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Hamburgs Rafael van der Vaart jubelt nach Spielende den Fans zu.
© Marcus Brandt/dpa

Kolumne: Ein Stück vom Leben: Arena der Männlichkeit

Fußball ist noch immer ein Lobgesang auf die gestählte, heterosexuelle Maskulinität. Ein Problem, das oft schon im Dorfverein beginnt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hannes Soltau

Lothar Matthäus ist ein echter Fußballer. Lothar Matthäus ist ein echter Mann. Wenn Lothar Matthäus über Lothar Matthäus spricht, sagt er Dinge wie: „Ein Lothar Matthäus lässt sich nicht von seinem Körper besiegen, ein Lothar Matthäus entscheidet selbst über sein Schicksal.“ Natürlich fühlt sich der Rekordnationalspieler dazu genötigt, seinen Kollegen Per Mertesacker die Vorbildfunktion abzusprechen, weil dieser über die brutale körperliche und mentale Belastung im Profifußball spricht.

„Lieber Jogi Löw, machen Sie aus den wunderbaren Spielern keine Weicheier! Keine Jungs, die weinen“, schrieb die Vorurteilsschleuder der Bild-Zeitung Franz Josef Wagner einst. Der Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff empörte sich darüber, dass in einem „Tatort“ über homosexuelle Nationalspieler spekuliert wurde. Nein, Fußball, das ist immer noch der Lobgesang auf den gestählten, heterosexuellen Männerkörper. Das Zähnezusammenbeißen eines blutenden Bastian Schweinsteigers im WM-Finale 2014. Die kraftmeierische Formel des dreimaligen Welttorhüters Oliver Kahn: „Eier, wir brauchen Eier!“

Letztes Reservat maskuliner Identitätsbildung

Doch was da auf der internationalen Fußballbühne erblüht, keimt bereits im Dorfverein. Als Kind hatte ich vor dem wöchentlichen Fußballtraining Reitunterricht. Als der Trainer das spitzbekam, nannte er mich fortan „unser kleines Mädchen“. Statt auf Reitturnieren verbrachte ich meine Samstage also wieder „wie richtige Männer“ auf dem Sportplatz. Von der Ersatzbank konnte ich verfolgen, wie die Väter der Mitspieler das Gift des Maskulinismus über den Platz versprühten. Wie Choleriker und Phrasendrescher ihre Söhne für Fehler auf dem Spielfeld beschimpften, nach verlorenen Spielen missachteten, sie als Memmen und Schlappschwänze schmähten.

„Arena der Männlichkeit“, nennt das die Politikwissenschaftlerin Eva Kreisky. Der Fußballplatz als eines der letzten Reservate maskuliner Identitätsbildung. Der DFB startete in der Vergangenheit wiederholt Kampagnen gegen Fremdenfeindlichkeit und Neonazismus. Wann aber folgt endlich ein Zeichen gegen reaktionäre Männlichkeitsbilder? Übrigens: Mit 17 Jahren versuchte ich es dann noch mal mit dem Fußballspielen in der Mannschaft des Nachbardorfes. Mein Comeback endete kurz vor der jährlichen Vereinsfahrt. Besonderer Programmpunkt zur Stärkung des Teamgeistes: Ein gemeinsamer Bordellbesuch – echte Männer eben.

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