Nach Dreierpack gegen Hertha BSC: Anthony Modeste: Der Meister des ersten Kontaktes
Kölns Stürmer Anthony Modeste machte gegen Hertha den Unterschied aus. Dank ihres überragenden Torjägers dürfen die Rheinländer vom Europapokal träumen.
Seit fast vier Jahren arbeitet Peter Stöger als Trainer beim 1. FC Köln. In dieser Zeit ist es mit dem FC stetig nach oben gegangen. Stöger hat den Klub in die Fußball-Bundesliga zurückgeführt, er hat ihn dort stabilisiert, und in dieser Saison sind die Kölner sogar ein ernsthafter Aspirant auf einen Europapokalplatz. Stöger also scheint, kurz gesagt, der perfekte Trainer für den FC zu sein, und vielleicht ist er das genau deshalb, weil er so gar nicht ins kölsche Umfeld passt; weil er dessen naturgegebene Aufgeregtheiten mit einer erschütternden Nüchternheit kontert.
Am Samstag, nach dem 4:2-Sieg gegen Hertha BSC, ist Stöger gefragt worden, ob er schon mal einen Stürmer wie den dreifachen Torschützen Anthony Modeste trainiert habe, der derart stark im Abschluss sei und so traumwandlerisch die richtigen Laufwege finde. „Ja“, antwortete Stöger.
Auf Nachfrage präzisierte der Österreicher dann, dass es Philipp Hosiner „auch ganz gut gemacht“ habe. Hosiner also, der inzwischen bei Union Berlin unter Vertrag steht und selbst in der Zweiten Liga seit fünf Monaten nicht mehr von Beginn an gespielt hat. Damals in Wien habe Hosiner mehr als 30 Tore in einer Saison erzielt, erzählte Stöger. „Okay, ist nur Österreich“, sagte er, „aber die Tore sind in Österreich auch gleich groß.“
Und schon war der gottgleiche Modeste wieder auf menschliches Maß zurechtgestutzt. „Für mich ist er ein Spieler wie jeder andere“, sagte Stöger. Mehrheitsfähig ist diese Ansicht in Köln aber wohl nicht. Vor allem die Zahlen sprechen dagegen. Sechzig Prozent aller 39 Kölner Treffer in dieser Saison hat Modeste erzielt. Gegen Hertha gelangen dem Franzosen seine Saisontore 20 bis 22. Er ist nun der erfolgreichste FC-Stürmer seit mehr als 30 Jahren, als Klaus Allofs in der Spielzeit 1984/85 26 Mal für die Kölner traf. Diese Marke wird Modeste in den noch ausstehenden neun Spielen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch übertreffen. „Er ist immer da, wo es gefährlich ist“, sagte Torhüter Timo Horn. „Wir wissen nicht, was wir ohne ihn machen würden.“
Hertha wusste, was droht – und konnte es nicht verhindern
Die Berliner hingegen wussten eigentlich genau, was in Köln auf sie zukommen würde. Trainer Pal Dardai hatte das Spiel des FC schon vorab perfekt skizziert: „Ein Pass vertikal – und Modeste ist weg.“ Sie kriegten genau den Modeste, den sie erwartet hatten – und kriegten ihn doch nicht unter Kontrolle. „Er hat eine andere Schnelligkeit“, sagte Dardai. „Das ist nicht unsere Dimension.“
Der Franzose ist der Meister des ersten Kontaktes. Seinen ersten Treffer erzielte er per Direktabnahme mit seinem schwächeren linken Fuß. Beim zweiten nahm er den Ball im Lauf perfekt mit der Hacke mit und schoss ins lange Eck, beim dritten schließlich wählte er nach langem Sprint die kurze Ecke. Timo Horn kennt Modeste nur aus dem Training, aber das reicht ihm, um Mitleid mit seinen Torhüterkollegen zu empfinden: „Du kannst nur schwer spekulieren, wo er hinschießt, weil er so variabel ist.“ Das Ergebnis ist eine beängstigende Effizienz vor dem Tor, auch wenn Sportdirektor Jörg Schmadtke vorrechnete: „Er hat fünf Schüsse und drei Tore gemacht – das sind nur 60 Prozent.“
In Köln haben sie unter der Woche verwundert zur Kenntnis genommen, dass Modeste trotz seiner herausragenden Werte beim französischen Nationaltrainer Didier Deschamps keine Rolle spielt. Für die anstehenden Länderspiele wurde der 28-Jährige nicht nominiert, obwohl er mit Robert Lewandowski und Pierre-Emerick Aubameyang in der Bundesliga um die Torjägerkanone konkurriert. Und während seine Widersacher bei Top-Klubs angestellt sind, spielt Modeste laut Sportdirektor Schmadtke „bei einer Truppe, die oberes Mittelmaß ist“. Natürlich sei seine Bilanz daher höher einzuschätzen als die von Lewandowski und Aubameyang. „Lasst ihn hochleben, alles berechtigt, alles gut“, sagte Schmadtke zu den Journalisten. „Das ist euer Job.“
Nur Peter Stöger widersetzte sich offen dem Personenkult um Modeste. Toreschießen sei nun mal seine Aufgabe, und überhaupt profitiere der Stürmer auch sehr stark von der Zuarbeit seiner Mitspieler. Aber selbst der nüchterne FC-Trainer kam nach diesem Spiel nicht umhin, Anthony Modeste ein paar überaus freundliche Worte zu widmen: „Ich hatte heute das Gefühl, dass er ein paar Schritte mehr gemacht hat in der Defensive.“ Das hatte Peter Stöger wirklich sehr gut gefallen.