Deutschland gegen Italien: Antonio Conte: Lieber Chelsea als Nationalteam
Antonio Conte hat Italiens Team neu aufgebaut – nach der EM in Frankreich hört er aber trotzdem auf. Denn es lockt die Premier League.
Um den jungen Antonio Conte zu bekommen, musste der Fußballklub US Lecce einst ordentlich draufpacken. Die 150.000 Lira, umgerechnet 75 Euro, waren Contes Jugendverein nicht mehr genug, als der Wechsel immer näher rückte. Für ein Talent solchen Kalibers wurden zusätzlich noch acht Fußbälle veranschlagt. Nagelneue, versteht sich.
Das ist über 30 Jahre her, Conte legte in dieser Zeit eine mehr als passable Karriere hin, zuerst als Spieler, dann als Trainer. Als Verantwortlicher von Juventus Turin und Italiens Fußball-Nationalmannschaft hat er sich einen derart guten Ruf in der Branche erworben, dass sein Marktwert inzwischen weit über dem von acht Fußbällen liegt.
Daran hat auch sein Mitwissen an Spielmanipulationen und die spätere Verurteilung durch den italienischen Verband nichts geändert. Es heißt, Chelseas noch immer schwerreicher Eigentümer Roman Abramowitsch sei bereit, Conte für ein Jahresgehalt zwischen 15 und 20 Millionen Euro nach London zu locken, und genau so heißt es, Conte sei bereit, sich locken zu lassen. Sprich, Antonio Conte wird zur kommenden Saison Trainer des FC Chelsea.
Weil die Bestätigung aber noch aussteht, ist Contes Zukunft vor dem Länderspiel am Dienstag gegen Deutschland das beherrschende Thema rund um Italiens Auswahl. Conte schweigt, nur dass er nach der Europameisterschaft als Trainer der Nationalmannschaft aufhört, steht fest. Ein Novum, ist doch noch kein Trainer Italiens mit der Gewissheit in ein großes Turnier gegangen, dass anschließend für ihn Schluss sein wird. Contes Ankündigung versetzte die Fußball-Nation in Aufregung und natürlich behaupteten einige, der Trainer hätte sich damit zur lahmen Ente gemacht.
Sollte die Mannschaft gegen Deutschland ihre aktuelle Form bestätigen, ist das Gegenteil der Fall. Contes Spieler zeigten sich von den Diskussionen um ihren Trainer nicht beeindruckt und boten vor wenigen Tagen gegen Spanien ihre beste Leistung seit Langem. Das 1:1 schmeichelte dem Europameister, Italien spielte aggressiv, betrieb einen hohen Laufaufwand und überraschte mit seltener Spielfreude. „Was für ein Italien!“, schwärmte der „Corriere dello Sport“: „Ausgezeichnete Signale mit Blick auf die EM.“
In der Qualifikation kämpften sich die Italiener zur EM
So viel Euphorie hatte die Nazionale seit der EM vor vier Jahren nicht mehr versprüht. Die Qualifikation für Frankreich gelang zwar letztendlich souverän, nur waren die Spiele meist mehr Krampf als Spiel. Selbst gegen den Fußball-Zwerg Malta quälten sich die Italiener nur zu zwei 1:0-Siegen. Italien blieb sich auch unter Conte treu und tat nie mehr als nötig.
Mit Blick auf die EM dürfte seine Mannschaft aber zu den Mitfavoriten zählen. Conte setzt auf ein geschlossenes Team, für Egoisten und Störenfriede ist kein Platz – Mario Balotelli zählt schon länger nicht mehr zum Aufgebot. „Der Mannschaftsgedanke steht bei mir über allem“, sagt Conte. Seit seiner Amtsübernahme nach der WM 2014 hat er die Auswahl verändert, Italien verfügt nun über eine gute Mischung aus Erfahrung und Talent. Da sind die Alten um Torhüter Gianluigi Buffon, Andrea Barzagli und Thiago Motta, die Unterstützung erhalten von so Hochveranlagten wie Lorenzo Insigne, Mattia De Sciglio, Marco Verratti oder Federico Bernardeschi. Das Gerüst bildet eine Gruppe von Spielern Ende Zwanzig, Anfang Dreißig, namentlich Riccardo Montolivo, Leonardo Bonucci oder Giorgio Chiellini.
Nicht ausgeschlossen, dass sie zur EM noch prominente Verstärkung erhalten. Conte will ein Comeback des Mittelfeldstrategen Andrea Pirlo nicht ausschließen, der inzwischen in New York dem Karriereende entgegen spielt. „Noch sind zwei Monate Zeit, ich denke darüber nach“, sagte er jüngst. Conte will sich noch entscheiden. Was seine eigene Zukunft angeht, scheint er das bereits in Richtung London getan zu haben.
Folgen Sie der Sportredaktion auf Twitter: