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Alt und gut. Luis Scola (r.) überzeugt mit seiner Erfahrung.
© AFP

Überraschungsteam der Basketball-WM: Argentinien spielt mit Stolz und Einsatz

Dass die Argentinier überhaupt ins Halbfinale der Basketball-WM eingezogen sind, war für viele überraschend. Dabei ist sogar noch mehr möglich.

Nachdem sich die Argentinier unter die besten vier Teams der Basketball-Weltmeisterschaft gespielt hatten, gab es in der Umkleidekabine kein Halten mehr. Die zwölf Spieler samt Betreuer sangen ihre Lieder und feierten extrem ausgelassen. Sogar eine leere Mülltonne flog vor lauter Freude quer durch den Raum, während Center Tayavek Gallizzi einen Flachbildfernsehr gerade so in Sicherheit bringen konnte.

Nicht erst beim überzeugenden 97:87-Sieg über die Serben, die dank ihrer Star-Spieler Nikola Jokic und Bogdan Bogdanovic für viele Experten als Favorit auf den Gewinn der WM galten, bewiesen die Südamerikaner, dass diese Mischung aus losgelöster Extravaganz und Ordnung auch auf dem Basketballfeld gefährlich für jeden Gegner sein kann.

Alle ihre fünf WM-Spiele konnten die Argentinier bisher gewinnen. Auf dem Feld finden sie die richtige Mischung aus Disziplin und Kreativität. Ihr Spiel ist geprägt von frechen Dreiern und dem Mut zum riskanten Anspiel im richtigen Moment, von der Umsetzung der taktischen Vorgaben und dem eiskalten Ausnutzen spielerischer Vorteile. Sie leben von ihrer mannschaftlichen Geschlossenheit, einem unermüdlichen Einsatz und dem Stolz, mit dem sie spielen. So können die Argentinier schon jetzt ihre beste WM-Platzierung seit 2006 verbuchen. Im Halbfinale am Freitag (14 Uhr, live bei Magentasport) gegen die Franzosen, die überraschend Titelverteidiger USA geschlagen haben, ist nun sogar noch mehr möglich.

Getragen wird das Kollektiv dabei vor allem von Spielmacher Facundo Campazzo von Real Madrid und dem langjährigen NBA-Center Luis Scola, der mittlerweile im WM-Land China aktiv ist. Campazzo ist der Mann für die besonderen spielerischen Momente. Der nur 1,79 Meter große Aufbauspieler schüttelt in erstaunlich hoher Frequenz spektakuläre und effektive Anspiele aus dem Ärmel und findet immer wieder die richtige Mischung aus Abspiel und eigenem Korbabschluss. „Er hat das Spiel absolut dominiert. Das ist sein Sieg“, sagte Serbiens Trainer Sasa Djordjevic über Campazzo. Der sagte nach dem Viertelfinale: „Unser erstes Ziel war es, ins Halbfinale einzuziehen. Wir wussten, dass wir gut genug dafür sind.“

Der mittlerweile 39-jährige Scola war dagegen noch nie ein Spieler, der für außergewöhnliche Highlights sorgte, dafür aber die Grundlagen des Basketballs wie Fußarbeit, Stellungsspiel und Durchsetzungsvermögen auf höchstem Niveau beherrscht und diese Fähigkeiten im Alter immer weiter verfeinerte. Nach einem Sieg in der Vorrunde gegen Venezuela witzelte Scola bereits: „Von welchem Alter reden Sie? Ich bin doch erst 28, oder?“

Überraschung? Von wegen!

Von einem Überraschungssieg über Serbien wollte Scola nichts hören. Er sagte „nba.com“ zufolge: „Es nervt mich, wenn dieser Sieg als Überraschung oder gar als Wunder dargestellt wird. Glauben Sie mir: Wir alle haben fest daran geglaubt, dass wir es hierher schaffen würden. Das ist kein Wunder.“ Eine Aussage, die exemplarisch für das enorme Selbstbewusstsein der Argentinier steht – und das auch im Halbfinale wichtig wird.

Denn auch gegen Frankreich gelten die Argentinier als Außenseiter. Dass eine weitere Überraschung möglich ist, daran glauben sie selbst am meisten. Wie groß die Freude bei einem Finaleinzug sein würde, mag man sich kaum vorstellen. Wer weiß, welche Gegenstände dann durch die Kabine fliegen würden.

Louis Richter

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