Flüge, Busse, Betten: Alba Berlins Reiseleiterin hat alles im Blick
Albas Berlins Basketballer sind auch in der Pandemie ständig unterwegs. Franziska Bicker organisiert ihre Auswärtsfahrten – und das unter erschwerten Bedingungen.
Für die Basketballer von Alba Berlin ging es in den vergangenen Tagen etwas gemächlicher zu. Vor dem Euroleague-Auswärtsspiel bei Fenerbahce Istanbul an diesem Freitag (18.45 Uhr, Magentasport) waren sie vier ganze Tage lang in keinem Wettbewerb gefordert. Es gab Zeit zum Trainieren, für die Regeneration, für die Familie – ein ungewohnter Luxus in einer verrückten Saison mit meist drei oder vier Spielen pro Woche. Doch nicht alle bei Alba konnten in den vergangenen Tagen durchatmen. „Ruhiger war es für mich nicht“, sagt Franziska Bicker. „Ich bin schon mit März beschäftigt, und da haben wir 13 Spiele, neun davon auswärts.“
Bicker ist Teammanagerin bei Alba und damit für die Organisation rund um das Profiteam zuständig. Flüge, Zugfahrten, Bustransfers, Hotels, Trainingszeiten in fremden Hallen – nahezu alles, was die Auswärtsspiele der Mannschaft betrifft, läuft über den Schreibtisch oder durch das Homeoffice der 28-Jährigen. In dieser Saison bestreitet Alba je nach Erfolg in den jeweiligen Wettbewerben um die 80 Spiele, die Hälfte davon außerhalb von Berlin. Für Bicker heißt das: etwa 40 Hin- und Rückreisen organisieren, Unterkünfte buchen, flexibel auf Änderungen reagieren. Und das alles aufgrund des engen Spielplans mit ganz wenig zeitlichem Spielraum.
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Bicker ist jetzt in ihrer neunten Saison bei Alba, erst als Praktikantin, dann als Mitarbeiterin im Projektmanagement und in der Jugend. Seit anderthalb Jahren ist sie neben der Koordinierung der Frauen-Mannschaft in der Zweiten Liga auch für die männlichen Profis zuständig. So viele Spiele wie in dieser Phase hatte der Klub in seiner 30-jährigen Geschichte noch nie – und Bicker mit ihrem kleinen Team damit immer viel zu tun. Das Telefon klingelt häufig, es müssen Mails geschrieben und Informationen an die Euroleague übermittelt werden. Es ist gar nicht so einfach, Bicker an den Hörer zu bekommen. „Durch das Pensum mit der Euroleague war es schon letzte Saison sehr viel Arbeit, aber jetzt ist es durch die Pandemie noch mal viel mehr“, sagt sie.
In der Bundesliga und der Euroleague gelten strenge Hygienekonzepte, die größten Schwierigkeiten bereiten aber die zahlreichen Infektionsschutzverordnungen und Einreisebestimmungen der verschiedenen Länder. Die 18 Teilnehmer der stärksten Basketball-Liga außerhalb der NBA kommen aus neun europäischen Nationen und Israel. Das heißt zehn unterschiedliche Bestimmungen, die zudem immer wieder überarbeitet werden.
Für eine einzelne Person wäre das in Eigenregie kaum zu überblicken, deshalb verlässt sich Bicker vor allem auf den Austausch mit den Kollegen der anderen Vereine. „Das ist das A und O“, sagt sie. Jeden Montag müssen in einer Liste der Euroleague die nationalen Bestimmungen aktualisiert werden. Das gibt einen ersten Überblick, die Details werden dann direkt geklärt. „Mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Vereine bin ich sowieso in Kontakt“, erzählt sie. „Im Zweifel können die einem ganz genau sagen, was man beachten sollte, was man mitbringen muss oder ob man eine Ausnahmegenehmigung bekommt.“
Bisher hat es bei Alba trotz aller Schwierigkeiten in dieser Saison stets geklappt. Es sind zwar einige Spiele ausgefallen, aber nur wegen der zweiwöchigen Quarantäne im Oktober und nicht aus organisatorischen Gründen. Selbstverständlich ist das nicht. Erst in den vergangenen Wochen mussten zwei Spiele von Maccabi Tel Aviv verlegt werden, weil die Gästemannschaften aufgrund der strengen Richtlinien in Israel nicht einreisen durften.
Auch Albas Spiel in Tel Aviv stand im Oktober zwischenzeitlich auf der Kippe. Lange war nicht klar, ob die Berliner einreisen dürfen, es stand bereits eine Verlegung nach Athen im Raum, doch am Ende schaffte es Alba mit einem Charterflug nach Israel. „Zu Saisonbeginn haben wir sehr kurzfristig geplant, weil wir noch keine Erfahrungswerte hatten. Wer wusste damals schon, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Flug stattfindet, den man acht Wochen im Voraus gebucht hat?“, sagt Bicker.
Mittlerweile hat sich das etwas eingespielt. Etwa vier Wochen im Voraus sollte die grobe Planung stehen – und bisher hatten sie bei Alba Glück, dass sie von ganz kurzfristigen Änderungen verschont geblieben sind. Auch so ist die Organisation in der Pandemie schwierig genug. Viele Hotels sind geschlossen und der Flugverkehr läuft seit Monaten auf Sparflamme.
So kommt schon mal eine ziemlich absurde Reiseroute heraus, wie sie Albas Trainer Aito Garcia Reneses im Dezember auf Twitter veröffentlichte. Montag Abflug von Berlin über Wien nach Belgrad, wo das Team am Dienstag spielte. Mittwoch von Belgrad über Frankfurt nach Athen zum nächsten Spiel. „Von Belgrad nach Athen ist es eine Stunde Flug, aber es gab an dem Tag einfach keine Direktflüge und wir hatten zeitlich keinen Spielraum“, sagt Bicker. „Da mussten wir nehmen, was irgendwie möglich war, denn wir können nicht immer Flüge chartern.“
Die Pandemie trifft den Basketball finanziell sehr hart und selbst in der Euroleague sind die Teambudgets weit von denen im Fußball entfernt. Albas Manager Marco Baldi ist froh, dass überhaupt gespielt werden kann, schätzt die Mehrkosten für die regelmäßigen PCR-Tests, die Hygienekonzepte sowie die Reisen aber auf einen „deutlich sechsstelligen Betrag“. Dazu kommen große Einnahmeausfälle durch den Zuschauerausschluss.
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Ein unbeschränktes Budget hat Bicker daher nicht zur Verfügung und oft ist Kreativität gefragt, auch wenn das für die Spieler nicht immer angenehm ist. „Eigentlich ist unsere Devise, wann immer möglich, Direktverbindungen zu nehmen, aber das geht momentan nicht immer“, sagt sie.
Gerade erst wurde ein Flug nach Russland für Anfang März gecancelt. Alba spielt dann an einem Dienstag in St. Petersburg, am Freitag in Moskau und am Sonntag in Ulm. Mehr als eine Woche weg von zu Hause – ein Leben zwischen Flughafen, Hotel, Halle. Da ist Franziska Bicker bei allem Stress durchaus zufrieden mit ihrem Schreibtischjob. „Die Spieler beneide ich wirklich nicht. Ich bin froh, dass ich nicht mitreisen muss.“