Aito Garcia Reneses: Alba Berlins Trainer: "Das Alter spielt keine Rolle"
Aito Garcia Reneses spricht zum Saisonstart am Samstag über die Ziele mit seinem neuen Team und die Unterschiede zwischen deutschem und spanischem Basketball.
Herr Reneses, Sie sind 70 Jahre alt, Sie sind eine Trainer-Ikone in Spanien, haben unzählige nationale und internationale Titel gewonnen sowie viele Spieler zu NBA-Stars gemacht. Warum – etwas böse formuliert – tun Sie sich nun Alba Berlin an?
Mehr noch als Titel zu gewinnen, ist es für meine Tätigkeit entscheidend, etwas voranzubringen, Spieler und Teams zu verbessern. Es ist für mich deshalb im Grunde egal, ob ich Barcelona oder die spanische Nationalmannschaft trainiere. Mich reizt vor allem, meine Vorstellungen von Basketball zu vermitteln. Wenn die Voraussetzungen stimmen, dann ist das eine tolle Aufgabe. Ich denke, hier kann man viel auf die Beine stellen. Warum also nicht Berlin?
Weil Alba einmal für Erfolg und große Spieler-Persönlichkeiten wie Wendell Alexis oder Henrik Rödl stand. Inzwischen fehlt aber beides. Wie wollen Sie den Klub nach vorne bringen?
Zunächst einmal gehört zur Wahrheit sicher auch, dass wir nicht die gleichen Möglichkeiten haben wie etwa Bamberg oder Bayern. Diese beiden Klubs können sich im Moment andere Spieler leisten als wir. Da können wir nicht mithalten. Deswegen müssen wir uns entwickeln, die Spieler müssen besser werden, dann haben die Zuschauer mehr Spaß und dann entwickelt sich auch der ganze Klub. Ich habe schon eine bestimmte Idee von erfolgreichem Basketball, die ich auch hier umsetzen will.
Was anhand der Neuzugänge auffällt: Sie setzen auf große Spieler.
Das stimmt. Wissen Sie, es gab ja auch in Spanien Zeiten, in denen es nicht so gut lief. Irgendwann haben wir dann gemerkt, dass Athletik und eine gute Wurfquote allein nicht für die Weltspitze reichen. Es reicht nur dann für ganz oben, wenn große Spieler das alles können. Darauf hat der spanische Basketball schließlich gesetzt und heraus kamen Spieler wie die Gasol-Brüder. Das beste Niveau im Basketball erreichst du nur dann, wenn du die großen Spieler hast.
Unterscheidet das im Moment den deutschen vom spanischen Basketball?
Ich möchte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, weil ich die Liga hierzulande noch besser kennenlernen muss. Aber mein Eindruck ist schon der, dass in vielen Teams der Basketball-Bundesliga der Center auch auf einer kleineren Position spielen könnte oder vielleicht sollte und dass im Grunde alle Positionen eher mit zu kleinen Spielern besetzt sind.
Welche Unterschiede gibt es noch?
Ich kann mich daran erinnern, wie ich vor vielen Jahren mal mit einer Jugendauswahl gegen Deutschland spielte. Die Deutschen waren gut, aber mir fiel schnell auf, dass wir das Spiel viel besser lesen konnten. Deswegen haben wir gewonnen. Neben fundamentalen Dingen wie Werfen oder Verteidigen muss ein Spieler schon sehr früh lernen, das Spiel zu lesen und auf dem Feld die richtigen Entscheidungen zu treffen. Vielleicht ist Spanien in dieser Hinsicht den Deutschen ein wenig voraus.
Können Sie das erwachsenen Spielern noch beibringen?
Man kann immer, auch in hohem Alter, noch etwas dazulernen. Ich hatte schon viele junge und talentierte Spieler, die aber nicht lernfähig waren. Auf der anderen Seite hatte ich 35- oder 36-jährige Veteranen, die sehr aufnahmefähig für neue Ideen waren und noch einmal einen richtigen Sprung machten. Das Alter ist nicht entscheidend, entscheidend ist, ob du etwas dazulernen willst.
"Mir war wichtig, Fortschritte zu sehen. Und das habe ich getan"
Das dürfte auch Ihr Motto sein. Mit 70 Jahren könnten Sie der Vater von einigen Ihrer Trainerkollegen in der Basketball-Bundesliga sein.
Das stimmt. Aber auch auf Trainerebene spielt das Alter keine Rolle. Es hat Vor- und Nachteile. Ich habe mehr Erfahrung, bin dafür natürlich physisch nicht mehr in so einem Zustand wie vor 30 oder 40 Jahren.
Alba Berlin konnte in diesem Jahr einen hochklassigen Spieler wie zum Beispiel Luke Sikma verpflichten, der wohl in erster Linie Ihretwegen gekommen ist. Überhaupt: Durchweg schwärmen Ihre ehemaligen Spieler von Ihnen. Sie gelten als einer der größten Talentförderer überhaupt im europäischen Basketball. Was ist Ihr Geheimnis?
Ich habe diesbezüglich kein Geheimnis. Der Unterschied zu vielen anderen Trainern ist vielleicht, dass ich einen jungen Spieler, der auf dem Niveau des Teams ist, sofort spielen lasse – unabhängig vom Alter. In anderen Mannschaften müssen sich die Talente erst lange hocharbeiten und das kann Jahre dauern.
Und wie wird ein Spieler dann zu einem großen Spieler?
Erstens muss er wollen. Zweitens muss er talentiert sein. Und drittens muss er lernfähig sein. Das ist am wichtigsten und trotzdem keine Garantie, dass er ein großer Spieler wird. Aber wenn er kein Pech hat, dann kann er zumindest ein ordentlicher Spieler werden, wenn er das alles beherzigt.
Wer sind Ihre großen Spieler, Ihre Leader bei Alba in dieser Saison?
Ich denke, dass Niels Giffey und Luke Sikma definitiv zwei Spieler sind, die unsere Mannschaft führen können. Sie haben die nötige Erfahrung und das nötige Wissen über Basketball. Aber natürlich muss jeder mithelfen. Sehen Sie, Tim Schneider zum Beispiel ist jemand, der nicht viel redet und lieber zuhört. Ich verlange von ihm nun nicht, dass er ständig quasselt. Aber vielleicht bringt er sich beim nächsten Spiel noch zwei Prozent mehr ein und in ein paar Spielen sind es dann vielleicht fünf Prozent. Und das gilt letztlich für alle.
Die Vorbereitung mit Alba verlief, blickt man auf die Ergebnisse, alles andere als erfolgreich. Machen Sie sich darüber Sorgen?
Ehrlich gesagt nein. Es kam mir in diesen Vorbereitungsspielen nicht auf das Ergebnis an. Mir war wichtig, Fortschritte zu sehen. Und das habe ich getan. Wir sind jedes Spiel ein bisschen besser geworden.
Gleich zum Auftakt spielt Alba in Ulm (Samstag, 18 Uhr). Was halten Sie von dem Gegner?
Ich kenne die Ulmer gut, hatte gegen sie schon mit Gran Canaria gespielt. Das waren immer intensive Begegnungen. Ich denke, dass Ulm auch in dieser Saison eine gute Rolle spielen wird. Daher wird es ein sehr schweres Spiel für uns.
Was ist Ihr Saisonziel mit Alba?
Besser werden, immer besser werden über die ganze Saison hinweg. Ob wir dann Weltmeister, Meister der Schützenstraße, wo wir trainieren, oder etwas anderes werden, ist für mich nicht das einzig Entscheidende.