Hertha BSC vor dem Spiel beim 1. FC Köln: Immer einen Schritt voraus
Seit dem gemeinsamen Abstieg 2012 gibt es viele Parallelen in der Entwicklung von Hertha und Köln. Doch nicht nur in den direkten Duellen haben die Berliner bisher die Nase vorn.
Berlin - Der 5. Mai 2012 war ein – im Wortsinne – schwarzer Samstag für den 1. FC Köln. Dunkler Rauch zog in dicken Schwaden von der Südkurve aus durch das Stadion. Die Spieler stürmten mit dem Abpfiff in die Kabinen, eine Hundertschaft behelmter Polizisten ging auf dem Rasen in Stellung.
1:4 hatten die Kölner gegen Bayern München verloren, und es war eine Niederlage mit Folgen. Nachdem der FC sechs Wochen lang den Relegationsplatz behauptet hatte, stürzte er doch noch auf einen direkten Abstiegsplatz, weil Hertha BSC am letzten Spieltag gegen Hoffenheim gewonnen hatte. Hertha war an ihnen auf den Relegationsplatz vorbeigezogen. Auch wenn die Berliner die unverhoffte Chance nicht nutzen konnten: Den Vorsprung, den sich die Berliner an diesem 5. Mai 2012 erarbeitet haben, behaupten sie bis heute. Seitdem ist Hertha dem FC immer einen Schritt voraus. Die Berliner sind ein Jahr früher wieder aufgestiegen, sie haben sich in der Bundesliga ein bisschen schneller konsolidiert – und sie hatten schon im vergangenen Jahr die Chance, sich erstmals wieder für den Europapokal zu qualifizieren.
An diesem Samstag treffen beide Klubs zum achten Mal seit dem gemeinsamen Abstieg im Mai 2012 aufeinander. Fünf Duelle hat Hertha für sich entschieden, zwei endeten unentschieden – verloren hat Hertha gegen Köln nie.
In der Entwicklung des FC lässt sich viel von dem wiedererkennen, was auch Hertha seit dem Aufstieg 2013 erlebt hat. Allein das Jahr 2015 ist untypisch. Hertha geriet in Abstiegsgefahr, Jos Luhukay wurde von Pal Dardai als Trainer abgelöst, während die Kölner mit der Euphorie des Aufsteigers eine recht sorgenfreie Saison spielten. Es ist zugleich die einzige seit 2012, in der sie am Ende vor Hertha landeten. Auch jetzt liegen die Berliner wieder vorne. Legt man die Formkurven beider Mannschaften nebeneinander, wirkt es wie eine Parallelverschiebung.
Das Abschneiden in der Liga ist auch Ausdruck einer veränderten Vereinspolitik. Aus den beiden Chaosklubs von 2012 sind Vereine geworden, die in der Branche für ihre seriöse Arbeit anerkannt werden und sich durch Kontinuität und Stabilität auf und neben dem Rasen auszeichnen. Hertha wird mittlerweile von Traditionsklubs wie dem HSV oder auch dem 1. FC Köln als Beispiel angeführt, wenn es darum geht, wie man von ziemlich weit unten wieder nach oben kommt.
Die Gemeinsamkeiten zwischen Hertha und dem FC sind fast schon unheimlich. Die Manager beider Klubs – Michael Preetz in Berlin, Jörg Schmadtke beim FC – sind gebürtige Düsseldorfer. Beide müssen mit eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten zurechtkommen, die unter anderem in Versäumnissen aus der Vergangenheit begründet liegen. Beide haben aber auch gezeigt, dass man selbst ohne das ganz große Geld eine erfolgreiche Transferpolitik betreiben kann.
Entscheidend für den Aufschwung beider Teams ist die Kontinuität auf dem Trainerposten. Peter Stöger ist seit 2013 im Amt, nächsten Monat wird er Christoph Daum (erste Amtszeit) und Hennes Weisweiler (erste Amtszeit in den Fünfziger Jahren) überholen. Nur Weisweiler (von 1976 bis 1980) wird dann noch länger Trainer des Klubs gewesen sein. Die FC-Legende würde der Österreicher Stöger aber noch in diesem Jahr übertreffen. Bei Pal Dardai wiederum gibt es keinen Zweifel, dass er in einem halben Jahr Luhukay als den Trainer ablöst, der unter Manager Michael Preetz am längsten im Amt ist.
Beide Trainer haben das Gesicht ihrer Mannschaft geprägt. Keines der beiden Teams verfügt über herausragende individuelle Qualität, sie überzeugen vor allem durch ihre Geschlossenheit, durch den Plan, den ihnen ihre Trainer mitgeben. Das Team ist mehr als die Summe der Einzelspieler, sowohl bei Hertha als auch beim FC. Deshalb spielt niemand gerne gegen Hertha, so wie niemand gerne gegen den FC spielt.
Basis des Erfolges ist eine stabile Defensive. Die Berliner (26 Gegentore) haben die viertbeste Abwehr der Bundesliga, die Kölner folgen mit einem Gegentor mehr gleich danach. In der offensiven Herangehensweise lassen sich die größten Unterschiede feststellen. Während Dardai Wert auf Ballbesitz und eine planvolle Anbahnung von Torchancen legt, besitzen die Kölner ihre Stärken vor allem im Umschaltspiel. „Ein Pass vertikal – und Modeste ist weg“, sagt Dardai, der sich diese Art des Fußballs auch für seine Mannschaft vorstellen könnte. Zumindest in Auswärtsspielen, in denen sich Hertha in dieser Saison so unglaublich schwertut. „Vielleicht sollten wir auswärts ganz anders spielen als zu Hause, systematisch bunkern und dann kontern.“ Das Problem ist, dass Herthas Kader dafür die schnellen Umschaltspieler fehlen. Mitchell Weiser ist einer, der das kann. Er kommt nach seiner langen Verletzungspause und den diversen Wehwehchen, die er bei seinem Comeback vor einer Woche davongetragen hat, aber in Köln wohl noch nicht für die Startelf in Frage.
Während Hertha sich im Winter darauf verständigt hat, mindestens Sechster werden zu wollen und es damit in den Europapokal zu schaffen, lautet das offizielle Ziel der Kölner in dieser Saison Platz neun. Es ist so ähnlich wie bei den Berlinern – vor einem Jahr. In der vergangenen Spielzeit trauten sie sich bei Hertha auch noch nicht richtig, in die Offensive zu gehen.
Beim FC erfahren sie gerade, dass vieles, was in der Hinrunde noch funktioniert hat, in der Rückrunde nicht mehr ganz so leicht von der Hand geht – genau wie bei Hertha in der vergangenen Saison. Die Kölner haben seit sechs Pflichtspielen nicht mehr gewonnen; dass sie immer noch Siebter sind und nur einen Punkt hinter den Europa-League-Plätzen liegen, kommt ihnen inzwischen selbst ein bisschen komisch vor. Für Hertha Trainer Pal Dardai hat das im Hinblick auf das heutige Duell wenig zu bedeuten: „Die sind immer noch gefährlich.“