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Besser als die Besten: Marcel Hirscher aus Österreich.
© dpa

Marcel Hirscher: Aus der Holzhütte zum besten Skifahrer aller Zeiten

Der Österreicher Marcel Hirscher wuchs unter ärmlichen Bedingungen auf - und wurde ein ganz Großer. Er selbst führt das vor allem auf seinen Vater zurück.

Den Namen gibt Marcel Hirscher einfach nicht preis. Im Oktober ist er Vater geworden, doch wie sein Sohn heißt, verschweigt er beharrlich. Fest steht nur, dass er nicht Ferdinand heißt – wie Marcel Hirschers Vater. Dabei wäre das gar nicht so abwegig, schließlich bekannte er in einem kürzlich erschienenen Magazin, das sich auf 138 Seiten allein mit dem österreichischen Skirennfahrer beschäftigt, dass sein Papa Ferdinand der Vater seines Erfolges ist.

Marcel Hirscher ist erst 29 Jahre alt und hat seinen Sport schon enorm geprägt. Europas Sportler des Jahres 2018, zu dem ihn die Nationalen Olympischen Komitees gewählt haben, ist Doppel-Olympiasieger, er hat als erster Alpiner siebenmal nacheinander den Gesamtweltcup gewonnen – und nach seinem 63. Weltcupsieg am vergangenen Donnerstag hat er auch Annemarie Moser-Pröll, die den Titel Österreichs Sportlerin des Jahrhunderts trägt, überflügelt und nun so viele Rennen gewonnen wie kein anderer Österreicher.

Und seine Rekordjagd ist noch lange nicht vorbei. Daran hat vor allem Hirscher senior seinen Anteil. Noch heute testet Ferdinand Hirscher jedes der jährlich bis zu 250 exklusiv für seinen Sohn angefertigten Paar Rennskier selbst. Marcel Hirscher vertraut ihm blind. Weil die Materialabstimmung schon eine ähnlich große Rolle spiele wie in der Formel 1, behauptet Marcel Hirscher. „Weil der Marcel und ich das gleiche G’fühl in den Zehen haben“, sagt Ferdinand Hirscher, der noch Landescup-Rennen gegen Österreichs andere Skilegende Hermann Maier gefahren war.

Hauptberuflich war Hirscher senior Lastwagenfahrer, Holzfäller in der Schweiz, Skilehrer in niederländischen Skihallen und 15 Jahre Hüttenwirt – auf 1500 Metern mit dem Dachsteinmassiv im Hintergrund. 15 Sommer verbrachte Marcel Hirscher als Kind auf der Stuhlalm im Salzburger Land. In einem engen Holzhaus, in dem es weder künstliche Beleuchtung noch Warmwasser gab.

Der schnauzbärtige Ferdinand Hirscher, den sein Sohn stets den „Ferdl“ nennt, wirkt mit seinem Seehund-Look unnahbar. Doch der Eindruck täuscht, in Wahrheit ist er ein bescheidener – wie man in den Alpen zu sagen pflegt – grader Michl. Und seine Hilfsbereitschaft hat Ferdinand Hirscher letztlich zum Familienglück verholfen.

Mehr Weltcup-Siege als die Jahrhundertsportlerin

Als eine zierliche junge Frau mit ihrem Auto im Lammertaler Winter stecken geblieben war, spielte Ferdinand Hirscher den Schneekavalier. Seither sind Ferdinand und die aus Den Haag stammende Sylvia ein Herz und eine Seele. Weshalb der weltbeste Skifahrer in Wahrheit ein halber Flachländer, ein rasender Holländer ist.

Ein Allrounder ist Marcel Hirscher zwar nicht. Dem Slalom-Genie gelang allerdings immerhin einer seiner Weltcuperfolge in einem Hochgeschwindigkeitswettbewerb: im Super-G. Und obwohl er auch in der olympischen Kombi-Abfahrt 2018 in Pyeongchang Courage bewies und damit die Basis für seine Goldmedaille im Vielseitigkeitswettbewerb legte, gesteht Hirscher: „Ohne spezielles Training hab ich vor der Abfahrt Angst.“ Daher reduziert er seine Abfahrtstarts auf ein Minimum.

Hirscher kann gönnen. Anders als Hermann Maier, der Rennniederlagen nie auf die Stärke des Siegers, sondern auf eigene Fehler oder Materialpannen zurückführte, würdigt Hirscher stets seine (wenigen) Bezwinger. Letztere wissen Hirscher auch deshalb zu schätzen. Zudem fliegen der Norweger Henrik Kristoffersen, der Franzose Alexis Pinturault und Hirscher meist gemeinsam mit dem Privatjet ihres Gönners Dietrich Mateschitz zu den Rennen. Maier hingegen fühlte sich um die Jahrtausendwende selbst im österreichischen Alpinteam isoliert.

Doch den ehemaligen Salzburger Hotelfachschüler Hirscher und den 17 Jahre älteren ehemaligen Salzburger Maurer Maier verbindet auch einiges. Beide strotzen vor Schlagfertigkeit. Beide sind eine Fundgrube für Medienvertreter.

So reiste Hirscher für das ihm gewidmete Hochglanz-Magazin mit einem Redaktionsteam 4337 Kilometer durch die Alpen. Er ließ sich in allen Lebenslagen und an allen seinen Lieblingsplätzen fotografieren. Er ließ jeden seiner auf 173 Zentimeter Körpergröße verteilten Muskel vermessen. Er rechnet vor, dass er auf dem Weg zu seinen sieben großen Weltcup-Trophäen und seinen zehn kleinen Weltcup-Kristallkugeln (für die Disziplinenwertung) insgesamt 118 576 Höhenmeter zurückgelegt hat. Er spricht, wie schon erwähnt, natürlich über seinen Vater Ferdinand. Er verrät auch, dass er zu seiner Frau Laura aufschaue (nicht nur weil die ihn um sieben Zentimeter überragt).

Aber eine klassische Homestory mit Kind lässt der sonst so kommunikative Marcel Hirscher eben nicht zu.

Wolfgang Winheim

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