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Lionel Messi war beim letzten Duell mit Liverpool schon dabei. 2007 scheiterte Barcelona im Achtelfinale an den Engländern (hier mit Alvaro Arbeloa).
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Kolumne Meine Champions: Barcelona – dort, wo für Liverpool alles begann

Der FC Liverpool ist im Duell mit dem FC Barcelona nicht unbedingt Favorit. Dass das nichts heißen muss, hat die Europapokalgeschichte mehrfach gezeigt.

Wieder mal nach Barcelona, um das Camp Nou zu erobern! Selige Erinnerungen beschwören sie in Liverpool, wie dieser Klub ja ohnehin lange Zeit in der Vergangenheit gelebt hat. Acht Europapokalsiege sind auf dem Briefkopf vermerkt, aber zuletzt hatte sich Patina über die Erfolge gelegt. Bis Jürgen Klopp an die Anfield Road kam und mit ihm der Erfolg zurückkehrte. Liverpool ist wieder wer, stand im vergangenen Jahr im Finale der Champions League und will diesen Erfolg 2019 wiederholen, mindestens. Dass dazu im Halbfinale der FC Barcelona ausgeschaltet werden muss, die wahrscheinlich beste Klub-Mannschaft der Welt – sei’s drum. Alles schon mal dagewesen. Zuletzt 2007, als im Achtelfinale Craig Bellamy und John Arne Riise zum 2:1-Sieg bei Barça trafen. Und bei der ersten Auflage dieses Klassikers überhaupt. 1976, als sich beide Klubs im Halbfinale des Uefa-Cups trafen und Liverpool zuerst auswärts antreten musste, wie auch an diesem Mittwoch.

Der FC Barcelona wird zu jener Zeit von Johan Cruyff angeführt, dem Genie aus Amsterdam, das sich so überhaupt nicht mit Hennes Weisweiler versteht. Als der deutsche Trainer seinen niederländischen Star einmal in Sevilla auswechselt, ist der Bruch nicht mehr zu kitten. Der Streit der beiden überlagert auch das Halbfinale auf der europäischen Bühne.

Liverpool steht daheim in der First Division vor dem Gewinn der Meisterschaft und feiert den erst 19-jährigen David Fairclough, der kurz vor der Abreise nach Barcelona zwei Tore gegen den FC Burnley erzielt hat. Alles rechnet damit, dass der Stürmer mit dem feuerroten Haarschopf auch im Camp Nou aufläuft, aber Bob Paisley hat andere Vorstellungen. Liverpools Trainer setzt auf die Wucht und Erfahrung des Walisers John Toshack.

Weil es in den Siebzigern noch kein Scouting und keine Gegnerbeobachtung nach heutigen Maßstäben gibt, ruft Paisley einfach einen Kollegen an. Jimmy Armfield hat im Jahr zuvor mit Leeds United den FC Barcelona aus dem Europapokal der Landesmeister geworfen und ist nur zu gern bereit, im Rahmen einer heute schwer vorstellbaren ligainternen Solidarität die Reds zu unterstützen. Sein Rat lautet: mutig mitspielen, bloß nicht zu passiv auftreten!

Hennes Weisweiler war im Hinspiel noch Trainer bei Barcelona - im Rückspiel schon nicht mehr

Genauso gestaltet der Gast vor 75 000 Zuschauern das Geschehen. Der FC Liverpool spielt schön und effizient zugleich, übrigens ganz in Weiß, was das Publikum auf unangenehmste Weise an den alten Lieblingsfeind Real Madrid erinnert. Schon nach einer Viertelstunde setzt sich der bullige Toshack im Strafraum durch und wuchtet den Ball mit dem rechten Fuß ins linke Eck zum siegbringenden 1:0 ins Tor.

Und Barcelona? Fällt nichts ein. Die Zuschauer werden immer ruhiger und dann noch einmal ganz laut, kurz vor Schluss, als sie in einem kollektiven Wutanfall Tausende von Sitzkissen auf den Rasen schleudern. Das hindert sie nicht daran, die Liverpooler Spieler mit Ovationen zu verabschieden. „Das war eine magische Nacht“, spricht der Torschütze Toshack. „Wenn ich irgendwann einmal zurücktrete, werde ich mich an dieses Tor als mein größtes überhaupt erinnern.“

Beim Rückspiel an der Anfield Road sitzt statt Hennes Weisweiler schon der neue Trainer Laureano Ruiz auf Barcelonas Bank. Liverpool reicht nach Phil Thompsons Führungstor ein 1:1 zum Einzug ins Finale, das dann gegen den FC Brügge gewonnen wird. Es ist die Geburtsstunde einer großen Mannschaft, die ein Jahr später den Pokal der Landesmeister gewinnt, mit einem 3:1-Sieg in Rom gegen Borussia Mönchengladbach. Aber das ist eine andere Geschichte.

Sven Goldmann schreibt immer dienstags in den Spielwochen der Champions League über Kicker, Klubs und Klassiker in Europas Fußball.

Sven Goldmann

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