Thomas Tuchel nach Anschlag in Dortmund: "Als wäre eine Bierdose gegen den Bus geflogen"
Nach dem Anschlag auf den Teambus beklagt BVB-Trainer Thomas Tuchel die schnelle Neuansetzung der Partie gegen Monaco. Auch die Gedanken der Spieler kreisen noch um die Ereignisse des Vortags.
Irgendwie war alles anders an diesem Mittwochabend. Die Zuschauer strömten zwar wie sonst auch zum Dortmunder Stadion, doch die große Vorfreude mochte sich nicht einstellen vor dem Hinspiel des Champions-League-Viertelfinals von Borussia Dortmund gegen den AS Monaco. Keine Gesänge oder Schlachtrufe, die Gespräche waren gedämpft, die Blicke ernst. Und so erging es wohl auch einigen Spielern.
„Bis zum Anpfiff war bei mir alles im Kopf, nur kein Fußball. Was gestern passiert ist, wünsche ich niemandem. Wir haben erst Zuhause realisiert, wieviel Glück wir hatten. Ich weiß, dass der Fußball wichtig ist, aber wir sind auch nur Menschen“, sagte Nuri Sahin und Julian Weigl ergänzte: „Jeder funktioniert in so einer Situation anders. Wir konnten am Anfang nicht so frei spielen. In der zweiten Halbzeit haben wir die Köpfe ausgeschaltet und Gas gegeben.“ Ob es für den Bundesligisten nach dem 2:3 (0:2) aber für das Halbfinale in der Champions League reicht, wird erst das Rückspiel am Mittwoch in Frankreich zeigen.
Erst einmal kreisten die Gedanken noch um die Ereignisse des Vortages - und Trainer Thomas Tuchel äußerte Kritik an der schnellen Neuansetzung der Partie nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus. „Wir hätten uns mehr Zeit gewünscht, damit umzugehen“, sagte der Coach am Mittwochabend. „Wir wurden überhaupt zu keiner Zeit gefragt. Die Uefa hat das in der Schweiz entschieden. Das hat sich nicht gut angefühlt Minuten nach diesem Sprengstoffanschlag. Wir hatten das Gefühl, als wäre eine Bierdose gegen den Bus geflogen“, sagte Tuchel mit einer verbalen Zuspitzung auf die Uefa-Entscheider.
Er selbst hatte ein „Gefühl der Ohnmacht“, weil er überhaupt keinen Einfluss nehmen konnte auf einen neuen Termin. Man müsse vor allem den Spielern zugestehen, „heute mit einem mulmigen Gefühl in den Bus zu steigen“. Mit der Anstoßzeit und der Vorgeschichte fühle sich „das nicht wie ein Champions-League-Feiertag an“.
Uefa weist Kritik zurück
Die UEFA indes hatte bereits am Dienstagabend von einer gemeinsamen Entscheidung mit beiden Vereinen und Behörden gesprochen. „Die Anstoßzeit wurde aus logistischen Gründen gewählt, auch damit der AS Monaco noch am selben Abend nach Hause reisen kann, um die Vorbereitung auf sein Ligaspiel am Wochenende nicht zu beeinträchtigen“, sagte ein UEFA-Sprecher am Mittwoch der „Rheinischen Post“ als Reaktion auf Tuchels Kritik.
Tuchel hatte den Spielern freigestellt, am Mittwochabend zu spielen. „Das gebietet der normale Menschenverstand und der Umgang zwischen uns“, sagte er. Es sei aber niemand zu ihm gekommen. Es habe nicht mit Professionalismus zu tun, dass sie spielen würden. „Das, was uns gestern widerfahren ist, ist uns als Menschen widerfahren“, sagte Tuchel. „Und das steckt uns allen in den Knochen.“
Der BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke saß am Mittwoch auf der Tribüne neben reichlich Prominenz wie Innenminister Thomas de Maizière, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft oder DFB-Boss Reinhard Grindel. „Wir wollen, dass solche Spiele stattfinden, wir wollen dem Terror nicht weichen“, sagte de Maizière bei Sky.
Marc Bartra verfolgte das Spiel vorm TV
Dortmunds Spieler liefen beim Aufwärmen allesamt mit einem T-Shirt von Marc Bartra auf. Der Spanier, der sich bei dem Anschlag vom Dienstag am Arm schwer verletzte und operiert werden musste, verfolgte das Spiel am Fernseher.
Im Stadion wurde es dann emotional. Die Kult-Hymne „You'll never walk alone“ wurde vor dem Anpfiff von den Rängen noch etwas lauter gesungen, dazu hatten die Fans auf der Südtribüne in einer riesengroßen Choreographie ein überdimensionales BVB erzeugt. Von Beginn an feuerten sie ihr Team frenetisch an. noch einmal hoffen für das Rückspiel. Die Dortmunder Chancen, noch ins Halbfinale einzuziehen, sind nicht groß, aber noch existent. So sagte der Dortmunder Trainer Thomas Tuchel: „Wir haben keine Lust, da auszuscheiden.“ (mit dpa)
Felix Meininghaus