oktober beschäftigt. Danach gibt es natürlich noch die Post-Season, die Play-offs.

Gleich wird er verkündet. Der Held vom Militär.
Gleich wird er verkündet. Der Held vom Militär.
© Claus Vetter

Anfang Juli ist die Entscheidung der Saison noch weit entfernt, die Los Angeles Dodgers haben sage und schreibe zehn Heimspiele in Folge. In zehn Tagen! Tickets pro Spiel gibt es ab 30 Dollar aufwärts, also gut 27 Euro – nach oben hin kostet die Karte dreistellig. Kein Problem in Kaliforniens Metropole. Aber die Zuschauerzahlen fluktuieren leicht. Je nachdem, was die Dodgers dem Fan noch in die Mütze hauen: Highlight der Zehn-Tag-Strecke ist das Promotion-Game am 8. Juli gegen die Philadelphia Phillies – als Zuschauergeschenk gibt es eine „Hello-Kitty-Puppe“.

Einen Tag zuvor gibt es nichts extra für die Fans, nur etwas auf die Kappen von den Phillies. Die Dodgers liegen schon früh zurück und kommen irgendwie nicht in Wallung. Kaum ist Alexander Esquers Antlitz von den Anzeigetafeln verschwunden, führt Philadelphia 4:0. Noch aber ist Zeit. Zeit ist immer beim Baseball. Dauert ja über drei Stunden so ein Spiel. Da kommen nicht alle pünktlich zur Nationalhymne vor Spielbeginn und die Klappsitze sind auch mehr als Angebot an die Zuschauer zu verstehen: Falls die mal die Stadionumläufe verlassen. Wem danach ist, seinen als „Dodger Dog“ feilgebotenen Hotdog oder sein „Bud Light“ (elf Dollar der Plastikbecher, aber maximal zwei Becher pro Nase auf einmal) im Sitzen zu verzehren, der kann das machen. Von dort aus lässt sich auch das Spiel verfolgen.

Hier zu haben. Die berühmten "Dodger Dogs".
Hier zu haben. Die berühmten "Dodger Dogs".
© Claus Vetter

Das Spiel kann die Hauptrolle spielen. Denn Baseball ist wie ein Dodger Dog: Frisch gekauft, lümmelt sich ein verbranntes Würstchen in einem labbrigen Brötchen – objektiv gesehen. Subjektiv lässt sich mit viel Relish, Senf und Soßen etwas Interessanteres daraus machen: Baseball ist eine Grundlage, die sich vom Zuschauer individuell gestalten lässt. Das Spiel bietet den Freiraum, sich physisch oder geistig mit etwas anderem zu beschäftigen. Essen oder wegdämmern. Anderseits – und das sind beim Spiel der Los Angeles Dodgers gegen die Philadelphia Phillies rund die Hälfte der Zuschauer – kann man auch intensiv das Spiel verfolgen, ja sogar daran teilnehmen. Viele Fans haben Fanghandschuhe mitgebracht, gegen Philadelphia macht schon früh ein verirrter Ball einen fangenden Zuschauer zum Helden für die anderen. Was ein Jubel. Fast genauso groß wie der Jubel, als den Dodgers ihr erster Homerun gelingt, aber ist ja auch nur das 1:6 im sechsten Inning.

Vorher. Nackter Dodger Dog...
Vorher. Nackter Dodger Dog...
© Claus Vetter

Es bleibt zumindest ein ästhetisch wertvolles Spiel. Infielder Justin Turner – roter Bart, wallendes Haupthaar – etwa ist ein Hingucker bei den Dodgers. Nur gelingt ihm auch nichts, dafür macht sich Turner seine weiße Hose nicht dreckig. Die lange Hose, sie ist ein ästhetisches Merkmal einer ästhetischen Sportart, die ohne Männer in diskutablen kurzen Hosen auskommt und wohl die schönsten, weil klassischsten Uniformen im Sport überhaupt hat. Und in den USA heißt es ja, alle intelligenten Sportarten würden mit der Hand gespielt. Schön und intelligent, mehr geht doch nicht. Doch! Romantisch! Es gibt diesen warmen Moment, in dem alle Menschen im Stadion der Dodgers stehen. „Take me out to the Ball Game“ – traditionell wird das Lied von 1908 beim Seventh-Inning-Stretch gespielt. Da singt jeder mit. Das versteht jeder.

Nachher... die individuell gestaltete Dodger Dog.
Nachher... die individuell gestaltete Dodger Dog.
© Claus Vetter

2:7, so endet der laue Mittwochabend im Dodgers Stadium für die Heimmannschaft. Alle, die noch da sind, ertragen es mit Fassung. Gestern hatten sie ja noch 10:7 gewonnen gegen die Phillies. Und morgen werden sie 6:0 gegen denselben Gegner gewinnen – mit „Kitty“. Die Menschen strömen auf den Riesenparkplatz, der in der Hauptstadt der Riesenparkplätze nur ein Parkplatz von normaler Größe ist. So wie Baseball von außen gesehen womöglich auch viel größer erscheint als in den USA selbst – wo der Kriegsheld des Spiels schon mit Spielende vergessen ist. 162 Spiele sind eben viel Zeit. Zum Hotdogs essen, „Bud Light“ trinken, zum Singen und zum Philosophieren.

- Der Besuch des Spiels bei den Dodgers fand während einer Pressereise statt, deren Kosten der EHC Eisbären übernommen hat.

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