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Der Anfang einer wunderbaren Feindschaft. Mit Hennes Weisweiler begann die Rivalität zwischen Gladbach und dem FC.
© imago/WEREK

Mönchengladbach gegen Köln: Am Anfang war Hennes Weisweiler

Seit Jahrzehnten pflegen Borussia Mönchengladbach und der 1. FC Köln eine innige Abneigung. Die Geschichte einer Rivalität, Fortsetzung am Sonntag.

Michael Cuisance hat dieser Tage bei Instagram ein Bild aus dem Training bei Borussia Mönchengladbach verbreitet, versehen mit dem Zusatz: „Important Week“. Klar, wichtige Woche, Cuisance hat schließlich seinen 18. Geburtstag gefeiert, aber von der bevorstehenden Volljährigkeit war in seinem Post gar nicht die Rede. Stattdessen: #hardwork #derby #köln. Cuisance ist Franzose, er ist erst vor ein paar Wochen aus Nancy nach Gladbach gekommen, aber das hat schon gereicht, um herauszufinden, was am linken Niederrhein wirklich wichtig ist. Wenn Borussia Mönchengladbach am Sonntag (18 Uhr/Sky) zum Abschluss des ersten Spieltags in der Bundesliga den 1. FC Köln empfängt, ist das für die Menschen im Rheinland gleich zu Beginn der Saison der emotionale Höhepunkt des Fußballjahres.

Die Ursachen für die Rivalität liegen tief in der Vergangenheit, wenn auch nicht ganz so tief wie bei anderen Derbys. Die Gladbacher sind zwar schon 1920 im Endspiel um die westdeutsche Meisterschaft auf einen Vorläuferverein des FC getroffen, richtig angefangen hat es aber erst mit Hennes Weisweiler, der sinnigerweise von den Anhängern beider Klubs fast kultisch verehrt wird. Als Weisweiler 1964 Trainer bei der Borussia wurde, war der Regionalligist aus Sicht der Kölner längst noch nicht satisfaktionsfähig. Das sollte sich ein Jahr später, nach dem Aufstieg in die Bundesliga, schnell ändern.

Gegen keinen anderen Klub haben die Gladbacher mehr Siege geholt als gegen den FC, gegen keinen mehr Tore geschossen, gegen keinen auswärts häufiger gewonnen. Die Triebfeder hinter all dem ist Weisweiler. Bis heute.

Weisweiler, 1919 in der Voreifel geboren, hat in den Fünfzigern beim FC gespielt und war später auch Trainer des Klubs. Der Geißbock Hennes, das Maskottchen der Kölner, ist sogar nach ihm benannt. Zu Beginn seiner Zeit in Mönchengladbach lebt er noch im 60 Kilometer entfernten Köln, wo er als Dozent an der Sporthochschule tätig ist, seinen Freundeskreis hat und montags seine Skatrunde, die meist feucht-fröhlich endet. Weisweiler kann schlecht verlieren, am schlechtesten gegen den FC, weil er sich dann eine Woche lang hämische Kommentare anhören muss. Das wissen auch seine Spieler. „Für uns war das das gefährlichste Spiel“, sagt der damalige Torhüter Wolfgang Kleff über das Derby. „Wenn wir das verloren haben, war die Woche für uns total im Eimer.“

Auch Stefan Effenberg geriet schon mal mit Kölns Toni Polster aneinander.
Auch Stefan Effenberg geriet schon mal mit Kölns Toni Polster aneinander.
© picture-alliance / dpa

Jürgen Wittkamp, Borussias Libero in den erfolgreichen Siebzigern, hat einmal über sein erstes Derby erzählt. Wittkamp war vom FC Schalke gekommen, wo man die Dinge damals nicht ganz so bierernst nahm. Nach einer 3:4-Niederlage in Müngersdorf, bei der er nur auf der Bank gesessen hatte, kam er in die Kabine, fing an sich umzuziehen – und stellte plötzlich fest, dass er der Einzige war: „Die guckten alle auf den Boden, keiner sagte ein Wort. Das dauerte fünf oder zehn Minuten, bis sich der Erste die Schuhe auszog. Ich hab’ gedacht: Wo bist du denn hier gelandet? Die sind ja alle bekloppt.“

Man darf dieses Spiel einfach nicht verlieren

Hennes Weisweiler ist seit fast 35 Jahren tot; sein Geist aber lebt zumindest in den Derbys fort – bei beiden Klubs: Man darf dieses Spiel einfach nicht verlieren. Das war natürlich auch so, als Weisweiler 1976 nach Köln zurückkehrte und mit dem FC zwei Jahre später zum bisher letzten Mal Deutscher Meister wurde – vor den Gladbachern, die am letzten Spieltag 12:0 gegen Dortmund gewannen und am Ende trotzdem drei Tore zu wenig geschossen hatten. Es war gewissermaßen Kölns Revanche für das verlorene Pokalfinale fünf Jahre zuvor, bei dem sich Günter Netzer selbst eingewechselt und unmittelbar danach den Siegtreffer erzielt hatte. So pflegt jede Seite ihre Traumata, die ihr von der jeweils anderen zugefügt wurden.

Trotzdem hat sich der Charakter des Derbys in den vergangenen Jahren geändert. Max Eberl, Borussias Sportdirektor, hat im Frühjahr in einem Interview mit dem „Kölner Stadtanzeiger“ gesagt, dass die Spiele immer brisant, stimmungsvoll und von Emotionen getragen gewesen seien. „Aber sie waren zu meiner aktiven Zeit nie ausufernd, was das ganze Drumherum angeht. Das Verhalten der Fans war immer einigermaßen im Rahmen, es gab keinen Platzsturm, keine große Hetze.“

Brisant. Bei Gladbach gegen Köln geht es hoch her, wie zwischen Helveg und Podolski.
Brisant. Bei Gladbach gegen Köln geht es hoch her, wie zwischen Helveg und Podolski.
© picture-alliance/dpa

Zuletzt haben die Derbys nur noch wenig Spaß gemacht: Die Kartenkontingente für Auswärtsfans wurden reduziert, die Ultras haben geschwiegen. Viele normale Fans hatten schon gar keine Lust mehr auf einen Stadionbesuch, weil sie sich nicht prophylaktisch wie Schwerverbrecher behandeln lassen wollten. Auch am Sonntag wird es wieder massive Sicherheitsvorkehrungen geben, obwohl sich die Lage in der vorigen Saison etwas beruhigt hat. So könnte das Derby diesmal vor allem von der sportlichen Brisanz leben: Dass die Kölner erstmals nach 25 Jahren wieder europäisch spielen und das seit Saisonende in Dauerschleife feiern, gefällt den Fans der Gladbacher natürlich nur bedingt.

Die Gereiztheit in den Fanlagern kontrastiert auf das Entschiedenste mit der gegenseitigen Wertschätzung der handelnden Personen in den Führungsetagen. Kölns Sportdirektor Jörg Schmadtke ist mit Borussias Trainer Dieter Hecking seit gemeinsamen Zeiten in Aachen befreundet. Unter Rainer Bonhof, inzwischen Vizepräsident der Gladbacher, war Schmadtke kurze Zeit Co-Trainer der Borussia, und obwohl er damals vergeblich versucht hat, Max Eberl das Flanken beizubringen, hegen beide Sportdirektoren bis heute ein freundschaftliches Verhältnis. Eine Prüfung wenigstens wird dieser Freundschaft erspart bleiben. Dass der eine dem anderen einen Spieler abwirbt, ist nahezu ausgeschlossen. Ein Kölner nach Gladbach (oder umgekehrt) – geht natürlich gar nicht.

Stefan Hermanns

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