Ein Turnier zum Vergessen: Angelique Kerber scheidet überraschend früh in Wimbledon aus
In der zweiten Runde unterliegt Titelverteidigerin Kerber Außenseiterin Lauren Davis. Nur Julia Görges und Jan-Lennard Struff stehen in Runde drei.
Rainer Schüttler verließ den Ort der Schmach gemessenen Schrittes. 50 Meter hinter dem Court No. 2 in Wimbledon hatte der Trainer von Angelique Kerber bereits sein Handy gezückt und die eingehenden Nachrichten gecheckt. Dann wurde es plötzlich laut hinter ihm, ein Polizist ermahnte die Menschen eindringlich, Platz zu machen. Schüttler brauchte sich gar nicht umzudrehen, so schnell war sein Schützling an ihm und allen anderen vorbeigestürmt. Den Kopf gesenkt, mit starr nach vorn gerichteten Augen, verschwand Kerber Sekunden später in der Umkleide des Centre Courts, dort wo die Topstars sich vor und nach einem Match einfinden.
Nach einem fast schon sensationellen 6:2, 2:6, 1:6 gegen die Lucky Loserin Lauren Davis aus den USA wird sie die luxuriösen Räumlichkeiten des All England Lawn Tennis & Croquet Club in diesem Jahr nicht mehr aufsuchen müssen. Angelique Kerber, die Titelverteidigerin in Wimbledon, ist ausgeschieden, bevor das Turnier so richtig begonnen hat. Damit ist das Ergebnis der 2019er Auflage des wichtigsten Tennisevents der Welt aus deutscher Sicht schon nach dem vierten Tag ein mittelgroßes Debakel. Von ursprünglich 14 gestarteten Profis aus Deutschland schafften einzig Julia Görges bei den Frauen und Jan-Lennard Struff bei den Männern den Einzug in die dritte Runde. Görges darf dort zur Neuauflage des Vorjahreshalbfinals gegen Serena Williams antreten, Struff bekommt es am Samstag mit Michail Kukuschkin aus Kasachstan zu tun und könnte erstmals in Wimbledon ins Achtelfinale einziehen. Ausgeschieden sind am Donnerstag neben Kerber auch Laura Siegemund und Dominik Köpfer.
„Ich habe mich mental von Anfang an nicht gut gefühlt heute und hatte nicht die Energie auf dem Platz“, sagte Kerber nach dem Match. Sie sei „traurig und enttäuscht“, dass sie nicht die Leistung habe bringen können, die sie von sich selbst erwarte. „Aber es gibt solche Tage. Das muss man akzeptieren und dann schnell abhaken“, fügte sie hinzu.
Dabei sprach im ersten Satz noch alles für die 31-jährige Norddeutsche. Nach umkämpften Beginn holte sie sich den Durchgang mit 6:2. Ihre Gegnerin, aktuelle Nummer 95 der Weltrangliste, musste sich minutenlang behandeln lassen und lief mit beinahe schon furchterregenden Bandagen über den Rasen. „Ich habe nie gedacht, dass sie aufgibt. Sie hat sich auch danach weiter gut bewegt und sie spielt ja immer so“, sagte Kerber. Tatsächlich fand die Vorjahressiegerin anschließend gar nicht mehr ihren Rhythmus. Sie schlug schwach auf, ließ sich von Davis’ aggressiven Grundschlägen immer wieder düpieren und hatte auch am Ende nichts mehr zuzusetzen.
Ihre 25-jährige und nur 1,57 Meter große Gegnerin konnte ihr Glück hingegen kaum fassen. „Es ist unglaublich. Erst scheitere ich in der letzten Qualifikationsrunde, nur um zwei Stunden später zu erfahren, dass ich doch im Hauptfeld bin. Es ist ein Traum, jetzt hier zu sitzen“, sagte Davis. Für Kerber war das Match auf dem nur drittgrößten Platz der Anlage hingegen ein Albtraum. Dass es sich auf dem Rasen des Courts No. 2 langsamer spielt als auf anderen, wollte sie allerdings nicht als Ausrede anführen. „Damit müssen ja beide Spielerinnen klarkommen“, sagte sie und wirkte bei der Analyse ihrer Niederlage schon wieder einigermaßen gefasst.
Mit Trainer Rainer Schüttler läuft es noch nicht
Statt in Wimbledon weiter am Projekt Titelverteidigung zu arbeiten, muss Angelique Kerber nun schon nach Hause fliegen. Ob das Kiel oder Polen bedeutet, wollte sie erst mit ihrem Team besprechen. Ähnlich wie Alexander Zverev nach dessen Erstrunden-Aus am Montag wird sie zunächst einmal abtauchen. Im zweiten Tennishalbjahr hat sie aber wieder einiges vor. „Wir haben ja noch ein paar große Turniere, und nach ein paar freien Tagen werde ich mich auf die US Open konzentrieren“, sagte sie.
Dass sie bisher mit Rainer Schüttler an ihre Erfolge aus der Vorsaison oder dem Jahr 2016 nicht anknüpfen konnte, wollte sie aber nicht am Coach festmachen, auch wenn es während des Matches am Donnerstag gegen Davis durchaus auch Unmutsbekundungen in Richtung ihrer Box gab. „Das war aus der Emotion heraus“, stellte Kerber klar.
Ganz anders waren ihre Gefühle in Wimbledon noch vor zwölf Monaten. Als strahlende Siegerin hatte sie London damals verlassen. Der Moment des Triumphes war der größte in Kerbers Karriere, in diesem Jahr gibt es für sie hier nun nichts mehr zu tun. Das Turnier 2019 ist eines zum Vergessen – vielleicht gelingt ihr das genauso schnell, wie sie nach dem Match über die Anlage marschierte.