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Auf Jahre hin unbesiegbar. Franz Beckenbauer reckt den WM-Pokal 1990 in Frankfurt in die Höhe.
© dpa

Die Geschichte der deutschen Titelempfänge: Aus dem Hintergrund müsste Kohl winken

Über 400 000 Menschen heißen Deutschlands Weltmeister-Mannschaft am Dienstag in Berlin Willkommen. Gab es solche Empfänge immer schon? Ein Blick zurück auf die vorigen drei Titel-Feiern.

Klaus Wowereit schüttelte direkt vor dem Tor, allerdings zwei Tage nach dem Finalsieg die Hände der Weltmeister 2014. Einer seiner Vorgänger als Regierender Bürgermeister von Berlin, Walther Schreiber von der CDU, wusste sich 60 Jahre zuvor noch auf anderem Weg zu behelfen. Seine Glückwünsche telegrafierte er sofort nach dem Spiel nach Spiez, wo die Weltmeister von 1954 den Geist für den Turniersieg beschworen hatten. Der Siegeszug danach führte die Mannschaft um Kapitän Fritz Walter in der Eisenbahn allerdings zunächst nach Lindau, dann nach München. Auf den vielen Stationen Schaffhausen, Singen oder Konstanz kamen die Durchsagen nicht gegen die Gesänge der Zuschauer an. Insgesamt soll es einen Spalier mit fast einer Million Anhänger an der Strecke gegeben haben. Der Empfang in München verschob sich daher in den Abend.

20 Jahre später bekamen die deutschen Fans in München ihre Spieler schneller zu Gesicht, fand doch das WM-Finale 1974 sowieso schon in der bayrischen Landeshauptstadt statt. Nach dem 2:1 gegen die Niederlande berichtete der „Tagesspiegel“ darüber, wie das Hofbräuhaus in München geschlossen werden musste, sozusagen ein Vorläufer der heutigen Fanmeile. Auch die Zeilen von damals passen dieser Tage: „Wer einmal drin war, der wankte und wich nicht mehr.“ Die Politiker verschwendeten bei der Feier nicht allzu viel Mühe darauf, eine patriotische Fußballleidenschaft vorzutäuschen. „Ich gucke gern, bin aber nicht fanatisch“, sagte Kanzler Helmut Schmidt und deutete an, dass er in der ersten Halbzeit gar den Holländern die Daumen gedrückt hatte.

Überbordende Euphorie war auch bei den Spielern, wenngleich nur auf den zweiten Blick auszumachen. Sie wollten eigentlich schnellstmöglich in den Urlaub, zeigten sich aber noch vor 20 000 Zuschauern in Frankfurt, wo der DFB bis heute residiert. Finaltorschütze Gerd Müller machte sich flugs rar, weil er mit Gattin Uschi direkt in den Urlaub nach Sardinien startete. Die anderen Nationalspieler suchten ebenso das Weite in der Sonne, allein Georg „Katsche“ Schwarzenbeck blieb sich treu und steuerte ein Urlaubsdomizil an der Nordsee an. Frankfurt blieb als Austragungsort der heimischen Siegesfeier umstritten.

Nach dem Titel 1990 in Rom beharrte Bayerns Ministerpräsident Max Streibl auf einer Feier in München. Helmut Kohl soll damals allerdings gegen die bayrische und Streiblsche Empfänglichkeit votiert haben, weil dem Kanzler Frankfurt besser in den Plan passte. Die Frankfurter dankten es ihm nicht, sondern pfiffen Kohl aus. Sie ließen am Römer stattdessen Franz Beckenbauer und Uwe Bein hochleben. Letzterer verkündete beim Empfang seinen Verbleib bei der Eintracht. Im Vergleich zu den heutigen Weltmeistern erreichten die Deutschen den Flughafen nicht mit dem „Siegerflieger“, sondern mit der Luftwaffe. Das Team zeigte sich stilsicher und geschlossen in Jacketts, Franz Beckenbauer jubelte mit einem Blumenstrauß in der Hand. Einer der gefeierten Helden war Guido Buchwald, den die Fans mit „Diego, Diego“- Sprechchören in Anlehnung an seine Finalleistung gegen Maradona bedachten. Der Ruf etablierte sich in den Fankurven und hatte ähnliches Hitpotenzial wie Julian Draxlers aktuelle Hommage an seinen Mitspieler: „Großkreutz, rück den Döner raus.“

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