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Hexer von heute. Andreas Wolff ist einer von zwei deutschen Spielern, die bei der EM ins All-Star-Team gewählt wurden.
© dpa/ Kulczynski

Handball-Torwart Andreas Thiel über seinen Nachfolger: „Andreas Wolff hat sich den Vergleich mit mir verdient“

Der einstige Handball-Nationaltorhüter Andreas Thiel teilt seinen Titel „Hexer“ gern mit dem aktuellen Europameister Andreas Wolff.

Herr Thiel, am Sonntag hat Deutschlands Handball-Nationalmannschaft zum zweiten Mal den EM-Titel gewonnen, am Montag ist sie unter großem Jubel in Berlin empfangen worden. Wie haben Sie das Team in den letzten Tagen und Wochen erlebt?

Ich war wirklich beeindruckt, zum einen von der Leistung, aber auch von der gezeigten Leidenschaft, das verdient ganz großen Respekt. Zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich mir mal wieder Live-Spiele angeschaut und mich bemüht, bei allen Terminen vor dem Fernseher zu sitzen. Das hat nicht immer geklappt, aber meistens. Irgendwann hatte mich diese Mannschaft gefangen. Die haben sich ja in einen richtigen Rausch gespielt!

Das Endspiel werden Sie ja wohl in voller Länge verfolgt haben.

Selbstverständlich. So einen Auftritt, gerade vom Innenblock und von Torhüter Andreas Wolff, habe ich von einer deutschen Handball-Nationalmannschaft seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen, sofern es so etwas überhaupt schon einmal gegeben hat. 24:17 im Finale gegen Spanien, das ist sensationell.

Eine der Schlagzeilen nach dem Finale lautete "Neues vom Hexer" – eine Anspielung auf Ihren Spitznamen, aber vor allem auf die herausragende Leistung von Keeper Andreas Wolff.

Das habe ich auch gelesen, hat mir sehr gut gefallen. Andreas Wolff hat sich diesen Vergleich aber auch uneingeschränkt verdient. Ich habe übrigens mit großem Interesse festgestellt, dass wir beide den gleichen Geburtstag haben, 3. März.

Das passt insofern gut, als dass Wolff von vielen Experten bereits in einer Reihe mit den ganz großen deutschen Handball-Torhütern gesehen wird. Gehen Sie mit oder kommt das zu früh?

Im Verlauf des Turniers war ich mit dem Prädikat Weltklasse vorsichtig, aber jetzt kommt man nicht daran vorbei, ihn in diese Kategorie einzusortieren. Andreas war beeindruckend in nahezu allen Spielen, nicht nur im Finale. Im Dänemark-Spiel etwa hat er acht Minuten vor Schluss bei einem Rückstand von zwei Toren unheimlich wichtige Würfe pariert. Insgesamt waren immer wieder Big Points dabei, auch wenn die Quote nicht immer so sensationell war wie gegen Spanien. Er hat alles gezeigt, was einen Weltklasse-Keeper auszeichnet.

Wolffs Nominierung war vor dem Turnier ein kleines Politikum, weil Silvio Heinevetter für ihn zu Hause bleiben musste. Hat Sie das überrascht?

Allerdings. Ich finde, der Star dieser Nationalmannschaft ist eigentlich der Trainer, Dagur Sigurdsson. Den Mut, Heinevetter zu Hause zu lassen und auf Wolff zu setzen, muss man erstmal aufbringen. Angesichts der Leistungen in der Bundesliga musste man Wolff zwar auf dem Schirm haben, aber was er jetzt abgeliefert hat, konnte man so nicht erwarten. Umso schöner, dass es eingetreten ist. Im Nachhinein hat Sigurdsson alles richtig gemacht.

Wolff war so etwas wie ein Sinnbild für das deutsche Team: jung, emotional, tolle Körpersprache.

Andreas Thiel, 56, verdiente sich zu aktiven Zeiten den Spitznamen „Hexer“. Der Torhüter absolvierte 257 Länderspiele für Deutschland, heute betreibt er eine Anwaltskanzlei in Köln.
Andreas Thiel, 56, verdiente sich zu aktiven Zeiten den Spitznamen „Hexer“. Der Torhüter absolvierte 257 Länderspiele für Deutschland, heute betreibt er eine Anwaltskanzlei in Köln.
© imago/Eibner

Das war aber nicht überzogen, im Gegenteil. Bei mir kam das als angemessener Jubel an, nicht als überzogenes Geschreie oder Gehabe. Es war vollkommen in Ordnung, genau das richtige Maß. Aber wissen Sie, was mich unabhängig von den Torhütern auf längere Sicht optimistisch stimmt? Dass wir im Innenblock vier solche Ochsen haben wie Finn Lemke, Hendrik Pekeler, Erik Schmidt und Patrick Wiencek, der nach seiner Verletzung ja auch wieder zurückkommen wird. Da stehen echte Viecher in der Abwehr, und sie verteidigen nicht nur mit ihrem Körper, sondern auch mit einer beeindruckenden Beinarbeit. Andere Nationen wären froh, wenn sie einen Spezialisten dieser Kategorie hätten, wir haben jetzt sogar vier davon.

Was bedeutet das für die großen Turniere in den nächsten Jahren?

Wir werden im Sommer in Rio jetzt nicht automatisch Olympiasieger, das muss jedem klar sein. Mit den vorhandenen Spielern dürften wir bei den nächsten Turnieren aber jedes mal eine realistische Halbfinalchance haben. Alles andere ist auf dem Niveau tagesformabhängig, zumal die Franzosen bei Olympia auch wieder eine ganz andere Rolle spielen werden, da bin ich mir sicher. In jedem Fall dürfen wir mit der Gewissheit vor dem Fernseher sitzen, dass wir wieder eine echte Chance haben, und das ist schon mal gut.

Das Gespräch führte Christoph Dach.

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