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Tränen für Liga Zwei. Hamburgs Jann-Fiete Arp schafft mit Hamburg nicht den direkten Wiederaufstieg.
© Guido Kirchner/dpa

Der Hamburger SV verpasst den Wiederaufstieg: Aus einem Jahr werden zwei – mindestens

Der HSV bleibt zweitklassig. Eine schwache Saison endet mit der sportlichen Katastrophe und Chaos neben dem Platz. Nun werden Konsequenzen gefordert.

Es wird nicht bei einem Jahr bleiben. Als der Hamburger SV vergangene Saison aus der Ersten Liga abgestiegen ist, trösteten sich die Fans mit der Hoffnung auf einen direkten Wiederaufstieg. Vielleicht würde ein Jahr in der Zweiten Liga ja dafür sorgen, dass sich der Verein erneuert und gestärkt zurückkommt. Doch diesen Wunsch kann der HSV nicht erfüllen. Über die Saison bestimmten wieder einmal interne Machtkämpfe und Diskussionen außerhalb des Platzes das Geschehen im Fußballklub. Und seit der 1:4-Niederlage am Sonntag beim SC Paderborn ist klar, dass die miserable Saison in einer sportlichen Katastrophe endet. Den Aufstieg, das große und selbstverständliche Ziel, hat der HSV verpasst.

Das Spiel gegen den direkten Konkurrenten Paderborn war der Tiefpunkt einer sehr schwachen Hamburger Rückrunde. „In den entscheidenden Spielen haben wir uns mehr verpisst als gestellt. Wir haben jedes Mal versagt“, analysierte Kapitän Aaron Hunt. Und auch die Hamburger Vereinslegende Uwe Seeler meldete sich traurig zu Wort: „Natürlich bin ich sehr enttäuscht. Weiter 2. Liga ist für Hamburg nicht schön und für mich natürlich auch nicht“, sagte er der dpa.

Hannes Wolf ersetzte Christian Titz als Trainer

Dabei standen die Vorzeichen vor der ersten Zweitligasaison der Vereinsgeschichte für den HSV gut. Die Trauer über den Abstieg hatte sich im Sommer 2018 schnell in große Euphorie gewandelt: Der Klub verkündete einen neuen Mitgliederrekord, fast 25.000 Dauerkarten wurden verkauft, Spieler wie Gotoku Sakai, Lewis Holtby und Hunt erklärten, sich auf die Zweite Liga einzulassen. Doch im ersten Spiel verlor der HSV 0:3 gegen Kiel.

Am zehnten Spieltag entließ Sportchef Ralf Becker den damaligen Trainer Christian Titz. Eine bemerkenswerte Entscheidung, denn Hamburg lag zu dem Zeitpunkt zwar auf Platz fünf, hatte aber nur zwei Punkte Rückstand auf den Tabellenführer Köln. Titz, der als Nachwuchstrainer zum Chefcoach befördert wurde, war vor allem bei den vielen jungen Spielern beliebt. Sturmtalent Jann-Fiete Arp kommentierte die Entlassung auf Instagram mit wütenden Emojis. Später löschte Arp den Post.

Weniger beliebt war Titz bei Becker, der vor allem eine spielerische Entwicklung vermisste und sich über die heftigen Heimniederlagen wie das 0:5 gegen Regensburg ärgerte. "Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass wir ein erhöhtes Risiko sehen, dass wir unser Saisonziel verfehlen werden“, sagte Becker. Dieses Risiko sollte Hannes Wolf minimieren, den die Hamburger im Oktober als Nachfolger vorstellten.

Im Fokus der Kritik. Hamburgs Trainer Hannes Wolf ist erst seit Oktober im Amt.
Im Fokus der Kritik. Hamburgs Trainer Hannes Wolf ist erst seit Oktober im Amt.
© Friso Gentsch/dpa

Kurzzeitig sah es so aus, als hätte Becker Erfolg mit seiner mutigen Wahl. Der HSV wurde Herbstmeister und gewann im März mit 4:0 das Derby gegen den FC St. Pauli. Was dann folgte, ist schwierig zu erklären. Keines der nächsten acht Spiele konnten die Hamburger gewinnen. „Wir haben eine katastrophale Rückrunde gespielt und sind völlig verdient nicht aufgestiegen", sagte Kapitän Hunt.

An der Qualität des Kaders kann es nicht gelegen haben. Wenn man nur auf die Namen blickt, kann einzig der 1. FC Köln mit den Hamburgern konkurrieren – genauso wie beim Etat des HSV, der bei etwa 29 Millionen Euro liegt. Hamburg setzte auf viele junge Talente wie Rick van Drongelen, Bakary Jatta oder Vasilije Janjicic, aber hatte mit Spielern wie Pierre-Michel Lasogga, Douglas Santos oder eben Hunt, Holtby und Sakai genug Erfahrung in der Mannschaft.

Einmal zeigten die Hamburger ihr Können sogar noch, im DFB-Pokal-Halbfinale gegen RB Leipzig kämpften sie ehrenvoll und durften zumindest ein paar Minuten lang von einer Überraschung träumen. Doch ansonsten riefen sie ihr Potenzial viel zu selten ab.

Wohl bitterer als der Abstieg. Hamburgs Spieler stellen sich nach dem Spiel den Fans.
Wohl bitterer als der Abstieg. Hamburgs Spieler stellen sich nach dem Spiel den Fans.
© Wolfgang Rattay/REUTERS

Auch weil Trainer Hannes Wolf fast jedes Spiel seine Startelf umstellte und Spieler nach guten Leistungen am nächsten Wochenende wieder auf der Bank saßen. Ein funktionierendes Offensiv-Konzept sucht man beim HSV vergeblich, gegen Absteiger Magdeburg wurde beispielsweise mit einer Fünferkette verteidigt. Schließlich gewann Magdeburg mit 2:1.

Arp und Holtby werden Hamburg verlassen

Hinzu kam die Aufregung um Lewis Holtby im Saisonendspurt. Der Vize-Kapitän weigerte sich, zum Auswärtsspiel gegen den 1. FC Union mitzufahren, weil er nur auf der Ersatzbank sitzen sollte. Der Verein suspendierte gezwungenermaßen den Fan-Liebling, der nebenbei noch immer ein guter Fußballer ist. Dass Becker sich dazu entschied, diese internen Streitigkeiten an die Presse weiterzugeben, gibt Hinweise auf die Arbeitskultur im Klub.

Immerhin Holtby wird in der kommenden Saison nicht mehr für Unruhe sorgen können. Er verlässt wie viele andere Spieler den Verein: Arp wird nach einer von Verletzungen und schlechten Leistungen geprägten Saison zum FC Bayern München wechseln, Orel Mangala, Hee-chan Hwang und wahrscheinlich Douglas Santos sind nach dem Saisonende weg.

Die Voraussetzungen für den Wiederaufstieg werden für den HSV auch finanziell nicht besser, der Etat wird deutlich sinken. Was muss sich jetzt beim Hamburger SV ändern? Felix Magath, der frühere Spieler und Trainer des HSV, fordert personelle Konsequenzen. „Es sind beim HSV viele falsche Entscheidungen getroffen worden. Wer übernimmt jetzt die Verantwortung?“, schrieb er auf Facebook.

Vorwärts, HSV. Die Fans des Hamburger SV sind noch immer erstklassig.
Vorwärts, HSV. Die Fans des Hamburger SV sind noch immer erstklassig.
© Wolfgang Rattay/REUTERS

Wahrscheinlich ist, dass Trainer Wolf als erstes in die Verantwortung genommen und entlassen wird. Doch die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es in Hamburg nicht bei einem Trainerwechsel bleiben muss. Sportchef Becker kündigte schon mal vorsorglich eine „knallharte Analyse“ an. Auch Investor Klaus Michael Kühne hat sich bereits zu Wort gemeldet. Er hätte der Vereinsführung bereits im Februar einen Trainerwechsel nahelegt, sagte der Milliardär am Montag und beklagte „fehlende Handlungsbereitschaft in den Führungsgremien des HSV. Er fordert einen „Neuanfang mit vielen frischen, engagierten Spielern“. Der 81-jährige Kühne dürfte auch in der kommenden Saison eine wichtige Rolle im Hamburger Fußballkosmos spielen.

Das Vorhaben, den seit Jahren kriselnden Klub in der Zweiten Liga zu erneuern und dann wieder in der Bundesliga zu etablieren, ist zumindest vorerst gescheitert. Nächste Saison können es die Hamburger erneut versuchen. Ob die Fans aber vor Saisonbeginn wieder eine solche Euphorie entfachen wie im vergangenen Jahr, darf zumindest bezweifelt werden.

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