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In Schräglage. In den Kurven kommen sich die Fahrer sehr nah. Immer wieder kommt es dabei zu Unfällen – auch am Wochenende in Berlin.  
© Imago/Speedddpix

Eisspeedway in Berlin: Auf dem Eis nicht zu halten

Beim WM-Lauf in Wilmersdorf riskieren die Eisspeedway-Fahrer in jeder Kurve alles. Die Zuschauer schwanken zwischen Erstaunen und Angst.

Bremsen gibt es nicht, nur das Gaspedal. Und das nutzen die Fahrer exzessiv beim Eisspeedway-WM-Lauf, der am Wochenende im Horst-Dohm-Stadion in Wilmersdorf ausgetragen wurde. Mit ihren selbstgebauten Motorrädern rasen sie übers Eis und riskieren praktisch in jeder Kurve alles – bei Geschwindigkeiten von bis zu 130 Kilometern pro Stunde. Halt bieten dabei einzig die rund 350 drei Zentimeter langen Spikes, die sich in das Eis bohren. Für die rund 3500 Zuschauer im vollen Eis-Oval ist das ein Riesenspektakel, zumal sie bei der diesjährigen Ausgabe der traditionellen Veranstaltung nicht frieren müssen.

Bis zu 17 Grad sind es am Wochenende, was das Eis, das diese Veranstaltung so besonders macht, zum Schmelzen bringt. Doch die entstandene Wasserschicht macht den Fahrern nichts aus. Im Gegenteil, so greifen die Spikes noch besser, die Fahrer können sich tiefer in die Kurven legen und schneller wieder Gas geben.

Beim Start brettern sie nebeneinander los, die Motoren heulen laut auf und die Vorderräder verlieren bei der Beschleunigung die Bodenhaftung. Doch das wirklich Spektakuläre sind die Kurven, da geraten die Motorradfahrer aneinander, liegen nahezu parallel zum Boden. Der Kopf befindet sich nur knapp 15 Zentimeter über dem Eis. Stürze lassen sich da kaum vermeiden.

Und so schwankt das Berliner Publikum zwischen Begeisterung über die waghalsigen Manöver und Besorgnis. Um die gesamte Bahn sind Strohballen platziert, um Rad und Fahrer bei Stürzen abzufangen. Gleich im ersten Rennen am Samstag erwischt es Ove Ledström in der zweiten Kurve. Dem Schweden bricht das Motorrad aus und er kracht in die Barrikaden. Das ganze Stadion hält den Atem an, doch schnell gibt es Entwarnung, er steht gleich wieder auf.

Die Motoren machen einen ohrenbetäubenden Lärm

Trotz oder vielleicht wegen dieser Momente des Schreckens kommen viele Fans, um sich das Spektakel anzuschauen. Auch bei Familien mit Kindern ist das Event sehr beliebt. „Wie die sich in die Kurven legen, ist unglaublich“, sagt die zwölfjährige Nele. Schwester Lisa, die zum ersten Mal da ist, fügt hinzu: „Nächstes Jahr sind wir auf jeden Fall wieder mit dabei.“

Die Zuschauer sind bei dem Spektakel mittendrin. Das Eis, das von den Reifen hochgeschleudert wird, fliegt bis auf die Ränge und die Motoren machen einen ohrenbetäubenden Lärm. Adrenalinschübe sind nicht nur bei den Fahrern garantiert. Viele treue Fans reisen zu jedem Grand Prix, von Holland nach Deutschland, sogar den weiten Weg nach Russland. „Eisspeedway ist wie eine große Familie“, beschreibt ein Fan die Szene.

Zwar bekommen die deutschen Fahrer den lautesten Beifall, aber gute Manöver werden von den Zuschauern honoriert. Einheimische Fahrer sind auf dem Eis zahlreich vertreten, sportlich dominiert aber Russland. In den beiden WM-Läufen am Samstag und Sonntag setzt sich Dimitri Koltakow durch, der auch Gesamtführender der WM ist.

Das letzte Highlight des Tages ist ein Feuerwerk, das den Himmel über Wilmersdorf erleuchtet. Die verbliebenen Zuschauer blicken nach oben, ab und an geht ein Raunen durch die Menge. Das Krachen der Feuerwerkskörper ist nach drei Stunden dröhnender Motoren fast entspannend. Dann kehrt wieder Ruhe ein in der beschaulichen Umgebung – bis die Motoren beim Eisspeedway das nächste Mal aufheulen.

Philipp Höppner

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